(ein interessierter Student auf Indymedia) Am 29.04.04 gab es an der FH-Potsdam eine Pressekonferenz des Brandenburger Innenministeriums zum Bundesweit einmaligen Weiterbildungsprojekt “Konfliktmanagement für Lehrer/innen, Polizist/innen und Sozialarbeiter/innen mit Arbeitsplatz im Landkreis Uckermark”.
Was heißt das konkret?
Bislang 37 LehrerInnen, SozialarbeiterInnen sowie PolizistInnen haben sich bislang in zwei einjährigen berufsübergreifenden Kursen (à 250 Std.) qualifiziert.
Diese drei Berufsgruppen, sind allesamt auf unterschiedlichste Art und Weise mit Problemen bezüglich Jugendgewalt und ‑kriminalität konfrontiert sind.
In Verlauf der Weiterbildung, werden sich die Teilnehmer ihres berufsspezifisch eingeschränkten Sicht- und Wirkungskreises bewusst sowie auch eigener sowie berufsspezifischer Stärken und Schwächen im Umgang mit Konflikten (jeglicher Art). Die Weiterbildung sollte die gegenseitige Akzeptanz fördern sowie die Grundlage für eine nachhaltige Vernetzung und fachübergreifende Auseinandersetzung mit Konflikten und Gewalt schaffen.
Durch vielfältige Übungen und das Erlernen von Kommunikationstechniken wurden u.a. die Fähigkeiten erweitert, sich in andere hineinzuversetzen und auch berufsübergreifend denken, verstehen und handeln zu können.
Den Vorteil, den solch erweiterte Fähigkeiten mit sich bringen, erläuterte eine anwesende Polizistin, die selbst Teilnehmerin des letzten Kurses war so (sinngemäß zitiert):
?Ich wurde mit einer Kollegin zu einem Einsatz gerufen, wo eine Jugendliche in einem Heim randalierte, d.h. sie hatte der neuen Betreuerin gegen das Schienbein getreten und diese beschimpft. Daraufhin wollte die Betreuerin sie rausschmeißen. Da die Jugendliche jedoch nicht freiwillig ging, sollten wir dafür sorgen, dass sie raus geht. Notfalls natürlich mit Gewalt. Normalerweise hätten wir sie ein-zwei Mal gebeten freiwillig rauszugehen und sie dann, da sie sich natürlich weigerte, nach Erteilung eines Platzverweises herausgetragen.
Da ich aber zu der Zeit an diesem Kurs teilnahm, erinnerte ich mich hieran und versuchte mich mit dem jungen Mädchen zu unterhalten und nahm mir die Zeit, ihr zuzuhören.
Dadurch erfuhr ich, dass sie sich in ihren alten Betreuer verliebt hatte und nun natürlich unglücklich war, dass eine neue Betreuerin für sie zuständig war. So ließ sich das Ganze dann in gemeinsamen Gesprächen klären und eine Lösung finden, bzw. der Lösung zumindest näherkommen.
Eine ebenfalls anwesende Sozialarbeiterin sowie eine Lehrerin schilderten auf der Pressekonferenz ähnlich positive Erfahrung.
Bei den Teilnehmern hat sich während des Kurses durch den Blick über den beruflichen Tellerrand hinaus, der eigene Horizont erweitert, und das Verständnis für andere (Berufsgruppen, aber auch das “Klientel”) ist hierdurch gewachsen.
Die Teilnehmer des ersten Kurses gründeten zudem im Anschluss an den ersten Kurs das Netzwerk “Mediation in der Uckermark”, in welchem auch die Teilnehmer des zweiten Kurses mitwirkten.
Weitere Kurse sind angedacht und werden auch durchgeführt. Es soll nun jedoch darauf hingearbeitet werden, dass aus jeder Gemeinde, aus der sich ein/e TeilnehmerIn meldet, ein sog. ?Trio? (d.h. LehrerIn, PolizistIn und SozialarbeiterIn) zusammenkommt, damit zum einen das Verhältnis zwischen den Berufsgruppen ausgeglichener ist und v.a. dass im Anschluss auch eine gute Weiterführung der Idee in den einzelnen Gemeinden möglich ist.
Finanziert wird das Projekt aus Mitteln des Xenos-Programms (EU-Mittel) sowie vom Bündnis für Demokratie und Toleranz und dem Landespräventionsrat Brandenburg. Es läuft bis zum Sommer diesen Jahres. Projektträgerin ist die Fachhochschule Potsdam.
Am kommenden Freitag, den 7. Mai 2004 laden die Veranstalter der Kurse, zu einem Expertenworkshop ein.
Es geht auf der Veranstaltung darum zu überprüfen, inwieweit das Weiterbildungs- und Vernetzungsprojekt auch auf andere Kommunen Brandenburgs und Deutschlands übertragbar ist (Anfragen aus anderen Bundesländern lagen bereits vor).
Zu diesem Zweck sollen Vertreter/innen aus unterschiedlichen Institutionen in einen gemeinsamen Dialog treten, die sich im Rahmen ihrer Arbeit mit Gewalt und Konfliktbearbeitung auseinandersetzen oder Mitarbeiter/innen aus den drei Berufsgruppen beschäftigen.
Der Workshop beginnt um 10 Uhr und endet um 17 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos.
Veranstaltungsort ist die Fachhochschule Potsdam, am Alten Markt neben der Nikolaikirche, Friedrich-Ebert-Str. 4 im Hörsaal 1.
Bezüglich Anmeldungen bitte umgehend (sorry für den späten Artikel) Frau Kerstin Lück, Projektleiterin, Tel.: 0331–580-1132, Email: lueck (at) fh-potsdam.de kontaktieren.
Persönliches Statement zu der ganzen Sache:
Dass v.a. PolizistInnen, aber auch LehrerInnen und SozialarbeiterInnen teilweise überhaupt nicht mit ihrem Klientel (d.h. vorwiegend Jugendlichen) klarkommen und dann “einfach nur ihren Job machen” (und dass dann durch teils unmenschliches Ausführen von Befehlen und Ordern) ist in vielen Fällen nicht von der Hand zu weisen.
Ich denke in diesem Projekt wird den Ursachen auf den Zahn gefühlt, nämlich dem Unverständnis gegenüber dem “anderen”, seien es nun “die Jugendlichen oder andere Berufsgruppen. Zeitgleich werden Handlungsalternativen aufgezeigt sowie Gesprächs- und Handlungskompetenzen vermittelt.
Wenn Polizisten, die solche Weiterbildungen belegt haben, dann z.B. auf ´ner Demo oder beim Castortransport eingesetzt wären, würden sie den Knüppel bestimmt nicht so leicht ziehen und draufschlagen, wie es derzeit leider der Fall ist.
Es liegt insgesamt auch ziemlich klar auf der Hand, dass die Institution Polizei (aber auch Schulen und Sozialämter) in sich arg verkrustet und in ihrer ?professionellen? Vorgehensweise stark festgefahren sind (siehe Bsp. ?Platzverweis? und anschl. ?wegtragen? (d.h. Einsatz von unmittelbarem Zwang), da PolizistIn sich nicht anders zu helfen weiß).
Dass diese Institutionen jedoch nicht von heute auf morgen abzuschaffen sind (wie sich einige nachvollziehbarer Weise wünschen) dürfte aber auch klar sein.
Somit scheint mir dieses Projekt hier sehr gut geeignet, etwas zum Aufbrechen festsitzender Feindbilder in den Köpfen und zu mehr gegenseitigem Verständnis beizutragen.
Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Projekt weiter gefördert wird und Vernetzung zwischen Ämtern und Institutionen nicht nur auf Ebene der Informationen (Austausch personenbezogener Daten) stattfindet.
Wenn wir anfangen einander zu verstehen, werden wir auch aufhören aufeinander einzuschlagen.