Kleinmachnow — Nicht alle der Namen sind uns gleich vertraut: Da sind Warschau und Ravensbrück, da sind aber auch Pruszków und die Dreilinden Maschinenbau GmbH (DLMG). Eines haben sie gemeinsam: Sie sind sie alle Orte des Grauen und des Todes — Etappen des Leidensweges von Wanda Zatryb. Nachdem der Aufstand im Warschauer Ghetto im August 1944 niedergeschlagen war, wurde die junge Polin deportiert und mit rund 800 anderen polnischen Frauen vor den Toren Berlins kaserniert. Jetzt, da auch die letzten Männer für den «Endsieg» an die Front gezwungen wurden, mussten sie in die Maschinenfabrik nach Kleinmachnow. Die Firma wurde zur KZ-Außenstelle.
Als Tochterunternehmen der Bosch-AG war sie maßgeblich an der Rüstungsproduktion beteiligt. Bislang war über den Betrieb und das KZ-Außenlager in Kleinmachnow wenig bekannt, obwohl er bis Kriegsende rund 400 000 Quadratmeter Liegenschaften in Kleinmachnow besaß und seit 1935 rund 5000 Menschen beschäftigte; die meisten waren ausländische Zwangsarbeiter.
Nach fast sechzig Jahren kann die Erinnerungslücke nun geschlossen werden. Die Berliner Journalistin Angela Martin hat Leben und Arbeit in den Dreilindenwerken erforscht. Titel des Buches: «Ich sah den Namen Bosch» erschienen im Metropol Verlag Berlin.
«In Kleinmachnow haben wir einen Beutel bekommen. Darin haben wir alles aufbewahrt, was wir hatten: Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm und Brot. Der Mensch war eine Nummer mit einem Beutel», berichtet Wanda Zatryb. Bereits den Weg nach Kleinmachnow hätten viele Frauen nicht überlebt. «Einige sind während der Appelle gestorben, die Toten sind einfach neben uns gelegt worden, nur damit die Zahl stimmt.»
Was die Geschichte des Werkes angeht, prangt auf den meisten Lageplänen und Akten der Stempel «Staatsgeheimnis». Für den Rüstungsbetrieb, der dem Reichsluftfahrtministerium unterstand, galten strenge Geheimhaltungsvorschriften. Nach Hitlers Machtübernahme sollte Robert Bosch eine sogenannte «Schattenfabrik» errichten. Ein im Wald gelegenes Areal wurde den Erben der Kleinmachnower Hake-Familie abgekauft. Es war ideal, weil durch dichten Baumbestand vor Fliegerangriffen gut geschützt. Außerdem befand es sich in der Nähe einer anderen «Schattenfabrik», der Daimler-Benz Motoren GmbH in Genshagen bei Ludwigsfelde. In Kleinmachnow stellte man Flugzeugmotorenteile her.
Was es an Akten zur DLMG gab, befand sich in Kleinmachnow. Kurz vor der russischen Besatzung haben offenbar Angestellte der DLMG noch versucht, einen Teil zu vernichten. Das Bosch-Archiv habe leider keine Akten zur DLMG, so die Auskunft aus der Zentrale des Stuttgarter Unternehmens. Bei der Recherche halfen der Autorin, die in der Berliner Geschichtswerkstatt aktiv ist, der Zehlendorfer Hobbyhistoriker Rudolf Mach und der Archivars des Kleinmachnower Heimatvereins, Günter Käbelmann. Auch sie hatten sich mehrmals an den Konzern gewandt und wenig Hilfe erhalten. So befasst sich Mach seit rund vier Jahren intensiv mit den Dreilindenwerken. Angela Martin gelang es, in Polen Überlebende des KZ-Außenlagers Kleinmachnow ausfindig zu machen. Mit rund 50 Frauen konnte sie sprechen. «Wir sind alt und Monat für Monat werden wir weniger», mahnte Barbara Beroud, eine der Befragten.