Die sich weitende Kluft zwischen Großverdienern und sozialen Absteigern haben Arbeitnehmervertreter bei der traditionellen Kundgebung zum Tag der Arbeit angeprangert. “Armut ist die Kehrseite von unverschämtem Reichtum”, sagte Gewerkschafter Klaus-Dieter Kettler, IG-Metall-Funktionär bei ZF, vor den etwa 300 Zuhörern, die sich bei strahlendem Sonnenschein mit Kind und Kegel auf dem Marienberg eingefunden hatten.
Gemäß dem bundesweiten Motto “Deine Würde ist unser Maß” gab Kettler zu bedenken, dass Arbeit angemessen entlohnt werden müsse. Die geplante Einführung von Kombilöhnen sei, so der Gewerkschaftsfunktionär, dafür kein Allheilmittel. Einen solchen Ausgleich gebe es faktisch bereits. So verdienten viele Menschen mit ihrer Arbeit derart wenig, dass sie unter dem Existenzminimum lägen und zusätzlich Leistungen nach Hartz IV beantragen müssten. “Arbeit für gerechten Lohn. Ein Euro ist ein glatter Hohn”, skandierten lautstark die Mitglieder der Brandenburger Montagsdemonstrationen, für die einmal in der Woche Tag der Arbeit ist. Kettler bedankt sich für ihren Beitrag und fordert: “Arbeitsmarktpolitik muss mit den Menschen gemacht werden.” Dem stimmt Jürgen Reinhardt vorbehaltlos zu: “Hartz IV ist total unsozial.” Der ehemalige Ingenieur für Maschinenbau und Elektrotechnik ist seit neun Jahren arbeitslos. Zurzeit ist er als Ein-Euro-Jobber im Ostalgiemuseum beschäftigt. Er gehört nicht zu den 30 bis 50 unverdrossenen Montagsdemonstranten in der Stadt und hat konkrete Vorstellungen, wie sich die Dinge zum besseren wenden ließen: Die Banken sollten Geschäftsgründer mit längerem Atem fördern und ihnen nicht gleich den Geldhahn zudrehen, wenn die Gründer nach dem ersten Jahr finanziell noch etwas schwächeln.
Für Annette Engelfried, die für den DGB die diesjährige Maifeier organisiert hat, liegt der Schlüssel zur Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch in der Ansiedlungspolitik der Stadt. Dazu zählt für die Gewerkschaftssekretärin, dass Arbeit in der Havelstadt angemessen entlohnt werden müsse, damit hoch qualifizierte junge Menschen nicht den besseren Löhnen im Westen der Republik hinterher zögen.
“Gemeinsam Flagge zu zeigen am ersten Mai”, ist für Götz Detka wichtig. Der erste Mai sei unverzichtbar und dürfe auf gar keinen Fall abgeschafft werden, wie auch dieses Jahr wieder von Unternehmerseite gefordert wurde, meint er. Peter Huth findet es toll, dass dieser Tag nicht vergessen wird. Die Steigerung der Produktivität, die man durch die Abschaffung dieses Feuertages zu gewinnen glaube, werde zudem völlig überschätzt, ist sich dieser Gewerkschafter sicher.
Eine Frau reckt ein Schild in die Höhe, worauf zu lesen steht: “Hartz IV — Demütigung für Arbeit Suchende — Freiheitsentzug — Sklaverei”.