Die Europäische Union droht nun auch offiziell mit Rückforderung der
Neun-Millionen-Euro-Förderung für die Osttribüne im Cottbuser
Energie-Stadion. Wie die EU-Kommission auf RUNDSCHAU-Nachfrage mitteilte,
erwäge sie «Schritte zur Rückforderung» , falls die «Umsetzung des
Nutzungskonzeptes» nicht deutlich erkennbar sei. Während sich die Brüsseler
Behörde aber nicht konkret festlegen will, steht schon die Schuldfrage im
Raum.
Der Cottbuser Stadtsprecher Peter Lewandrowski fühlt seine Verwaltung
unverstanden: Da forderte alle Welt jahrelang eine ordentliche Tribüne für
das Energie-Stadion. Dann handelt die Stadt, sorgt sich um die Zuschüsse,
baut eine Tribüne, groß und schön und überdacht. Eigentlich müssten alle
zufrieden sein. Und dann geht das Gemecker wieder los. Anfang Dezember
versteht Lewandrowski die Welt nicht mehr.
Ebenso wie Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese (SPD): Bei einer Euregio-Tagung
im polnischen Zary (Sorau) schimpft er über die Zweifel der EU an der
rechtmäßigen Förderung des Stadionbaus. Er habe den Eindruck, Elisabeth
Helander, Leiterin der zuständigen EU-Direktion für Regionalpolitik, sehe
die Stadionüberprüfung als «persönliches Hobby.» Friese sitzt im
Verwaltungsrat des FC Energie.
Knapp neun Millionen von der EU
Tatsächlich hat die EU die Osttribüne zum größten Teil bezahlt: Knapp neun
Millionen Euro schoss die Union zum 12,6 Millionen-Euro Bauprojekt der Stadt
Cottbus hinzu. Nun überlegt die Kommission laut, das Geld zurückzufordern.
Nicht etwa, weil sie den Fans das Dach über dem Kopf nicht gönnt, sondern
weil sie Zweifel hat, dass das Geld richtig eingesetzt wurde.
«Interreg III» ist der sperrige Name des Programms, welches die Millionen
brachte. Geld, das den benachteiligten Grenzregionen beim Zusammenwachsen
helfen soll und demnach auch zweckgebunden ist. Mit Interreg-Geld wurde die
Grenzbrücke bei Forst gebaut und die Frankfurter Straße in Guben saniert.
Jetzt nutzen Rad- und Tanktouristen die Forster Brücke, und in den
Geschäften von Gubens guter Einkaufsstube Frankfurter Straße, die direkt zur
Neiße nach Gubin führt, kaufen polnische Kunden Markenschuhe und CDs.
Beim Stadionausbau aber, dem bei weitem größten Interreg-Förderbrocken,
zweifelt die EU seit Jahren am deutsch-polnischen Sinn. Schon Ende 2002
hatte die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (parteilos) den
Stadtverordneten nichtöffentlich davon berichtet. Zwei Jahre später sind
diese Zweifel immer noch nicht ausgeräumt: Elisabeth Helander bestätigte
gegenüber der RUNDSCHAU, die Kommission habe erst im vergangenen September
moniert, dass die Anzahl «der deutsch-polnischen Veranstaltungen derzeit
noch unter den Planzahlen liegt, wie auch die Teilnehmerzahl aus Polen.» Man
habe darauf hingewiesen, dass die erfolgreiche Umsetzung des
Nutzungskonzeptes «deutlich erkennbar sein muss, andernfalls Schritte zur
Rückforderung der […] ausgegebenen Kofinanzierung eingeleitet werden» .
Noch in diesem Monat soll das Land Brandenburg deshalb bei der Kommission
Rede und Antwort stehen. Die Cottbuser Stadtverwaltung hat dafür ein Papier
erarbeitet, in dem unter anderem das deutsch-polnische U
21-Freundschaftsspiel als Beispiel gelungener Zusammenarbeit genannt wird.
Andere Beispiele grenzüberschreitender Feste 2004: Die Stadionparty mit
Roland Kaiser und «Teen Models» im August und das «Europäische Fest der
Begegnung und des Sports» im September.
Wie viele Grenz-Veranstaltungen vorgewiesen werden müssen, um die Förderung
zu behalten, lässt Helander derweil bewusst offen: Die Kommission habe sich
nicht auf eine exakte Zahl festgelegt, da bei einer Entscheidung mit derart
weit reichenden Folgen «Ermessensspielraum gegeben sein muss» . Allerdings
gehe sie davon aus, dass «die Kommission sich im Frühjahr ein abschließendes
Urteil bilden können wird» , so Elisabeth Helander.
Sollten die Millionen tatsächlich eingefordert werden, dürfte sich in der
Lausitz die Suche nach den Schuldigen, die bereits begonnen hat, ins Zentrum
rücken: Denn die Stadt Cottbus steht zwar als Projektträger im EU-Visier,
doch Landrat Friese sieht weder die Stadt noch den Verein in der Pflicht:
Immerhin habe das Land Brandenburg selbst den Tipp gegeben, dass der
millionenschwere Interreg-Topf für den Stadionausbau angezapft werden
könnte. Sollte die Finanzierung platzen, sieht Friese folglich auch Potsdam
in der Pflicht.
Gegen Volkszählung am Stadion
Der Spree-Neiße-Landrat versucht unterdessen, in Brüssel Druck auf Helander
zu machen: Bei einem Euregio-Treffen in Zary empfahl er polnischen
Kommunalpolitikern aus der Nachbarwoiwodschaft Lubuskie (Lebuser Land)
öffentlich, Einfluss auf die Helander vorgesetzte polnische EU-Kommissarin
Danuta Hübner zu nehmen, damit diese ihre Frieses Ansicht nach übereifrige
Prüferin bremse. Schließlich sei auch der Energie-Fußball im Stadion selbst
ein verbindendes Element für Fans beiderseits der Grenze, auch wenn der
Verein derzeit kein Geld habe, polnische Nationalspieler einzukaufen.
Allerdings werde Energie nicht an den Stadiontoren die polnischen Besucher
zählen, um die Förderberechtigung zu beweisen, so Friese.