(Neues Deutschland, 7.7., Marc Fuerstenau und Ralf Fischer) »In Jugoslawien haben wir kein Haus mehr. Das ist ein fremdes Land für uns. Unser Haus wurde durch den Krieg zerstört, und alles wurde uns weggenommen«, berichtete
die Mutter von zehn Kindern. Ihrer Familie droht die Abschiebung. In der Kreisstadt Belzig hat sich die Familie Selimovic ein neues Leben aufgebaut. Die meisten Kinder wuchsen in Deutschland auf, sprechen nur Romanes und Deutsch, verstehen kaum ein Wort Serbisch. Doch die Ausländerbehörde des Kreises Potsdam-Mittelmark kannte kein Pardon. Die Eltern sowie die drei jüngsten Kinder Dragan (18), Darka (15) und Sabina (13) wurden von der Ausländerbehörde aufgefordert, bis zum 4. Juli das Land zu verlassen oder abgeschoben zu werden. Die übrigen Geschwister haben eigene Verfahren, da sie volljährig sind. Doch auch deren Aufenthaltsende ist laut Ausländerbehörde nur eine Frage der Zeit.
In Jugoslawien hatten nach 1945 viele Sinti und Roma, die der Vernichtung durch
deutsche Faschisten entgangen waren, ein neues Zuhause gefunden. Als der Staat 1992
im Bürgerkrieg versank, kam es vor allem gegen Roma zu brutalen Ausschreitungen. Die
Familie Selimoviç flüchtete nach Belzig. Was sie jetzt in Rest-Jugoslawien erwartet,
wissen sie genau: »Die Roma sind dort sehr arm. Sie ziehen von Dorf zu Dorf und
leben in Zelten. Sie haben überhaupt keine Rechte. Sie werden von der Polizei
geschlagen. Sie ernähren sich aus Müllcontainern, manche schlafen auch auf der
Straße.« Dragan, der Älteste, träumte immer von einem anderen Leben. Er wünscht sich
Rechte wie alle anderen Menschen: »Ich würde gerne arbeiten. Ich wäre gerne
Mechaniker geworden.«
Den Asylantrag der Familie lehnten die Behörden bereits 1994 ab, noch während der
Bürgerkrieg tobte. Zehn Jahre später, nachdem das zuständige Amt ihre
Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr verlängerte, mussten die Roma Deutschland
verlassen. Am vergangenen Samstag, früh um 10 Uhr, war es soweit. Die Familie reiste
mit einem Kleintransporter in Richtung Balkan, um der angekündigten Abschiebung
durch die Polizei einen Tag später zuvorzukommen. Die Reise fällt ihnen sehr schwer,
und natürlich sind sie traurig und bitter enttäuscht.
Hoffnung für die Familie ist eine kleine Gruppe aus Brandenburg. Der gemeinnützige
Verein Multivision e.V. will Patenschaften für die Jugendlichen Sabina, Darka und
Dragan Selimovic übernehmen. Das Ziel dieser Patenschaft ist eine finanzielle
Unterstützung, um Schulbesuche, Spracherwerb und weitere Ausbildung in
Rest-Jugoslawien zu ermöglichen. Außerdem nahm sich der Verein vor, den persönlichen
Kontakt zur Familie Selimovic über Briefe und Telefon aufrechtzuerhalten, um über
ihre Lage Informationen zu erhalten. Darüber wird auf der Homepage www.multivision-ev.de ab Ende August berichtet.
Spenden für Familie Selimovic können auf
folgendes Konto überwiesen werden:
Konto-Nummer: 3651005738, BLZ:16050000, MBS Potsdam,
Kontoinhaber: Multivision e.V.