Bernau — Der straffreie «geringe Haschischbesitz» eines 20-jährigen Bernauers wird zum Fall für das Bundesverfassungsgericht. Nach Ansicht des Jugendrichters Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau (Barnim) ist bisher in Deutschland nicht eindeutig rechtlich geklärt, bis zu welcher Menge es sich beim Erwerb und Besitz von Cannabis um eine Bagatelle handelt. Der Jugendliche war vor einiger Zeit vor einer Berliner Techno-Discothek mit einer Menge von 3,5 Gramm Cannabis erwischt worden.
Da er in Brandenburg seinen Hauptwohnsitz hat, wurde die Anzeige der Berliner Polizei nach Bernau übergeben. Die dortige Staatsanwaltschaft erhob Anklage. «Zunächst wollte ich das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen, aber die Staatsanwaltschaft beharrte auf einem Strafprozess», sagte Richter Müller der Berliner Morgenpost und ergänzte: «In Berlin hätten sie ihn laufen lassen, da dort der Besitz von bis zu sechs 6 Gramm Cannabis als geringfügig eingeschätzt wird.»
In Bayern sind es drei so genannte Konsumeinheiten zu je zwei Gramm, Baden-Württemberg hat drei Konsumeinheiten zu je einem Gramm. Den höchsten erlaubten Wert weist Schleswig-Holstein mit bis zu 30 Gramm Haschisch auf. In Brandenburg, wo ebenfalls drei Konsumeinheiten «zulässig» sind, könnte die Rechtsprechung nicht unterschiedlicher sein. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (O.), zu der das Amtsgericht Bernau gehört, ist am strengsten mit einem Gramm je Konsumeinheit. Der Erwischte hatte also nach diesem Reglement 0,5 Gramm zu viel bei sich. In Potsdam verfahren die Ermittlungsbehörden weitaus toleranter. Dort sind es ebenfalls drei Konsumeinheiten, aber insgesamt sind es hier bis zu 15 Gramm Cannabis, wie Pressesprecherin Sigrid Komor mitteilte. Für Jurist Müller, der als ein fairer und schnell bearbeitender Jugendrichter gilt, blieb keine andere Wahl, als das Verfahren auszusetzen und eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht anzustrengen. Er hielte es einfach für nicht vernünftig, einen jungen Menschen wegen solcher Bagatellen zu kriminalisieren. Das binde zudem zahlreiche Kräfte der Brandenburger Justiz und der Polizei, die für die Bekämpfung anderer Straftaten besser eingesetzt werden könnten. Zwei Gutachter, die Müller eigens für den vorliegenden Fall bestellt hatte, kamen zu der Auffassung, dass «allenfalls eine geringe Selbstschädigung durch Cannabis festgestellt» werden könnte.
Vor acht Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Verbot von Haschisch in Deutschland mit dem Grundgesetz vereinbar ist, der Erwerb und Besitz von geringen Mengen der «weichen Droge» jedoch straffrei bleiben muss. Auch im Betäubungsmittelgesetz heißt es, ein Strafverfahren könne bei Geringfügigkeit eingestellt werden. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zufolge seien 2001 von den landesweit erfassten 4969 Drogendelikten 96,7 Prozent gelöst worden.