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Wohnen & Stadt

Wohnen als Grundrecht – vielleicht auch mal in Potsdam

Am 20. Sep­tem­ber fand in Berlin das Woh­nungspoli­tis­che Forum statt. Gegen die Inter­essen der Immo­bilien­lob­by, die man dur­chaus mit den Inter­essen der bun­des-regieren­den Parteien gle­ich­set­zen kann, wur­den hier Konzepte erar­beit­et, mit denen die Speku­la­tion eingedämmt und das Risiko des Woh­nungsver­lustes gemindert wer­den kann. Ger­ade für Pots­dam wären solche Konzepte hil­fre­ich. Hat sich hier der Effekt des „reichen Nor­dens“ und des „armen Südens“ für dessen Benen­nung sein­erzeit Ober­bürg­er­meis­ter Platzeck schon viel Kri­tik ein­steck­en mußte, unter seinem Nach­fol­ger Jakobs doch poli­tisch gewollt weit­er ver­stärkt und beschleunigt.
Natür­lich hängt vieles an der Geset­zes­lage der Bun­desre­pub­lik und deren kon­se­quenter Umset­zung. Daß Boden ein endlich­es Gut ist und damit nicht als unbe­gren­zte Ware zu behan­deln, wurde höch­strichter­lich bere­its in den 60er Jahren in West­deutsch­land erkan­nt und in den 90ern nochmal bestätigt. Es inter­essiert nur nie­man­den. (In der DDR war Boden kon­se­quent bil­lig, um Stadt­pla­nun­gen nicht an dieser Kom­po­nente auszurichten.)
Wo Preise für Mieten steigen, gibt es höhere Div­i­dende. Und wenn, wie poli­tisch befördert, hohe Mieten zum Hauskauf führen, freut sich auch die Kred­itwirtschaft. In den Jahren 2008/09 führte die geplatzte Immo­bilien­blase weltweit zur Krise in der Banken­wirtschaft. Deutsch­lands Mietwirtschaft war recht gut dage­gen gesichert. Die näch­ste Immo­bilien­blase wer­den wir auch in Deutsch­land spüren.
Nicht alle wollen Speku­la­tion und die Fol­gen als Naturge­setz akzep­tieren und fordern Lösun­gen, die Woh­nungswirtschaft aus dem Sys­tem der Gewin­n­max­imierung her­auszulösen. Was gar nicht so rev­o­lu­tionär ist, weil es das vor eini­gen Jahrzehn­ten in West­deutsch­land noch gab. Wichtig wären heute umfassende Konzepte. Der erkennbare Wille, eine Lösung her­beizuführen, die den Woh­nungs­markt und Mieter entlastet.
Heute kann ein Mietrück­stand durch über­zo­gene Miet­min­derung oder Zahlungsverzug bere­its ohne Mah­nung zur Kündi­gung führen. Gefordert wurde am 20. Sep­tem­ber daher, daß man dem Mieter (wieder!) die Möglichkeit geben muß, dem Kündi­gungs­grund abzuhelfen, wenn ein Gericht das in einem Urteil so bes­timmt. Ähn­lich­es gilt bei Mietverzug. Sind bish­er auch die Job­cen­ter mit ein­er Vorauszahlung einge­sprun­gen, um einen Woh­nungsver­lust zu ver­mei­den, ist diese Art Unter­stützung heute lange keine Garantie mehr, daß die Kündi­gung aufge­hoben wird.
Andere üble Geschicht­en durch weit­ere Teil­nehmer des alter­na­tiv­en Woh­nungs­fo­rums waren schnell zur Hand. Als einzel­ner Mieter ist man oft nur noch den Prof­it­in­ter­essen im Wege, die eine regelmäßige Neu­ver­mi­etung mit entsprechen­der „Mietan­pas­sung“ ermöglicht. Die Ahn­dung von Kleinigkeit­en und über­zo­gene juris­tis­che Prozesse gegen die Mieter wer­den dann zur wirtschaftlichen Notwendigkeit, zer­mür­ben aber den einzelnen.
Die Forderun­gen für poli­tis­che Besserun­gen wur­den in ver­schiede­nen Arbeits­grup­pen ver­faßt, um sie dann vor dem Woh­nungs­gipfel der Bun­desregierung am 21.09.18 als konkrete Vorschläge zu unter­bre­it­en. Natür­lich sind wed­er SPD noch CDU soziale Parteien, die so etwas in ihr Pro­gramm übernehmen wür­den. Doch kön­nte der Druck der Straße etwas gegen die mas­sive Lob­b­yarbeit der Immo­bilien­wirtschaft ausrichten?
Auch die Kom­munen kön­nen dur­chaus ihren Beitrag leis­ten, starke Fehlen­twick­lun­gen lokal zu ver­hin­dern. Hierzu gehört, daß städtis­ch­er Boden nur in Erb­pacht vergeben wird, auf keinen Fall aber verkauft. Es sind nur in dem Fall über­haupt die Grund­stücke der Kom­munen abzugeben, wenn darauf Auf­gaben erfüllt wer­den, zu welchen die Kom­mune sich selb­st nicht in der Lage sieht. Hierzu gehören vor allem soziale Ein­rich­tun­gen. Ein kom­mu­naler Ver­mi­eter hat dämpfend und nicht treibend auf den Miet­spiegel einzuwirken und auf keinen Fall Teile seines Bestandes zu verkaufen. Auch eine wert­er­hal­tende Sanierung, die nicht gle­ich Luxu­s­sanierung mit Luxu­s­preisen bedeutet, ist kom­mu­nalen Ver­mi­etern dur­chaus zuzu­muten. Die Mieter in kom­mu­nalen Ver­mi­etern müssen ein verbindlich­es Mitbes­tim­mungsrecht haben, gle­ichzeit­ig muß die Kom­mune als Eigen­tümer poli­tisch Ein­fluß auf ihr Unternehmen ausüben. Die Kom­mune hat außer­dem neue Grund­stücke, soweit es die Speku­la­tion­spreise sin­nvoll erscheinen lassen, wieder zu erwer­ben. Und wo schon Miet­spiegel sein müssen, sollen Woh­nun­gen aus dem Luxus-Seg­ment keinen Ein­fluß darauf nehmen. Auf die Weise ließen sich schon die größten Preistreiber ausklammern.
In Pots­dam läßt sich beobacht­en, wie es nicht zu sein hat. So gün­stig wie die städtis­chen Filet­grund­stücke am Jungfernsee und ander­swo abgegeben wur­den, wird man sie nicht mehr in die öffentliche Hand bekom­men. Statt dessen wird verkauft, was noch da ist, die Preiss­chraube für Mieter zieht weit­er an, die Spal­tung des Stadt­ge­bi­etes in Arm und Reich geht erkennbar weit­er. Auch in Pots­dam befind­en sich lei­der keine sozialen Parteien in der Regierungsverantwortung.
Was bleibt, sind Mieterini­tia­tiv­en. Und Stiftun­gen, welche die Woh­nun­gen aufkaufen, um sie gemein­sam mit den Mietern zu betreiben und der Prof­itwirtschaft zu entziehen. Auch deren Vertreter waren in Berlin anwe­send. Und auch diese sind bere­its in Pots­dam aktiv. Wo es die Rathausspitze nicht mehr schafft, bezahlbaren Wohn­raum zu erhal­ten, haben sich längst Ini­tia­tiv­en zusam­menge­fun­den, um genau das zu erstreiten.
Grund­sät­zlich wur­den beim alter­na­tiv­en Woh­nungs­fo­rum in Berlin auch die Woh­nungsgenossen­schaften her­vorge­hoben, deren Ziel satzungs­gemäß in der sozialen Pflege und dem Aus­bau ihres Bestandes liegt. Es ist natür­lich schon bekan­nt, daß das Man­age­ment manch­er Genossen­schaften das inzwis­chen anders sieht und dazu überge­ht, „unwirtschaftliche“ Langzeit­mi­eter zu ver­drän­gen. Die satzungs­gemäße Pflicht zur demokratis­chen Beteili­gung der Mieter­schaft in Woh­nungsgenossen­schaften kann bei entsprechen­der Sol­i­darisierung der Genossen­schaftsmit­glieder jedoch vieles verän­dern – auch das Man­age­ment selbst.

  1. Die große Stärke des alter­na­tiv­en Woh­nungs­fo­rums offen­barte auch gle­ichzeit­ig seine Schwächen. Es war eine Leis­tung, bun­desweite Akteure in ein Haus zu bekom­men, von Erfol­gen zu hören und Hand­lungsvorschläge zu erar­beit­en. – Und es ist betrüblich, wenn schon Vertreter der Kreuzberg­er Ini­tia­tive nicht von Pots­dam wis­sen und entsprechend Vorschläge mit auf den Heimweg gaben, die alle­samt schon längst ver­wirk­licht sind. (Ein­bindung von Kun­st, alter­na­tive Medi­en abseits der offiziellen Jubel­presse, inten­sive Ver­net­zung ver­schieden­ster stadt­poli­tis­ch­er Akteure etc.) Nicht über­all hat der öffentliche Druck den gle­ichen Erfolg. Und in Pots­dam bedarf es noch sehr viel mehr Anstren­gun­gen, um das zu erre­ichen, was gegen unbe­stre­it­bare Wider­stände in Ham­burg, München und Kreuzberg bere­its geglückt ist. So zeigte der 20. Sep­tem­ber in Berlin, was in Pots­dam eigentlich schon alles auf die Beine gestellt wurde. Und wie viel noch zu tun ist, um die berechtigten Belange der Bürg­er auf die Agen­da der Rathaus­poli­tik und der bei­den Tageszeitun­gen zu heben. Daß der Ober­bürg­er­meis­ter Jakobs nun nicht mehr Teil der Alther­ren­riege zusam­men mit Sem­mel­haack, dem GEWO­BA-Chef, dem Stadtwerkechef, dem Luftschiffhafen-Chef und ähn­lichen ist, die in Hin­terz­im­mern Demokratie simulieren, stimmt opti­mistisch. Tat­säch­lich fand zulet­zt nur noch die Gewo­ba dankbare Worte für den schei­den­den Ober­bürg­er­meis­ter. Sie hat ihn auf die Titel­seite ihrer Mieterzeitung geset­zt und sog­ar eigens für ihn den Jann-Jakobs-Preis erfun­den und ihm ver­liehen. Es bleibt jedoch auch ohne ihn noch harte Arbeit, aus Pots­dam eine Stadt zu machen, in der das Wohnen wieder Grun­drecht ist und kein teur­er Luxus-Artikel.

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