Wittstocker Aktionsbündnis “Couragiert gegen Rechts” zog Bilanz
WITTSTOCK Das Fazit von Bürgermeister Lutz Scheidemann lautete: “Der Klimawechsel hat begonnen.” Er konnte eine lange Liste von Aktionen, Veranstaltungen und Projekten vorweisen, die das Problem zum Thema gemacht haben. Und der Kreis engagierter Menschen sei größer geworden. Das heiße jedoch nicht, das Rechtsextremismus in Wittstock kein Problem mehr sei: “Die rechte Szene gibt es weiterhin. Und es bleibt eine Herausforderung an Kommunalpolitik und Bürger.”
Doch die Auseinandersetzung mit dem Thema sei in Gang gekommen. Gestern zog das Wittstocker Aktionsbündnis “Couragiert gegen rechts” Bilanz. Im Versammlungsraum der Stadthalle saßen Bürgermeister Scheidemann, Superintendent Heinz-Joachim Lohmann, der Wittstocker Wachenleiter Peter Benedikt und der Koordinator für Aussiedler-Arbeit im Kreis, Michael Möbius. Scheidemann verwies auf die Gründung des Aktionsbündnisses, die Demonstrationen der Wittstocker gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit, so auch nach dem Totschlag an Kairat Batesov und dem Anschlag aus das Museum des Todesmarsches. Es gab Konzerte “Rock gegen rechts” und “Sport für Toleranz” während der Woche des Ausländers. Ein Elternstammtisch sei zu den Themen ins Leben gerufen worden, an Schulen wurden zahlreiche Aufklärungsveranstaltungen organisiert.
Im kommenden Jahr werde die Auseinandersetzung mit dem Thema fortgesetzt. So soll es im Februar ein Treffen des DGB in Wittstock mit Betriebsräten geben, im März Podiumsdiskussion, im April eine große Gedenkveranstaltung am Todesmarsch-Museum im Belower Wald und im Juni wieder eine Sportaktion.
Dass sich die Lage verbessert habe, aber nicht entschärft sei, sagte auch Wachenleiter Benedikt. Die Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund seien seit 1998 stetig gestiegen. In diesem Jahr gab es einen Rückgang um zehn Prozent. Dazu habe vor allem auch die Sonderkommission “Tomeg” beigetragen. “Und die hohe Polizeipräsenz in Wittstock soll bleiben”, kündigt der Wachenleiter an.
Die Polizei hatte 2001 ein Aktionsbündnis ins Leben gerufen. Im Herbst ging es in dem Bündnis “Tolerantes Wittstock — Couragiert gegen rechts” auf. Er lobte vor allem den Wittstocker Jugendförderverein “Nanü”, der in den Jugendklubs gute Arbeit leiste.
Superintendent Lohmann bedauerte, dass es vor allem bei jungen Leuten eine hohe Akzeptanz an rechtem Gedankengut gebe: “Wir müssen es auch aus den Schulen herausbekommen”, sagte er. Das Aktionsbündnis werde weiter arbeiten. Die Situation habe sich gebessert, “aber wir müssen es weiter im Blick haben.”
Zur Integration der Aussiedler sei viel getan worden. So gibt es mit Lew Sinner und seinen Mitarbeitern feste Ansprechpartner in Wittstock. Gottesdienste werden in Deutsch und Russisch abgehalten, die Kirche wird ein Begegnungszentrum für Aussiedler im Haus an der Heiliggeistkirche eröffnen.
An den Schulen sei ebenfalls eine Diskussion in Gang gekommen, sagte Realschullehrerin Mießner. Sie sah auch das Problem mit der Unterschriftenliste “Jetzt reichts” als Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Schüler einer Wittstocker Schule, die diese Liste unterzeichnen wollten, wurden von Mitschülern unter Druck gesetzt. Ihnen wurde gesagt, dass die Liste in der Zeitung veröffentlicht werde, dann würden die, die unterschrieben haben, “schon sehen was passiert”. Die Drohung sei von der Elternkonferenz ernst genommen worden. Inzwischen gebe es auch einen Elternstammtisch “Eltern helfen Eltern”.
Auch in den Jugendklubs werde das Thema diskutiert, sagte Anke Richert vom Förderverein “Nanü”. Die Jugendlichen hätten junge Aussiedler zu sich eingeladen. Dass es nicht leicht sei, Kontakt herzustellen, wurde in der Runde bestätigt — vor allem, wenn es Sprachprobleme gibt.
Einig war sich die Runde darin, dass das Problem mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus nicht ausgeräumt ist. Es schwele weiter unter der Oberfläche, so Jan Kordt, der Leiter der evangelischen Beratungsstelle Wittstock: “Aber es gibt Zeichen der Hoffnung.”