LUCKENWALDE — Die beiden jungen Männer mit den kurz geschorenen Haaren
zeigen vor dem Jugendschöffengericht in der Kreisstadt Luckenwalde eine
Mischung aus Geständigkeit, Verlegenheit und Aufsässigkeit. Dem einen
Angeklagten wird der unerlaubte Besitz einer Stahlrute vorgeworfen.
“Ich
muss mich doch bei Schlägereien zwischen Rechts und Links schützen
können”,
erklärt er. Sein Kumpel war in einem Bus gewalttätig geworden, weil ein
mitfahrender Schüler angeblich “Scheiß-Nazi” gesagt haben soll.
Zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert
Beide kommen vor dem Gericht mit Verwarnungen davon und werden
gemeinnützige
Arbeit leisten müssen. Sie waren zuvor kaum durch Straftaten
aufgefallen und
werden vom Jugendgerichtshelfer als “Mitläufertypen” in der rechten
Szene
eingeschätzt. Dennoch gehören ihre unlängst verhandelten Delikte schon
zu
den schwereren in der Kriminalstatistik des vergangenen Jahres.
“Von den 67 so genannten Staatsschutzdelikten sind mehr als 90 Prozent
Propagandadelikte”, sagt Kriminalhauptkommissar Holger Krüger. Der
Beamte
leitet seit dem Juli des Vorjahres das Jugendkommissariat im
Schutzbereich
Teltow-Fläming. Mit Propagandadelikten meint der Kommissar konkret
Hakenkreuzschmierereien, Sieg-Heil-Rufe oder das öffentliche Abspielen
verbo
tener Nazi-Lieder.
Rückgang der Delikte um fast 20 Prozent
Die Zahl der Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund ist 2002 in
unserem
Kreis um fast 20 Prozent zurückgegangen, und Holger Krüger ist
überzeugt,
dass es nur eine unbedeutende Dunkelziffer gibt. Die Bevölkerung sei
sehr
sensibel und zeige selbst scheinbare Bagatellen an, begründet er.
Besonders
froh ist der Kriminalbeamte über den Rückgang der Zahl von
Gewaltdelikten.
Seine Erklärung für diese Entwicklung ist einfach: Die scharfen Urteile
der
vergangenen Jahre zeigen Wirkung.
Doch die juristische Aufarbeitung der länger zurückliegenden
Gewalttätigkeiten hat aus der Sicht von Holger Krüger auch
Schattenseiten.
Als Beispiel nennt er Trebbin, das mit den Gerichtsverhandlungen im
vergangenen September um die Prügeleien von 1996 wieder in die
Schlagzeilen
geraten war. Das Bild von der “braunen Hochburg” sei dadurch erneuert
worden — die Kriminalitätsentwicklung sehe jedoch anders aus, betont
der
Kommissariatsleiter.
“Wir beobachten unsere Klientel”
Eine so genannte Kameradschaft Trebbin gebe es nicht, und von der Zahl
der
Straftaten her sei ohnehin Ludwigsfelde der Spitzenreiter im Kreis,
sagt
Holger Krüger. Er ist weit entfernt davon, sich durch die positiven
Tendenzen beruhigen zu lassen. “Wir kennen die Treffpunkte und wir
beobachten unsere Klientel”, betont er, “denn die früheren Zustände
sollen
sich nicht wiederholen.”
“Unsere Klientel” — das sind vor allem Jugendliche zwisch en 14 und 18
Jahren, deutlich weniger Heranwachsende bis 21 und einige Erwachsene.
Die
wenigsten drücken mit Kleidung, Haarschnitt und Gruppenverhalten eine
politische Gesinnung aus, sagt Elke Auerbach, Pressesprecherin des
Schutzbereiches.
Dem Leben eine andere Richtung geben
“Wenn es Gesinnung wäre, dann hätten wir ja diese Leute später als
stramme
Mitglieder rechter Organisationen”, begründet es die
Polizeihauptkommissarin. Eine solche Entwicklung sei aber nicht
festzustellen, und über die Jahre bliebe das Altersspektrum der Täter
etwa
konstant. Oftmals reichten schon eine feste Freundin, eine andere
Lehrstelle
oder ein Wohnortwechsel, um dem Leben einen andere Richtung zu geben.
Vorbeugende Arbeit unter Jugendlichen sieht die Polizei als wichtiges
Mit
tel, um rechtsradikale Straftaten zu verhindern. Diese Aufgabe hat das
im
Schutzbereich neu geschaffene Sachgebiet Prävention, das sich an den
Schulen
unter anderem auch um die Probleme Drogen und Gewalt kümmert.
Für Holger Krüger sind die vorbeugenden Bemühungen aber zu Ende, wenn
Gewalttaten mit rechtsextremem oder fremdenfeindlichem Hintergrund
geschehen — wie im Sommer 2002, als in Ludwigsfelde ein Afrikaner
brutal
zusammengeschlagen wurde. “Dann stecken wir Power hinein”, sagt er,
“denn
nur mit schneller Aufklärung und harten Strafen können wir solche
Sachen in
Grenzen halten.”