Die Woche, in der die selbsternannte „wehrhafte Demokratie“ sich lächerlich machte ist nun zu Ende. Begonnen hatte alles mit drei angemeldeten Kundgebungen der JN Oranienburg, an jedem der Tage fanden sich mal weniger und mal mehr Protestierende ein.
Säule #1: Kampf um die Straße
Am Montag wurde die Kundgebung durch anwesende Polizeikräfte abgeblasen, da der Anmelder, Sebastian Richter, nicht erschien. Am Dienstag meldete er seine Kundgebung kurzfristig ab. Gerade der Dienstag jedoch war ein sehr positiver Tag für die Zivilgesellschaft Oberhavels, da hier nicht nur mehr als 100 Menschen an einer Kundgebung teilnahmen, sondern auch mehrere Schüler_innen spontan eine Demonstration gegen den örtlichen Neonaziladen „On The Streets“ durchführten. Die Neonazis selber tauchten nur am Mittwoch auf. Fast jeder Tag wurde durch die zivilgesellschaftlichen Akteure als Sieg gefeiert, auch wenn es bereits Gerüchte gab, nach denen zumindest am Montag mehrere Neonazis Flyer verteilten und ihre Kundgebung nur als Ablenkung nutzten. Am Mittwoch dann erschienen die Neonazis um Sebastian Richter mit mehr als einer Stunde Verspätung , als bereits viele Antifaschist_innen schon auf dem Weg nach Hause waren und an ein ähnliches Geplänkel wie vom Montag dachten.
Inzwischen tauchte auf einer Webseite von Neonazis ein Bericht auf. In diesem wird beschrieben, dass sie mit den Veranstaltungen nur ein Ablenkungsmanöver veranstalteten um an anderen Orten in Ruhe Flyer zu verteilen. Sie selber beschreiben es als Erfolg, da sie „vielmehr entscheiden wann die Demokraten wo sind“ und dass die Demokraten „nach der Pfeife der volkstreuen Bewegung“ tanzte.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Die vergangenen Tage zeigten, dass Neonazis in Oberhavel-?Süd keine Möglichkeit haben eine Veranstaltung anzumelden oder zu bewerben ohne auf Gegenwehr zu stoßen. Auch wenn es nicht wie andernorts mehrere hundert Menschen waren, so brauchten die Neonazis Ablenkungsmanöver um ihre Flyer zu verteilen. Sie wussten, dass sie keinen Flyer loswerden, wenn sie an ihren Veranstaltungen festhalten würden. Aber dies zeigt auch, dass sowohl zivilgesellschaftliche Akteure und Antifas umdenken müssen. Veranstaltungen wie diese, aber auch große Aufmärsche wie in Berlin und Dresden zeigen, dass Neonazis immer mehr Alternativen zu ihren Veranstaltungen aufbauen und nutzen. Die Veranstaltungen zu verhindern ist immer noch wichtig, aber es sollte dort nicht aufhören, stattdessen muss Neonazismus, seine Strukturen und seine Wurzeln weiterhin bekämpft werden.
Dies hätten die Parlamentarier des örtlichen Kreistages machen können, doch sie versagten und zeigten, dass es keine wehrhafte, sondern eine verlogene Demokratie gibt.
Säule #2: Kampf um die Parlamente
In fast allen bundesdeutschen Parlamenten gibt es einen Konsens, der besagt, dass Anträgen von NPD und anderen neonazistischen Parteien nicht stattgegeben wird und es keine Diskussionen mit Neonazis in Parlamenten gibt um diesen nicht auch noch eine weitere Plattform zu bieten. Diesen Konsens brachen nun die „Demokratischen Kräfte“ im Oranienburger Kreistag auf. Um das WM-?Halbfinale der (Groß)deutschen Nation gegen Spanien zu sehen beantragte die NPD, dass die langwidrige Debatte zum Austritt aus dem Landesvolkshochschulverband beendet werden sollte. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der CDU, der FDP, der Grünen/FWO angenommen. Die SPD hielt es lieber bei einer kollektiven Enthaltung statt dem Neonazismus in den Parlamenten die Stirn zu bieten. Einzig der Grünen-?Abgeordnete Thomas von Gyzycky, sowie die gesamte Linksparteifraktion stimmten gegen den Antrag. Die Stellvertretende Landtagspräsidentin und Chefin des Kreisverbandes Oberhavel der Linkspartei, Gerrit Große kündigte daraufhin an, ihr Amt als Kreistagsabgeordnete aufzugeben. Der von der NPD als „Methusalem-?Antifaschist“ dargestellt Reiner Tietz zeigt ebenfalls, was er davon hält, wenn mit Neonazis diskutiert wird. Er verließ die Versammlung, so wie er schon im September 2009 eine Veranstaltung der Nordbahngemeinde verließ, nachdem auch hier eine Diskussion mit Neonazis stattfinden sollte.
Der SPD-?Abgeordnete Schröter hat scheinbar aus der Geschichte nicht gelernt. Statt die, als „links“ verstehenden Parlamentarischen Kräfte gemeinsam gegen Neonazismus, Sozialabbau und für eine solidarische Gemeinschaft aufzustellen, torpediert er die einzigen Antifaschist_Innen im Kreistag und wirft ihnen eine „Flucht aus der Verantwortung vor“. Selbst die CDU erkannte später, laut der Märkischen Allgemeinen, dass es „sauberer“ gewesen wäre, „dem Antrag nicht zuzustimmen“. Der Abgeordnete Helmuth Reitmayer(FDP) hat ebenfalls keine Probleme beim Kontakt mit Neonazis. Er ist der Meinung, die Linkspartei habe das „Maul nicht so auf(zu)reißen“, da sie ja „genauso unsympathisch wie eine rechtsextreme“ Partei sei.
Der MAZ-?Journalist Sebastian Meyer stellte dazu fest:„Wer so plump und dreist die Linke mit der NPD gleichsetzt, der hat einiges nicht begriffen. Der Kalte Krieg ist vorbei, Herr Reitmayer!“
Der Rücktritt Gerrit Großes, einer Person die Jahrelang auch gegen Neonazis stark aktiv war, ist bedauerlich. Aber es ist unserer Meinung nach ein gutes Symbol gewesen, denn es zeigt Konsequenz. Gerrit Große will, kann und wird niemals mit Neonazis gemeinsame Sache machen. Wenn andere „Demokratische Kräfte“ meinen, Neonazis in ihrer selbsternannten „wehrhaften Demokratie“ mitspielen zu lassen und sie in die Gemeinschaft aufzunehmen, bleibt es an Antifaschist_innen den Neonazis, ihren latenten Sympathisant_innen den Kampf anzusagen!
In diesem Sinne stellen wir uns hinter Gerrit Große und hinter Reiner Tietz, die in diesen Tagen großes Engagement gezeigt haben und daher Solidarität verdient haben!