INFORIOT — Schätzungen zufolge waren es 200 Neonazis, die sich am gestrigen 5. April ab 09:00 Uhr am Wittenberger Bahnhof sammelten (obwohl der Aufmarsch um 12:00 Uhr beginnen sollte). Angemeldet war ein von den „Freie Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ initiierter Aufmarsch, der in einem Demonstrationszug über den Norden und die Innenstadt führen sollte. Die Teilnehmer_innen waren neben lokaler „Neonazi-Prominenz“ vor allem angereiste Neonazis aus Mecklenburg/Vorpommern, Hamburg, Thüringen und dem gesamten Land Brandenburg.
Es war am der erste Aufmarsch dieser Art in Wittenberge.
Vielfältige (Gegen-)Aktionsformen
Im Versuch, den Nazis entgegen zu treten, waren dabei die Aktionsformen äußerst breit gefächert. Vom Gottesdienst (um die Nazis wegzubeten) über ein Toleranzfest in der Einkaufsstraße, Blockaden, Bezugsgruppen mit „Finger-Taktik“ und mobilen Kleingruppen im Stadtgebiet, war alles dabei. Das Bündnis „Wittenberge Nazifrei“ hatte zum Verhindern es geplanten Aufmarsches aufgerufen. Genau so bunt gemischt wie ihre die Vorgehensweisen waren auch die über 600 bürgerlichen und autonomen Antifaschist_innen.
Flexible Gegendemonstrant_innen
Bereits vor 10:00 Uhr fanden sich trotz Nieselregen Gegendemonstrant_innen an mehren größeren Blockadepunkten ein.
Die Polizei war auffällig solide vorbereitet, 700 Beamt_innen sollen im Dienst gewesen sein. Unter anderem mit Hamburger Gittern, Räumpanzern, etlichen Bussen, Autos und Motorrädern waren sie vor Ort präsent und gingen zum Teil brutal gegen Demonstrat_innen vor. So wurde der „Spaziergang für Toleranz“, der über den Norden der Stadt zum Toleranzfest in der Bahnstraße führte, von der Polizei angegriffen. Ziel dabei war es offenbar, jüngere Antifaschist_innen, die als mutmaßlich als Autonome eingestuft wurden, festzusetzen. Angaben zufolge gab es mehrere Verletzte, darunter ein Nasenbruch. Wenig später räumte die Polizei gewaltvoll eine größere Blockade. Mehrfach wurden Pressevertreter_innen bei ihrer Arbeit behindert.
Als die Neonazi-Demonstration um etwa 13.00 Uhr startete, stellte sich Taktik schnell als vernachlässigbar heraus, da die Neonazis über kleine Wege in das verwinkelte Wohngebiet jenseits des Bahnhofs geleitet wurden.
Was folgte war ein Katz-und-Maus-Spiel der Polizei mit mehreren mobilen Klein-und Großgruppen im Umkreis der Route. Immer wieder besetzen sie Punkte an der mutmaßlichen (Ausweich-)Route der Neonazis; meldeten mal mehr, mal weniger erfolgreich spontan Kundgebungen an. Im Hornring war dann Schluss. Als die Polizei die Nazis in das Plattenbauviertel im Hornring führte, umringenten die Gegendemonstrant_innen die Nazidemo und blockierten damit erneut erfolgreich die Route.
Schlussendlich wurden die Neonazis nach etwa 1000 Metern improvisierter Route zum Bahnhof zurück geleitet, wo ihre Versammlung beendet wurde. Bevor es zum Bahnhof ging wurde seitens der Nazis und der Polizei um eine Ausweichroute verhandelt. Doch alle Straßen waren dicht. Die Perleberger Straße wurde durch knapp 200 Menschen, darunter auch der Wittenberger Bürgermeister Dr. Olver Hermann, blockiert. Auch die Mozartstraße, die die Nazis als Alternative nutzen wollten, war schnell dich.
Das Bündnis „Wittenberge Nazifrei“ feierte den Tag zurecht als Erfolg.
Im Anschluss: Spontaner Aufzug in Neustadt/Dosse
Kurze Zeit nach Beendigung der Versammlung in Wittenberge fanden sich in Neustadt/Dosse noch etwa 50 der Neonazis zu einer Kurz-Demonstration zusammen. Sie waren nach dem – gelinde gesagt – semi-erfolgreichen Aufmarsch in Polizeibegleitung mit dem Zug dorthin gefahren. Via Telefon sollen sie dabei eine Spontankundgebung “gegen Repression” abgehalten haben, und feiern beide Aufmärsche als Erfolg.
Auch als der Aufmarsch am 1. Mai 2012 in Wittstock blockiert wurde, versuchten die Neonazis einen Spontanaufmarsch im benachbarten Neuruppin abzuhalten. Dabei griffen sie das linksalternatieve Wohn- und Jugendprojekt “JWP MittenDrin” an.