(Berliner Zeitung, Andrea Beyerlein) POTSDAM. “Ich bin von Natur aus Innenpolitiker”, sagt Wolfgang Wieland. Als
designierter Spitzenkandidat der Grünen werde dies im Landtags-Wahlkampf natürlich nicht sein Hauptbetätigungsfeld sein. Aber als “Nebenfolge” seines
Wechsels von Berlin nach Brandenburg seien ihm die bevorstehenden Auseinandersetzungen mit Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) durchaus “nicht unlieb”.
Bislang ist Wieland, Gründungsmitglied der Alternativen Liste in West-Berlin und langjähriger Grünen-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, von den Brandenburger Parteifreunden neben der Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm
lediglich für die Spitzenkandidatur nominiert. Dennoch hat der Landesverband seit Jahren nicht mehr so viel Aufmerksamkeit erregt wie mit der Personalie Wieland.
Das liegt zum einen an dem über Parteigrenzen anerkannten Rechtsanwalt selbst. In Berlin bedauert selbst die Union den Abschied des 56-Jährigen, der im rot-grünen Übergangssenat nach dem Sturz der CDU-Regierung kurzzeitig
das Amt des Justizsenators innehatte. Denn Wieland gilt in der Nach-Diepgen-CDU als willkommener Gesprächspartner für schwarz-grüneAnnäherungsversuche. In Brandenburg ist die CDU dagegen die einzige demokratische Landespartei, mit der Wieland eine Regierungszusammenarbeit gänzlich ausschließt.
Und das liegt an Jörg Schönbohm, dem Lieblings-Kontrahenten des Grünen bereits zu dessen Zeiten als Berliner Innensenator. “Schönbohm macht nördlich von Bayern die stärkste Law-and-order-Politik bundesweit”, sagt
Wieland. Weder beim Potsdamer Koalitions-Partner SPD noch bei der PDS-Opposition hat sich für den CDU-Innenminister ein Widerpart auf Augenhöhe gefunden. Und genau das ist die Lücke, die Wieland füllen will.
Von 1,7 auf sieben Prozent — Wieland nennt das Grünen-Wahlziel mit einem Grinsen. “Brandenburg steht an einem Wendepunkt: Stolpeland ist abgebrannt.” Und Matthias Platzeck sei bislang nicht in der Lage, einen neuen Kurs zu
definieren. Dies sei die Chance der Grünen, die sich nach zehn Jahren Landtagsabstinenz als “filzfreie” Alternative zu SPD und CDU anbieten könnten. Und als mittlerweile einzige Partei, die aktiv für die Länderfusion
eintrete.
Und dann ist da noch der persönliche Ehrgeiz. Spätestens im Juni will
Wieland nach Potsdam ziehen, sein Berliner Abgeordneten-Mandat abgeben: “Ich trete ohne Rückfahrkarte an”, sagt er. So ähnlich hat es 1999 Jörg Schönbohm gemacht. Er führte die märkische Union von 17 auf 27 Prozent.
Grüne schießen sich auf Schönbohm ein
Spitzenkandidat Wieland wirft Minister vor, Land zur Kadettenanstalt umzubauen
POTSDAM Mit scharfer Kritik an der Politik von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) haben die brandenburgischen Grünen gestern ihren Anspruch auf den
Wiedereinzug in den Potsdamer Landtag angemeldet.
Der frühere Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland, der die märkischen Grünen als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führen soll, warf Schönbohm vor, die “Trennschärfe gegenüber der rechten Szene nicht gewahrt” zu haben.
Ferner habe der Innenminister den Unterbau seiner Behörde “verlottern” lassen, kritisierte Wieland mit Blick auf mehrere Affären des Verfassungsschutzes. “Nach Schönbohms Weggang als Innensenator mussten wir in Berlin das Amt für Verfassungsschutz auflösen, das werden wir auch hier in Brandenburg tun müssen.” Der 55-jährige Jurist Wieland will sich nach eigenem Bekunden für eine “liberale Innen- und Rechtspolitik” sowie “eine moderne Drogenpolitik” einsetzen. Unter ihrem Parteivorsitzenden Schönbohm betreibe die märkische Union “nördlich von Bayern die stärkste law-and-order-Politik”, stichelte der West-Berliner Rechtsanwalt. Ein Gegengewicht zu Schönbohms Politik sei weder in der Brandenburger Großen
Koalition noch bei Justizministerin Barbara Richstein (CDU) erkennbar.
Neben Wieland soll die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm aus Kleinmachnow an der Spitze der brandenburgischen Grünen stehen. Die gelernte landwirtschaftlich-technische Assistentin, die dem Agrarausschuss des Bundestags angehört, nannte die Entwicklung des ländlichen Raums als ihr politisches Schwerpunktthema. Indem sich die Potsdamer Landesregierung vom Prinzip der dezentralen Konzentration zurückgezogen habe, betreibe sie eine “Politik, die nicht gut ist für die Brandenburger”, kritisierte Behm.
Ziel der Grünen ist es nach eigenen Angaben, ihren Stimmenanteil von 1,7 Prozent vor fünf Jahren auf sieben Prozent bei der Landtagswahl im September zu steigern — ein “realistisches, aber enorm anspruchsvolles Wahlziel”, wie Wieland meinte. Mehrere Umfragen in jüngster Vergangenheit sahen die Grünen immerhin bei mehr als fünf Prozent.
Bei einem Einzug in den Landtag würden die Grünen “vermutlich in die
Opposition” gehen, schätzte Wieland die Machtverhältnisse ein. Allerdings würden die Grünen mit SPD und PDS auch eine Regierung bilden. Nicht einmal eine Koalition mit der märkischen CDU schloss Wieland grundsätzlich aus.
Allein mit einer von Schönbohms Innenpolitik geprägten CDU sei dies unmöglich. “Wer Brandenburg in eine Art Kadettenanstalt verwandeln will, kann mit uns nicht koalieren.”
In Wielands Schusslinie geriet auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). “Was er als Umweltminister aufgebaut hat, reißt er heute wieder ein”, monierte der Grüne. Außerdem zog Wieland den Fusionswillen des
Ministerpräsidenten in Zweifel. Als Befürworter einer Länderehe mit Berlin dränge er darauf, dass das Vertragswerk im Herbst 2005 vollendet sein muss,
betonte Wieland. Ein späterer Zeitpunkt verhindere die Fusion. “Wer das Thema ernst nimmt, darf es jetzt nicht auf die lange Bank schieben.”