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Wittstock/Dosse: Polizei setzt Aufzug von Neonazis durch

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Getarnt als ver­meintliche Bürger_innen gegen die derzeit­ige „Asylpoli­tik“ waren gestern 120 Neon­azis durch die nord­bran­den­bur­gis­che Kle­in­stadt Wittstock/Dosse gezo­gen. Dabei glo­ri­fizierten sie den „Nationalen Sozial­is­mus“ und riefen Parolen, die möglicher­weise dem Straftatbe­stand der Volksver­het­zung erfüll­ten. Unge­fähr 300 Beamt_innen schützten, laut Pressemit­teilung der Polizei, unter Beach­tung des „ver­fas­sungsrechtlichen Gebot(es) der Neu­tral­ität“ die „Demon­stra­tions­frei­heit“ der Neon­azis. „Stör- und Block­ade­v­er­suche des Aufzuges“ seien ver­hin­dert und in diesem Zusam­men­hang Anzeigen wegen „Belei­di­gung“ und „Wider­stand“ aufgenom­men wor­den. Eben­falls werde gegen Teilnehmer_innen des Aufzuges „gegen Asylpoli­tik“ ermit­telt, so die Polizei weit­er. Diese sollen gegen das „Ver­samm­lungsrecht“ ver­stoßen und sich uni­formiert haben.
Sym­bol­is­ch­er Protest
Mit vielfälti­gen Aktio­nen haben dutzende Men­schen heute gegen den Aufzug der Neon­azis protestiert.
In einem umgangssprach­lich als Papageien­sied­lung beze­ich­neten Vier­tel im Nor­den der Stadt, ver­anstal­tete das Bünd­nis „Witt­stock beken­nt Farbe“ ein gemein­sames Straßen­fest mit dort unterge­bracht­en syrischen Flüchtlin­gen. Dazu waren diverse Stände aufge­baut worden.
Des Weit­eren stand der jährliche Jugend­kreuzweg der evan­ge­lis­chen Kirche, der durch die Stadt bis zur Papageien­sied­lung führte, unter dem Zeichen des Protestes gegen Rassismus.
Zudem waren ent­lang der Route des Aufzuges „gegen Asylpoli­tik“ durch die his­torische Alt­stadt zahlre­iche Plakate des Freien Gym­na­si­ums Witt­stock ange­bracht, auf denen sich für eine bunte Stadt mit kul­tureller Vielfalt aus­ge­sprochen wurde. Weit­er­hin waren Trans­par­ente der Ini­tia­tiv­en „Witt­stock beken­nt Farbe“ sowie „Neu­rup­pin bleibt bunt“ und „Oranien­burg ist anders, weltof­fen, Bunt“ ange­bracht worden.
Zu direk­ten Aktio­nen gegen den „Neon­azi­auf­marsch“ hat­te hinge­gen lediglich das Bünd­nis „NoT­D­DZ 2015“ unter dem Mot­to „kein Fußbre­it den Nazis!“ aufgerufen. Diesem Aufruf offen­bar fol­gend hat­ten sich ab 13.00 Uhr unge­fähr 60 Men­schen eben­falls in der Nähe der Bahn­hal­testelle, in ein­er Parkan­lage ver­sam­melt. Kurz vor Beginn des Aufzuges „gegen Asylpoli­tik“ ver­sucht­en sie die Weite des Gelän­des zu nutzen, um auf die Bahn­hof­sstraße zu gelan­gen, scheit­erten allerd­ings an den Polizeiket­ten. Ein weit­er­er Ver­such auf die Route des Aufzuges der Neon­azis zu kom­men, scheit­erte in der Kyritzer Straße. In der Alt­stadt soll die Polizei zudem Pfef­fer­spray einge­set­zt haben, um etwaige Block­aden zu ver­hin­dern. So blieb den Gegner_innen des Aufzuges „gegen Asylpoli­tik“ nur der sym­bol­is­che Protest am Rande. Dabei wur­den u.a. Trans­par­ente, die sich sol­i­darisch mit Flüchtlin­gen zeigten und zu Protesten gegen den „Tag der deutschen Zukun­ft (TDDZ)“ in Neu­rup­pin aufriefen sowie eine Antifa-Fahne gezeigt. Die Abschlusskundge­bung des Aufzuges „gegen Asylpoli­tik“ wurde laut­stark ausgepfiffen.
Neon­azis marschierten anson­sten störungsfrei
Der Aufzug „gegen Asylpoli­tik“ bewegte sich gestern auss­chließlich im Süden der Stadt und im Zen­trum. Es war die mit­tler­weile dritte der­ar­tige Ver­samm­lung in Wittstock/Dosse. Am 6. Dezem­ber 2014 fand eine erste Demon­stra­tion mit 150 Teilnehmer_innen statt, eine zweite fol­gte mit unge­fähr 20 teil­nehmenden Per­so­n­en am 31. Jan­u­ar 2015.
Start­punkt der gestri­gen Ver­samm­lung war wieder der Bere­ich vor der Bahn­hal­testelle Wittstock/Dosse. Dort sam­melten sich bis 14.30 Uhr unge­fähr 120 Neon­azis. Bürger_innen waren hinge­gen, anders als beim Auf­marsch am 6. Dezem­ber 2014, kaum noch beteiligt. Der Aufzug gab sich in Stil und Aus­druck klar als neon­azis­tis­ch­er Auf­marsch zu erken­nen. Dazu waren etliche Neon­azis aus Bran­den­burg, Berlin, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Sach­sen-Anhalt und Thürin­gen angereist. Diese wur­den unter anderem durch Aufrufe in ein­schlägi­gen Social­me­dia-Seit­en zur Teil­nahme aufge­fordert. Unter anderem bewar­ben die „Aktion­s­gruppe Nord-Ost“, „Ein Licht für Deutsch­land gegen Über­frem­dung“, die „NPD Prig­nitz-Rup­pin“, „NPD Pots­dam-Mit­tel­mark“ sowie eine Social­me­dia-Gruppe, hin­ter der sich mut­maßlich die „Nationale Sozial­is­ten Wittstock/Dosse“ ver­ber­gen, die Veranstaltung.
Nach der Ver­lesung der Aufla­gen durch den mut­maßlichen Ver­samm­lungsleit­er startete der Aufzug dann Rich­tung Bahn­hof­s­traße, über­querte den Bah­nüber­gang in der Kyritzer Straße und zog dann unter dem skandieren von Parolen, wie „Frei, Sozial, Nation­al“ und „Nationaler Sozial­is­mus jet­zt“ bis in ein umgangssprach­lich als Polth­ier­sied­lung beze­ich­netes Vier­tel im Süden der Stadt, in dem viele Neon­azis wohnen. Hier gab es dann, in der Polth­ier­straße Ecke Ste­in­straße, die erste Zwis­chenkundge­bung. Bei dieser forderte Pas­cal Stolle, ehe­ma­liger Stadtverord­nete für die NPD in Bad Belzig (Land­kreis Pots­dam-Mit­tel­mark) und jet­ziger Aktivist der Partei des „drit­ten Weges“, als erster Red­ner einen „sofor­ti­gen Stopp, der Über­säung“ sein­er „Heimat mit Asy­lanten­heimen“ sowie „einen sofor­ti­gen Stopp von Asy­lanten in Deutschland“.
Auch Mar­vin Koch von den „Freien Kräften Neu­rup­pin /Osthavelland“ knüpfte an die Flüchtlings­the­matik an und ver­suchte Asyl­suchende pauschal als krim­inell darzustellen. Des Weit­eren ver­suchte er Äng­ste zu schüren, dem­nach durch die Auf­nahme von Flüchtlin­gen sein „Volk sys­tem­a­tisch aus­gerot­tet würde“. Koch könne es dies­bezüglich „nicht mit seinem Gewis­sen“ vere­in­baren, seine „Kinder in so eine mar­o­de Welt zu set­zen, ohne pro­biert zu haben an diesen Zustän­den etwas zu verän­dern“. In diesem Sinne warb er auch für die Teil­nahme an der „Abschluss­demon­stra­tion“ zum „Tag der Deutschen Zukun­ft in Neu­rup­pin“ und endete mit den Worten „Nationaler Sozial­is­mus oder Untergang“.
Anschließend zog der Aufzug mit Parolen wie „Krim­inelle Aus­län­der raus – und der Rest auch“ oder „Deutsch­land den Deutschen – Aus­län­der raus“ weit­er in Rich­tung Alt­stadt. Da let­zt genan­nter Slo­gan möglicher­weise den Straftatbe­stand der Volksver­het­zung erfüllt, kündigte die Press­esprecherin der Polizei eine strafrechtliche Prü­fung des Sachver­haltes an. Vor Ort unter­bun­den wur­den der­ar­tige Parolen jedoch nicht.
In der Alt­stadt, genauer gesagt hin­ter dem Rathaus, fand dann die Abschlusskundge­bung des Aufzuges „gegen Asylpoli­tik“ statt.
Hier ergriff dann Maik Eminger, mut­maßlich­er Kopf der „freien Kräfte“ in Pots­dam-Mit­tel­mark das Wort und knüpfte an die Reden sein­er Vorred­ner während der Zwis­chenkundge­bung an. „Ein friedlich­es Zusam­men­leben ver­schiedenar­tiger Rassen und Völk­er“ könne er sich nicht vorstellen und forderte deshalb „das Ende dieser Über­frem­dung“ sowie „das Ende der herrschen­den Asylpoli­tik“. Seinen Rede­beitrag been­dete Eminger in Inter­ak­tion mit den anderen Teilnehmer_innen des Aufzuges. Er skandierte „Nationaler Sozial­is­mus“ und die anderen Versammlungsteilnehmer_innen ergänzten mit „jet­zt“.
Anschließend über­nahm Matthias Fis­ch­er, bis zu dessen Ver­bot langjähriger Aktivist des „Freien Net­zes Süd“ in Bay­ern und heutiger Parteigänger des „drit­ten Weg“ im Land Bran­den­burg das Mikro­fon. Auch er schürte, anknüpfend an seine Vorred­ner, „Über­frem­dungsäng­ste“ und forderte das noch „viel mehr“ dage­gen auf die „Straße“ gehen müssten. „Noch“ kön­nte „die „Heimat“ gerettet wer­den, so Fischer.
Danach wurde der Aufzug durch die Ket­ten­straße zur Bahn­hal­testelle zurück­ge­führt und nach dem Abspie­len der deutschen Nation­al­hymne, in allen drei Stro­phen, für been­det erklärt.
Flüchtlinge in Wittstock
In der Stadt Wittstock/Dosse wur­den im let­zten Jahr mehrere geflüchtete Fam­i­lien aus Syrien aufgenom­men. Nach einem kurzen Aufen­thalt in einem tem­porär als Gemein­schaft­sun­terkun­ft genutztem Gebäude, wur­den diese in Woh­nun­gen in der so genan­nten Papageien­sied­lung untergebracht.
Die Unter­bringung in der Stadt wurde von einem Großteil der Bürger_innen während ein­er Ver­samm­lung der Stadt begrüßt. Lediglich das im Ort äußerst aktive neon­azis­tis­che Milieu sprach sich, offen­sichtlich aus ras­sis­tis­ch­er Moti­va­tion, dage­gen aus und führte dies­bezüglich mehrere Ver­anstal­tun­gen durch. Der­lei Aktiv­itäten set­zen sich anscheinend nun auch 2015 fort, nach dem die Stadt, eben­falls nach Zus­pruch durch die Bevölkerung, weit­ere Flüchtlinge aufnahm.
 
Fotos: hier

2 Antworten auf „Wittstock/Dosse: Polizei setzt Aufzug von Neonazis durch“

Ich war gestern in Witt­stock und durfte es mal wieder zur Ken­nt­nis nehmen, dass die zahlre­ichen Nazi­stick­er lei­der nicht erfol­gre­ich “weg gebetet” wor­den sind!
Ich ver­misse bere­its seit langem (2003) eine Sen­si­bil­isierung gegenüber der ekel­haften Nazipro­pa­gan­da in Wittstock!
Noch immer — da in unerr­e­ich­barewr Höhe für mich — kleben u.a. die riesen
Stick­er “NS Zone — Deutsch­land mul­ti­kul­ti — wir blein­ben braun” rund um den Ede­ka Markt.
Ist es auch die vielbeschworene “Tol­er­anz” im “Tol­er­an­ten Bran­den­burg” , den Nazis die Kle­be­freude nicht zu nehmen ?

Sehr geehrte Frau Schramm,
seit vie­len Jahren schätze und bewun­dere ich Ihre Arbeit. Aber — auch wenn Sie es nicht glauben — Sie sind nicht die Einzige, die Nazi­stick­er ent­fer­nt. Sog­ar in Witt­stock gibt es Men­schen, die dies regelmäßig tun (was die Kle­be­freude offen­sichtlich kaum beein­trächtigt) und trotz allem weit­er­hin tun wer­den. Vie­len Dank für den Hin­weis auf den Edeka-Markt!

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