(MAZ, 9.9.04, Frank Schauka) POTSDAM Die fünf Abgeordneten der rechtsextremen Deutschen Volksunion im
Potsdamer Landtag kommen ohne Zweifel bürgerlich daher.
Bauzeichnerin/Bürokauffrau gibt die DVU-Fraktionsvorsitzende Liane
Hesselbarth als Beruf an. Und Sigmar-Peter Schuldt, der
Landesvorsitzende der maßgeblich vom Münchener Unternehmer Gerhard Frey
gesteuerten Partei, weist sich als Ökonom für Rechnungsführung aus. Die
übrigen drei Abgeordneten sind Dreher/Fräser, Chemieingenieurin und
Chemielaborant.
Nichts deutet zunächst darauf hin, dass die zwei Damen und drei Herren
eine Partei repräsentieren, die “Fremdenfeindlichkeit schürt” und
“nichts mit unserer pluralistischen Demokratie zu tun hat”, wie der
Berliner Politik-Professor Oskar Niedermayer analysiert. Erkennbar wird
das erst bei einem Blick hinter die Kulissen der “virtuellen Partei”, so
der Parteienforscher.
Vor wenigen Wochen hatten die Bundesvorsitzenden der beiden
rechtsextremen Parteien, Udo Voigt für die NPD und Gerhard Frey für die
DVU, ein “Stillhalteabkommen” geschlossen. Zur Bündelung der Kräfte
verzichtet demzufolge jeweils eine Partei auf eine der beiden am 19.
September in Brandenburg und Sachsen stattfindenden Landtagswahlen. So
tritt allein die DVU in Brandenburg an und erhält zudem die
Unterstützung der NPD. In Sachsen läuft der Polit-Deal zu Gunsten der
NPD. Der aktuelle brandenburgische Verfassungsschutzbericht attestiert
der NPD eine “verfassungsfeindliche Weltanschauung”. Ihre “Affinität zum
Nationalsozialismus” zeige sich darin, “dass die Partei die Verbrechen
des nationalsozialistischen Regimes verharmlost, dessen Repräsentanten
ehrt und sich mitunter den Sprachjargon des Dritten Reiches zu eigen
macht”. Die mit der DVU Absprachen treffende NPD, sagt Politikforscher
Niedermayer, sei ein “Wolf im Schafsspelz”. Die Landtagswahl im Saarland
habe zudem gezeigt, wie die Rechtsextremisten “ihr Schmuddel-Image
abzulegen” versuchten. Auch ein Politologe habe auf der Liste der NPD
kandidiert. Wie in der DVU würden Personen aus der gesellschaftlichen
Mitte rekrutiert.
Deutlich zutage tritt die Geisteshaltung der DVU auch bei einer
Betrachtung des Umfeldes des Bundesvorsitzenden Frey. Die ihm gehörende
“National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung”, die die programmatische Linie
der DVU widerspiegele, sei “bestimmt von Ausländerfeindlichkeit,
Antisemitismus, revisionistisch-tendenziöser Darstellung der
NS-Vergangenheit, insbesondere Relativierung des Holocausts und der
deutschen Kriegsschuld sowie einer herabsetzenden Berichterstattung über
den Rechtsstaat”, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2003. Freys Blatt
diskreditiere jüdische Organisationen und vermittele den Eindruck, “als
sei Deutschland fest in den Händen mächtiger jüdischer Verschwörer”.
Im Brandenburger Landtagswahlkampf mache die DVU erneut Ausländer zu
Sündenböcken und erwecke mit einer Mischung aus Fremdenfeindlichkeit und
Anti-Hartz-Agitation den Eindruck, die Wahl der DVU sei die Lösung des
Arbeitslosigkeitsproblems, so Niedermayer — nach dem schlichten Motto:
“Wenn ihr uns wählt, gibt es kein Problem mit den Arbeitsplätzen.”
Das Wählerpotential für den erneuten Einzug der DVU in den Landtag ist
laut Niedermayer grundsätzlich vorhanden und liegt bei gut zehn Prozent.
Damit die DVU ihr Potential ausschöpfen könne, müssten jedoch bestimmte
Bedingungen vorherrschen. Hartz IV und das Vier-Prozent-Ergebnis der NPD
bei der Saar-Wahl seien allerdings “optimale Mobilisierungsthemen” für
die DVU. Zudem hätten sich die Chancen der DVU durch das
Stillhalteabkommen mit der NPD verbessert.
Den Einzug der DVU in den Landtag könnte laut Niedermayer möglicherweise
CDU-Spitzenkandidat Jörg Schönbohm verhindern. Anders als Saarlands
Ministerpräsident Peter Müller (CDU) könne es dem “konservativen
Menschen” Schönbohm gelingen, einen — eventuell entscheidenden — Teil
des Wählerpotentials der DVU an die CDU zu binden und damit doch noch
für das demokratische Spektrum zu gewinnen.