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Antifaschismus

Wie weiter mit dem Nazizentrum?

Das beschauliche Märkisch Buch­holz, mit 774 Einwohner*Innen kle­in­ste Stadt Bran­den­burgs, geri­et Mitte let­zten Jahres in die Schlagzeilen, weil sich NPDler um die Etablierung eines Neon­azi-Tre­ffs bemüht­en. Seit mehr als einem Jahr existiert jet­zt das selb­ster­nan­nte „nationale Jugend- und Freizeitzentrum“.

Das ehe­ma­lige „Cafe Görsch“, ein zweistöck­iges Gebäude mit Wohn- und Ver­anstal­tungsräu­men in der Friedrich­straße 27, ist seit Anfang 2011 in dem Besitz von Neon­azis. Eine erste Erwäh­nung fand es in ein­er Info­mail des NPD Lan­desvor­sitzen­den Klaus Beier. Er machte auf die bevorste­hende Vor­standssitzung im neuen „Anwe­sen von Kam­er­ad Sven Haver­landt“ aufmerk­sam. Sven Haver­landt ist Vor­sitzen­der des NPD Kreisver­ban­des Dah­me­land. Zusam­men mit dem aus Schwarzhei­de stam­menden JNler Pierre Dorn­brach ver­anstal­tete er am 17. Juli 2011 eine nazis­tis­che Rassen­schu­lung in dem Objekt. Spätestens dann wur­den auch die Einwohner*Innen des kleinen Ortes auf ihre neuen Nachbar*Innen aufmerksam.

Es regte sich Wider­stand, der zwar die Schließung bzw. den Verkauf des Objek­tes nicht erwirken kon­nte, aber immer­hin eine gewerbliche Nutzung und eine öffentliche Bewer­bung von Ver­anstal­tun­gen ver­hin­dert. Ruhe ist trotz­dem nicht eingekehrt, es find­en weit­er­hin Ver­anstal­tun­gen statt und es wird an dem Auf­bau von JN und NPD Struk­turen in der Region gearbeitet.

Stadt und Amt ver­suchen mit rechtlichen Mit­teln die Betrei­bung eines Naz­izen­trums zu ver­hin­dern und so einen Imageschaden abzuwenden

Die Exis­tenz eines „nationalen Jugendzen­trums“ in Märkisch Buch­holz sorgte schnell für Unmut unter den Entscheidungsträger*Innen der Stadt und die Angst vor einem Imageschaden in dem durch Touris­mus geprägten Ort war groß. Die Käuferin, San­dra Will­now Haver­landt, Frau von Sven Haver­landt, erwarb das Objekt, das vorher zu Wohn- und Gewerb­szweck­en genutzt wor­den war. Auf der vom Infor­matik­er Haver­landt betriebe­nen Inter­net­seite des Haus­es erschien die Mel­dung, dass es jeden zweit­en Fre­itag allen Men­schen als Tre­ff­punkt offen ste­he. Als dann öffentlich wurde, dass dort eine JN Schu­lung stat­tfand, wurde den Nazis eine öffentliche Nutzung des Gebäudes unter­sagt. Zumal noch nicht ein­mal eine Gewer­beer­laub­nis vor­lag. Ende August beschloß dann die Sat­dtverord­neten­ver­samm­lung, die Zweckbes­tim­mung für das Gebi­et um die Friedrich­straße zu ändern, sodass keine gewerbliche Nutzung von Wohn­räu­men  mehr durchge­set­zt wer­den kann.

Trotz­dem fan­den weit­er­hin Ver­anstal­tun­gen und Tre­f­fen, als Geburt­stags­feiern oder Pri­vatver­anstal­tun­gen getarnt, statt. Die Stadt bemüht sich weit­er­hin, die Nazis aus dem Gebäude zu bekom­men, auch weil der NPD-Kreisver­band Dah­me­land dort mit­tler­weile seinen Sitz hat. Im Novem­ber 2011 beschloß die Stadtverord­neten­ver­samm­lung den Kauf des Objek­tes über das Vorkauf­s­recht der Gemeinde zu erre­ichen. Das nötige Geld wurde zwar bere­it­gestellt, doch die Vor­eigen­tümerin ließ dies nicht zu und so kön­nen weit­er­hin ver­schieden­ste Naziver­anstal­tun­gen, wenn auch nicht öffentlich, in dem Objekt stat­tfind­en. Im Juni 2012 klagte unter anderem die Bürg­er­meis­terin von Märkisch Buch­holz gegen die NPD, weil sie Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al in dem Ort verteil­ten. Anwohner*Innen macht­en durch Aufk­le­ber auf ihren Briefkästen aufmerk­sam, dass sie kein NPD-Mate­r­i­al in ihren Briefkästen wün­schen. Schließlich unter­sagte das Gericht der NPD die Verteilung von Mate­r­i­al in entsprechen­den Briefkästen. Bei Zuwider­hand­lung warten 250 000 Euro Strafe auf die Neonazis.

Struk­tu­rauf­bau in der Region wird forciert, Kon­tak­te wer­den ausgebaut

Am 19. August 2011 trat­en die Neon­azis um Haver­landt erst­mals öffentlich in Märkisch Buch­holz in Aktion. Mit ein­er Kundge­bung unter dem Mot­to: „Raus aus dem Euro“ ver­sam­melten sich 50 Neon­azis auf dem zen­tralen Platz. Neben der eher mäßi­gen Anwe­sen­heit lokaler Neon­azis war die Beteili­gung von NPD-Größen und Neon­azis aus dem Umfeld der Berlin­er Neon­azi­grup­pierung „NW Berlin“ auf­fäl­lig. Hol­ger Apfel, Vor­sitzen­der der säch­sis­chen NPD und nun auch Bun­desvor­sitzen­der, verkün­dete voll­mundig, dass die NPD bei den näch­sten Wahlen 2014 in den Bran­den­burg­er Land­tag einziehen werde. Sebas­t­ian Schmidtke, nun Berlin­er NPD-Vor­sitzen­der und Führungs­fig­ur des NW Berlin hielt eben­so eine Rede.

Mike Turau aus Königs Wuster­hausen ver­suchte mit weit­eren Berlin­er Neon­azis Antifaschist*Innen abzu­fo­tografieren. An den Bürger*Innen von Märkisch Buch­holz ging die Ver­anstal­tung der Neon­azis jedoch nicht unwider­sprochen vor­bei. 180 Men­schen ver­sam­melten sich zu einem Gottes­di­enst in ein­er Kirche, manche tat­en ihren Unmut auch laut­stark kund. Antifaschist*Innen freuten sich über den Besuch eines NPD-Mobils, welch­es sich bei der Anreise in der 30-köp­fi­gen Gruppe verirrte.

Ende Jan­u­ar diesen Jahres wurde dann die Grün­dung des NPD Ver­ban­des Schenken­länd­chen verkün­det. Vor­sitzen­der ist Marc Michal­s­ki aus Halbe. Schon als Lie­der­ma­ch­er in der Friedrich­straße 27 in Erschei­n­ung getreten, sorgte er let­ztes Jahr durch seine außergewöhn­lichen Freizeitak­tiv­itäten für Gesprächsstoff. Ken­ner der Szene berichteten, dass der damals 21-Jährige Michal­s­ki gern in den Wäldern von Halbe nach NS-Devo­tion­alien und alter Kriegsmu­ni­tion sucht, um mit dieser dann in sein­er Woh­nung zu exper­i­men­tieren. Diese explodierte, woraufhin er drei Fin­gerkup­pen sein­er linken Hand ver­lor.

Neben der Etablierung ein­er lokalen NPD-Struk­tur wurde auch der Auf­bau ein­er JN-Struk­tur angestrebt,  noch bevor Anfang April unter dem Namen „JN Schenken­länd­chen“ die Grün­dung offiziell verkün­det wurde, fand am 25. Febrauar eine geschicht­sre­vi­sion­is­tis­che „Heldenge­denken­feier“ statt. Anwe­send waren u.a. Uwe Dreisch, ehe­ma­lige Führungs­fig­ur der ver­bote­nen Berlin­er Kam­er­ad­schaft „Front­bahn 24“, der dama­lige NPD-Bun­desvor­sitzende Udo Voigt und Den­nis Här­tel – Organ­i­sa­tion­sleit­er des NPD Kreisver­ban­des Dah­me­land, JN-Funk­tionär und ehe­ma­liges Mit­glied der ver­bote­nen Kam­er­ad­schaft „Freie Kräfte Tel­tow Fläming“.

Bei der offiziellen Gründüngs­feier der JN Schenken­länd­chen Anfang April waren u.a. Jörg Häh­nel aus Mel­lensee und Den­nis Här­tel aus Baruth (bei­de Tet­low-Fläming) anwe­send. Neben der Teil­nahme an Demon­stra­tio­nen, Flug­blatt-Verteilak­tio­nen in Wohnge­bi­eten und vor Schulen, nah­men die Neon­azis um Haver­landt und Michal­s­ki an ein­er Kundge­bung am 08. Mai 2012 der Freien Kräfte in Königs Wuster­hausen teil.

Neben Michal­s­ki reis­ten auch NPDler aus Dahme-Spree­wald, Tel­tow- Fläming und Oder-Spree an. Auch der gute Draht zu den Berlin­er Kamerad*Innen vom „NW Berlin“ bestätigte sich durch die Teil­nahme von 30 Neon­azis aus der Haupt­stadt, dessen Trans­par­ent Michal­s­ki hielt. Des weit­eren beteiligten sich Neon­azis aus dem Umfeld des Naz­izen­trums an ein­er Son­nen­wend­feier im 20 Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Storkow am 22. Juni 2012. Zulet­zt trat­en die NPDler mit den weißen “NPD-Dah­me­land” T‑Shirts bei ein­er Info­tour der NPD-Oder­land am 4. August im Osten Bran­den­burgs in Erschei­n­ung.

Wie weit­er?

Mehr als ein Jahr ist ver­gan­gen, seit­dem das Objekt in Märkisch Buch­holz als „nationales Jugendzen­trum“ in die Öffentlichkeit getreten ist. Mit­tler­weile hat sich eine Bürg­erini­ta­tive unter dem Namen „Buch­holz offen und bunt!“ gegrün­det. Eine offizielle Betrei­bung kon­nte durch die Anstren­gunen der Stadt ver­hin­dert wer­den. Genutzt wird es jedoch weit­er­hin, auch wenn sich die Außen­darstel­lung des Haus­es und die Bewer­bung der dort stat­tfind­en­den Aktiv­itäten schwierig für Haver­landt und Co. gestal­tet. Jugendliche aus Märkisch Buh­holz scheinen sich nicht für die „Arbeit­sein­sätze“ und „Lie­der­ma­cher­abende“ zu inter­essieren. Für Neon­azis aus der Region ist es jedoch Anlauf­punkt für gemein­same Tre­f­fen und Freizeitgestaltung.

Durch den Auf­bau lokaler NPD- und JN-Struk­turen kön­nen diese an die Partei gebun­den wer­den und bei Wahlkampf- und Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen die NPD unter­stützen. Auch ist es wahrschein­lich, dass es von Berlin­er Neon­azis um die Grup­pierung „Nationaler Wider­stand Berlin“ als Rück­zugsraum genutzt wird. Und für das anvisierte Ziel der NPD, 2014 in den Bran­den­burg­er Land­tag einzuziehen, wird das Naz­izen­trum in Märkisch Buch­holz von Bedeu­tung sein.

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