Verstrickung im Netz
Wischnath fürchtet Überkoordinierung im Kampf gegen rechte Gewalt
POTSDAM In der Landesverwaltung gilt für gewöhnlich: Erst die Stelle schaffen, dann die geeignete Person dafür suchen. Mit dem Namen Uta Leichsenring verbindet sich seit geraumer Zeit die Umkehrung dieses Prinzips. — Die 51-Jährige, Chefin des Eberswalder Polizeipräsidiums in Abwicklung, soll einen hochdotierten Posten in der Landesregierung bekommen. Nur welchen? Wegen ihres Engagements gegen rechtsextreme Gewalt, wofür sie zahlreiche Preise erhielt, wird sie als “Extremismusbeauftragte” der Landesregierung gehandelt. Weil es diesen Posten aber nicht gibt und die Landesregierung die Personalie Leichsenring seit mehreren Monaten vor sich her schiebt, wächst die Unruhe.
Jetzt hat in einem Brief an Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) der Vorsitzende des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Rolf Wischnath, auf eine schnelle Lösung gedrängt und zugleich vor einem unnötigen Kompetenzgerangel gewarnt. Die Konstruktionen in diesem Bereich seien “nicht klar”, beklagte Wischnath, der auch Cottbuser Generalsuperintendent ist. Es bestehe die “Gefahr einer Überkoordinierung und einer Verstrickung im Netz”. Dies könne dazu führen, “dass sich Strukturen mit sich selbst beschäftigen”, heißt es in dem der MAZ vorliegenden Brief an Stolpe. Beide führten dazu auch ein längeres Vier-Augen-Gespräch.
In der Tat gibt es derzeit gleich mehrere Gremien, deren Aufgaben sich überschneiden könnten: das Handlungskonzept “Tolerantes Brandenburg” (angebunden am Bildungsministerium) — mit den Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA)
und den Mobilen Beratungsteams (MBT); das Aktionsbündnis mit dem Vorsitzenden Wischnath (staatsfern, mit Geschäftsstelle im Bildungsministerium); der Landespräventionsrat (Chef ist CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, weitere drei Minister sind Mitglieder); die Ausländerbeauftragte mit der Antidiskriminierungsstelle (angebun den an das Sozialministerium).
Angedacht war anfangs, alle Gremien unter einem Dach zu vereinen mit der Chefin Uta Leichsenring. Doch diese Idee scheiterte am Widerstand der Ressorts. “Niemand will etwas abgeben”, sagt ein hoher Beamter. Misstrauisch wird genau beobachtet, dass Uta Leichsenring nicht zu viel Macht erhält und in einzelne Ressorts eingreifen kann.
Nun verdichten sich die Anzeichen, dass Leichsenring künftig an die Spitze des “Toleranten Brandenburg” wechselt und die Koordination übernimmt. Bislang ist Bildungsstaatssekretär Frank Szymanski dafür zuständig.
Die SPD legte immer Wert darauf, dass die parteilose, einst in der DDR-Bürgerbewegung aktive Leichsenring eine neue Aufgabe bekommt. Ihr Polizeipräsidium wird im Zuge der Polizeireform dicht gemacht. Sie selbst hat sich nicht für einen Chefsessel in den Präsidien in Potsdam oder Frankfurt (Oder) beworben. Im Clinch liegt sie mit Innenminister Schönbohm, der sie mehrfach öffentlich rügte, unter anderem weil sie sich anfangs gegen die Auflösung ihres Präsidiums aussprach. CDU-Landesvize Sven Petke hatte eine Berufung zur Extremismusbeauftragten damals als “klassische SPD-Versorgungslösung” kritisiert.
Wischnath stellt im Brief an Stolpe die Frage, ob die jetzige Diskussion nicht auch die von ihm geschätzte Uta Leichsenring “beschädigt”.