Die Kirche in der Region während der Zeit des Nationalsozialismus /
“Deutsche Christen” gaben den Ton an
(MAZ, Fred Bruder) Das Verhältnis von Kirche und NS-Regime auf regionaler Ebene muss immer noch
als unterbelichtet angesehen werden. Gerade als mit Schülern Gespräche zur
Exposition “Das Jahr 1933 in der Region Dahme-Spreewald” geführt wurden,
spielte auch diese Frage eine Rolle. Im Zusammenhang mit einer Erinnerung an
die Hinrichtung von Gerta Stimming aus Miersdorf vor 60 Jahren tauchte sie
ebenfalls auf. Sie war ein Mitglied der evangelischen Kirche. Wie verhielten
sich Würdenträger und auch Gemeindemitglieder der evangelischen Kirche
insgesamt, als das Regime dabei war, seine Macht zu festigen?
Verdeutlichen sollte sich das Verhältnis zu den neuen braunen Machthabern in
den Gemeinden durch die für den 23. Juli 1933 anberaumten Kirchenwahlen.
Schon bei der Listenaufstellung erwies es sich, dass es in den meisten Orten
nur solche der hitlertreuen “Deutschen Christen” geben würde. Ausnahmen
hiervon blieben vor allem Miersdorf und Zeuthen mit dem erst vor drei
Monaten eingeführten Pfarrer Werner Bechthold, wo es auch eine Liste “Das
Wort sie sollen lassen stahn” gab. Auch im Stimmbezirk Prieros mit dem
beauftragten Pfarrer Winter — zum Bezirk gehörten auch Streganz-Ziegelei,
Streganz-Pechhütte sowie Prierosbrück — wurde eine alternative “Liste
Käfert” aufgeboten. Gewählt wurde dann nur in Orten wie den zuletzt
genannten. Doch das Ergebnis war auch hier mehr als ernüchternd aus Sicht
derer, die an den Grundsätzen ihres protestantischen Glaubens festhielten.
In Zeuthen standen 540 Stimmen für die “Deutschen Christen” 183 Stimmen für
die zweite Liste gegenüber. In Miersdorf, wo die Liste der “Deutschen
Christen” vom NSDAP-Ortsgruppenleiter Bruno Stendel angeführt wurde, ging es
gegenüber der anderen mit Alt-Gemeindevorsteher Otto Lietz bei 188 Stimmen
zu 105 Stimmen knapper zu. War dies schon durch das Wirken von Pfarrer
Werner Bechthold beeinflusst?
Ansonsten lagen die Verhältnisse klar auf der Hand, ob bei Pfarrer Friedrich
Zademack (Niederlehme), bei Pfarrer Rehfeldt in Schulzendorf und Waltersdorf
oder bei dem seit kurzem amtierenden Pfarrer Georg Pickel (Eichwalde).
Reichskanzler Hitler kommentierte die Wahl, der Nationalsozialismus werde
das Versprechen einlösen, “die christlichen Kirchen in staatlichen Schutz zu
nehmen”. Das Ergebnis sei ein “großer Erfolg”.
Erste “zarte Pflänzchen” von Opposition, vielleicht vorsichtigem Widerstand,
wurden in manchen Veranstaltungen vor den Wahlen sichtbar. Pfarrer Schletz
aus Storkow hatte am 14. Juni in Wendisch Buchholz gesprochen über “Die
deutschen Christen im Kampf”. Trotz zahlreichen Beifalls für den Redner
waren Pfarrer Neuhaus aus der Kleinstadt, Pfarrer Röhl (Münchehofe) sowie
Pfarrer Max Werner (Königs Wusterhausen) in ihren Ausführungen dem
“entgegengetreten”, so ein Pressebericht. Innerhalb der folgenden Monate und
Jahre schloss sich Pfarrer Bechthold der “Bekennenden Kirche” an und ging
deutlicher auf Distanz zum verbrecherischen Regime. Anders Pfarrer Velden in
Wildau, der schon 1933 die “Deutschen Christen” unterstützte und selbst der
NSDAP angehörte. Für Bechtholds Beliebtheit spricht, dass auch
Schulzendorfer Mitglieder der “Bekennenden Kirche” zu seinen stets gut
besuchten Gottesdiensten kamen. Bereits 1934 wurde Werner Bechthold
verhaftet, 1937 zweimal kurz hintereinander. Er hatte sich unter anderem
1934 geweigert, die Predigt zum naziinstrumentalisierten Erntedankfest zu
halten. Einsprüche durch Präses Kurt Scharff sowie Probst Heinrich Grüber
bewahrten ihn vor der KZ-Haft. Die Mehrzahl der Mitglieder in den Gemeinden
und der Würdenträger hat sich jedoch mindestens dem System angepasst, wenn
sie anfangs nicht sogar den NS-Staat begrüßten. Später gewann Opposition an
Zuspruch, Widerstand aber blieb die Ausnahme.
Der Autor ist Regionalforscher, er erarbeitete die Ausstellung “Das Jahr
1933 in der Region” mit. Zum Thema “Kirche zwischen Anpassung und
Widerstand” spricht diesen Freitag der frühere Generalsuperintendent Günter
Krusche in der Martin-Luther-Kirche Zeuthen (19.30 Uhr). Der Vortrag findet
im Rahmen der Feierlichkeiten zum 90. Kirchenjubiläum statt.