Am 5. April soll, nur einen Katzensprung von der Landesgrenze MVs entfernt, in Wittenberge (Nordbrandenburg) ein Neonaziaufmarsch stattfinden. Es ist der erste Versuch dieser Art in der Region und wir sprachen mit Vertreter_innen des antifaschistischen Bündnisses “NoNazisWittenberge”, welches zu Gegenaktivitäten an dem Tag mobilisiert.
KomFort:
Hallo, schön das wir es noch geschafft haben uns so kurz vor eurem Tag X zu treffen. Wisst ihr schon Genaueres über die Pläne der Nazis?
NoNazisWBGE:
Die Neonazis haben zwischen 12 – 24 Uhr eine Demonstration in Wittenberge angemeldet. Die genaue Route ist noch nicht bekannt. Allerdings ist sicher, dass die Neonazis nicht durch die Innenstadt marschieren werden.
KomFort:
Welche Nazigruppen rufen denn zu dem Aufmarsch auf? Mit wie vielen Neonazis wird gerechnet?
NoNazisWBGE:
Zum Aufmarsch mobilisieren die Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland (FKNRP) und die Freien Aktivisten Wittenberge, wobei zweitere als Gruppe nicht existiert. Es ist für uns ersichtlich, dass die FKNRP bei der Mobilisierung und Durchführung federführend sind. Solche Aufmärsche haben bei den FKNRP Tradition. Zwischen 2009 und 2012 haben sie mehrere Aufmärsche mit bis zu 300 Neonazis im benachbarten Neuruppin und Wittstock (Dosse) veranstaltet. Doch seit die letzten Aufmärsche blockiert werden konnten, ist es in der Region ruhig geworden. In der Regel bekommen die FKNRP 250–300 Neonazis mobilisiert. Wittenberge ist jedoch ein verkehrstechnischer Knotenpunkt, sodass wir damit rechnen das die Zahl der Demonstrant_innen steigen könnte.
KomFort:
Blockaden sind ein gutes Stichwort. Wie ihr ja gerade erwähnt habt, wurden mehrere Aufmärsche in den letzten Jahren in Brandenburg durch Blockaden verhindert. Wir denken da an Bernau, Frankfurt (Oder) und erst im Februar an Cottbus. Wollt ihr euch mit eurem Protest da einreihen?
NoNazisWBGE:
Ja auch wir haben vor durch Menschenblockaden den Aufmarsch zu verhindern. Wie schon angeklungen scheinen Blockaden in Brandenburg der effektivste Weg die Straße dicht zu machen. Zusammen mit den Bündnis “Wittenberge Nazifrei” wollen wir uns den Nazis wiedersetzen. Der Aufruf von “Wittenberge Nazifrei” wird überregional von führenden Politiker_innen und Organisationen sowie zahlreichen Einzelpersonen unterstützt. Beispielsweise durch den Justizminister Helmut Markov.
KomFort:
Und welche anderen Aktionen sind an dem Tag in der Stadt noch geplant?
NoNazisWBGE:
Die Innenstadt ist durch Veranstaltungen an dem Tag belegt. In der Bahnstraße gibt es ein Bürgerfest unter dem Motto “Schöner Leben ohne Nazis”, im Rathausviertel einen Toleranzlauf und ein Straßenfußballturnier auf dem Paul-Lincke-Platz.
KomFort:
Das klingt ja schon mal vielfältig und soviel Platz bleibt den Nazis dann somit ja auch nicht mehr. Auf eurer Webseite finden sich viele Termine zu Infoveranstaltungen. Erzählt doch, wie läuft die Mobilisierung denn bislang?
NoNazisWBGE:
Im Großen und Ganzen läuft die Mobilisierung ganz gut. Auch wir wollen uns die gute Anbindung der Stadt zu Eigen machen und hatten daher den Gedanken überregional zu Gegenaktivitäten zu mobilisieren. Um die Leute abzuholen veranstalten wir Info-Veranstaltungen in fünf Bundesländern in den Städten, wo es antifaschistische Strukturen gibt. Und das Interesse ist groß! Unsere Flyer und Plakate sind fast vergriffen.
KomFort:
Und mit wievielen Teilnehmer_innen am Gegenprotest rechnet ihr?
NoNazisWBGE:
Das können wir im Moment nicht sagen. Wir hoffen jedoch, dass Viele unserem Aufruf folgen und das wir gemeinsam die Neonazis Schachmatt setzen.
KomFort:
Fernab von der Gegenmobi würden wir gerne noch mal auf die Neonazis eingehen. Wie hat sich die lokale Naziszene in den vergangenen Jahren entwickelt?
NoNazisWBGE:
Ähnlich wie andere Städte in Brandenburg war Wittenberge gerade in den 90er Jahren kein unbeschriebenes Blatt. 1991 war es besonders brutal: mehrere Dutzend rechte Jugendliche stürmten ein Wohnheim und warfen zwei Namibier aus dem 4. Stock. Sie überlebten nur knapp. 2001 wurde Klaus-Dieter Harms durch Neonazis in seiner eigenen Wohnung totgetreten. Das Gericht stellte anschließend fest, dass die beiden Täter den gehbehinderten Alkoholkranken als verachtungswürdigen Menschen betrachtet und aus „Mordlust“ gehandelt hätten. In jüngster Zeit häufen sich nächtliche Aktionen in Wittenberge. Neben zahlreichen Propagandadelikten fanden hier spontane Aufmärsche mit bis zu 200 Neonazis statt. 2010 gab es einen bewaffneten Überfall auf ein alternatives Wohnprojekt im benachbarten Perleberg und 2013 einen tätlichen Angriff auf einen Dönerimbiss.
KomFort:
Und welche Bedeutung hat der Aufmarsch eurer Meinung nach für die Region?
NoNazisWBGE:
Der FKNRP versuchen schon seit einigen Jahren ihr Einflussgebiet zu erweitern. Seit ihre Aufmärsche jedoch 2012 mehrfach blockiert wurden, hat dies stark an ihren Selbstbewusstsein gekratzt. Wir gehen davon aus, dass der Aufmarsch neuen Antrieb liefern soll. Und wie der jüngste Überfall zeigt, scheint die Demonstration auch in die Szene zu wirken. Fernab davon, dass jeder Aufmarsch verhindert werden muss, ist es in diesem Fall wichtig, dem Vordringen in die Region entgegenzuwirken.
KomFort:
Möchtet ihr zum Schluss noch etwas an die Leser_innen los werden?
NoNazisWBGE:
Der Treffpunkt zu Gegenaktivitäten ist um 9 Uhr am Bahnhof Wittenberge. Alle wichtigen Infos findet ihr auf unserer Seite nonaziswittenberge.blogsport.de und auf wittenbergenazifrei.tk. Die Aktionskarte sowie Info-Telefonnummer werden einige Tage vor dem Aufmarsch veröffentlicht. Achtet daher auf Ankündigungen. Ansonsten: erscheint zahlreich!
KomFort:
Ok, wir sind gespannt und drücken euch und allen die am 5. April unterwegs sind die Daumen.