Die WM ist vorbei, das Notruf-Telefon »World Cup Racism Help Line«
beendet seine Arbeit und zieht Bilanz: in Berlin und Brandenburg wurden
in der Zeit der WM 20 rechte und rassistische Vorfälle gezählt. Zehn
standen in direktem Bezug zur WM, die andere Hälfte spiegelt die
Realität alltäglicher rassistischer Gewalt wider. Von einer hohen, nicht
zu ermittelnden Dunkelziffer kann ausgegangen werden.
Zu den wohl schwersten Angriffen während der WM gehört ein Überfall auf
eine Gruppe von alternativen Jugendlichen in Schönefeld am 18. Juni, bei
dem ein 15-jähriger Jugendlicher äthiopischer Herkunft durch einen
Steinwurf schwer verletzt wurde. Von der »Fan-Meile«in Frankfurt (Oder)
gingen nach dem kleinen Finale Deutschland-Portugal zwei Angriffe von
Nazi-Hooligans auf Linke aus. An drei der bekannt gewordenen Übergriffe
waren Polizisten beteiligt: bei rassistischen Kontrollen in Hinblick auf
die sog. Residenzpflicht oder als Gewalttäter in Uniform. Ein weiteres
Beispiel von staatlichem Rassismus war das Einreiseverbot von
Streetfootball-Mannschaften aus Ghana und Nigeria.
Die im Vorfeld der WM geäußerten Befürchtungen imageschädigender
Ausschreitungen haben sich nicht bestätigt. Die angekündigte Demo von
NPD und Neonazis in Leipzig wurde abgesagt. Die Hooligan-Gewalt wurde
mit polizeilicher Repression weitgehend eingedämmt, zum Preis einer
weiteren Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten. Rassistische
Übergriffe bewegten sich auf dem Niveau der »Normalität«, die jedoch in
keiner Weise hinnehmbar ist. In der öffentlichen Wahrnehmung wurden
diese Erfahrungen völlig vom »Party-otismus« überdeckt. Nach der WM wird
die »Normalität« der rassistischen Gewalt weitergehen.
An dem Projekt »World Cup Racism Help Line« haben sich rund 200 Menschen
ehrenamtlich beteiligt. Sie haben zehntausende Flyer verteilt, vor dem
Stadion und an den Public Viewing Areas, um die Notruf-Nummern bekannt
zu machen. Dutzende von HelferInnen waren an den Telefonen für sechs
verschiedene Sprachen in Bereitschaft. Wir freuen uns, dass wir nur in
sehr wenigen Fällen helfen mussten. Für die HelferInnen war das Projekt
eine wichtige Erfahrung: ein öffentliches Signal praktischer
Solidarität; die Zusammenarbeit von MigrantInnen, Flüchtlingen,
deutschen AktivistInnen und Einzelpersonen; die Auseinandersetzung mit
dem rassistischen Alltag. Das beispielhafte Projekt hat sich gelohnt, so
die einhellige Meinung der Beteiligten.
Die Chronologie rassistischer Angriffe in Berlin und Brandenburg während
der WM kann auf der Website www.racismhelpline.de eingesehen werden.