Lastwagen mit lautstarker Musik fuhren am Samstag durch die Cottbuser
Innenstadt, darauf tanzende Menschen, begleitet von knapp 200
Jugendlichen. Eingeladen hatten die Betreiber der Diskothek “Schallwerk”
– zu einer Demonstration unter dem Motto “Jugend ist Zukunft – Zukunft
ist Jugend” .
Samstagnachmittag, 15 Uhr, am Cottbuser Busbahnhof treffen sie sich –
junge Leute und neugierige Zuschauer. Vor einem Lastwagen hängt ein Tuch
mit der Aufschrift: “Für eine starke und selbstbestimmte Jugendkultur!”
Ein kleiner Junge mit gelben Ohrstöpseln steht neben seiner Mutter am
Straßenrand und beobachtet die Tanzenden auf den Fahrzeugen. Zu den
Demonstranten gehört Mandy Koschan (25), Bürokauffrau aus Cottbus, die
gemeinsam mit ihren Freundinnen zum Busbahnhof gekommen ist. “Wir werden
ein Stück mitlaufen” , sagt sie, “wir finden, in der Stadt muss mehr für
die Jugend getan werden.” Als einer der neugierigen Zuschauer offenbart
sich Detlef Krisch (44), Maschinist: “Ich wohne um die Ecke, habe auch
zwei Kinder, einer 22, der andere 16 Jahre alt. Darum hege ich Sympathie
für die Demonstranten.” Maik Diepold (28), Versicherungsvertreter,
erklärt: “Ich bin zwar erst im Februar nach Cottbus gezogen, aber die
Demo interessiert mich. Schließlich halte ich es für wichtig, dass
Häuser wie das ‚Schallwerk” bestehen bleiben, dass die Stadt Rücksicht
auf die Jugendlichen nimmt – nur so können die Generationen miteinander
in Verbindung bleiben.”
Gegen 16 Uhr fahren die Lastwagen los. Über die Straße der Jugend, die
Karl-Liebknecht-Straße, rechts ab durch die Bahnhofstraße und
letztendlich in die Berliner Straße bis zum Oberkirchplatz bewegt sich
der Demonstrationszug. Auf einem der Wagen sitzt ein junger Mann auf
einem Sofa, vor sich zwei Boxen, aus denen laute Technobässe schwingen.
Skeptisch beäugt ein älteres Ehepaar, das an der Straßenbahnhaltestelle
sitzt, die Jugendlichen. “Ist mir zu laut” , sagt der Mann, Bernd
Schwarzer, ein Diplomingenieur aus Guben, und verzieht missbilligend das
Gesicht. Umso mehr hält Florian Matter (20), Elektroinstallateur, von
der Kundgebung: “Wir kämpfen für mehr Party, da ist in Cottbus zu wenig
los. Die Jugendkultur sollte mehr Gewicht bekommen, aber die Behörden
stellen sich oft dagegen.” Leicht skeptisch, aber auch interessiert
schaut ein Mann in der Straße der Jugend aus dem Fenster, ein Kissen
unter den Armen – und nebenan stehen Mitarbeiter der Spielbank “Jokers
Place” vor ihrem Eingang: Was ist denn hier los?
Mit seinem Fotoapparat begleitet Jörn Meyer von der Cottbuser
Jugendhilfe die Demonstranten. Er schießt Fotos für sein Privatarchiv.
“Ich habe grundsätzlich etwas übrig für Jugendliche, die versuchen,
selbst was in die Hand zu nehmen. Eine ‚Love Parade” in Cottbus ist doch
eine schöne Sache.” Etwas anders sieht es einer der Organisatoren,
Thomas Bulowski, der geschäftig über den Oberkirchplatz läuft, als die
Menge dort vor der Bühne eingetroffen ist. “Es ging uns nicht darum,
eine ‚Love Parade” in Cottbus auf die Beine zu stellen, auch nicht
darum, 10 000 Leute auf die Straße zu bekommen, sondern darum, auf uns
aufmerksam zu machen – deshalb sind wir mit der Resonanz zufrieden.”
Bevor Bands und Diskjockeys aus der Region die Bühne betreten, findet
eine kurze Gesprächsrunde mit drei Vertretern aus Politik und Wirtschaft
statt: dem CDU-Landtagskandidaten Steffen Komann, der
SPD-Landtagskandidatin Martina Münch und Knut Deutscher,
Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Cottbus. Deutscher nimmt Bezug
auf ein Plakat der Gewerkschaft “Verdi” , zu sehen neben der Bühne:
“Wenn ich dort lese ‚Her mit dem schönen Leben” – da habt ihr ja recht,
aber dafür muss man auch was tun.” Steffen Komann sagt: “Dass Jugend
hier eine Zukunft hat, bedeutet, dass Jugend hier eine Arbeit hat. Die
Politik selbst kann keine Arbeitsplätze schaffen, nur die
Rahmenbedingungen dafür.” Und Martina Münch erklärt: “Ich finde es gut,
dass ihr für eure Interessen hier steht. Kultur umfasst viel mehr als
die Hochkultur, dazu gehören auch die Klubs. Ich nenne das Beispiel
“Schallwerk”: Wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, können
sie auch was bewegen.”
Aus der Menge ruft ein Zuschauer: “Blah, blah, blah.” Die Reaktion von
Martina Münch: “Nichts blah-blah-blah, es ist so. Wir müssen miteinander
reden.”