Wünsdorf — Der Schein der Taschenlampe erhellt Betonwände im Halbdunkel, aus denen achtlos herausgerissene Kabel hängen. Aus bloßem Mauerwerk ragen verrostete Eisenhalterungen hervor, und auf dem Boden stehen alte Holzkisten mit russischer Schrift. Der ehemalige Luftverteidigungsbunker “UK 20” der russischen Streitkräfte in Wünsdorf südlich von Berlin verrät auf den ersten Blick nichts von seiner früheren Bedeutung.
“Hier hingen Bildschirme, mit denen die sowjetischen Streitkräfte über Radar den gesamten deutschen Luftraum kontrollierten”, sagt Werner Borchert, Geschäftsführer der Bücherstadt Tourismus GmbH in Wünsdorf (Teltow-Fläming), und deutet auf eine etwa 15 Meter lange Wand. Die Sowjetarmee hatte in der Waldsiedlung zu DDR-Zeiten ihr Hauptquartier.
Erstmals seit dem Abzug der russischen Truppen vor elf Jahren ist der ehemalige Luftverteidigungsbunker wieder für die öffentlichkeit zugänglich. Führungen durch die insgesamt 55 Hektar großen Anlagen organisiert die Bücherstadt. Der Gang durch die Stollen, Keller und Schächte ist ein Höhepunkt im diesjährigen Programm. Schwerpunkt aller Veranstaltungen soll der 60. Jahrestag zum Kriegsende am 8. Mai 1945 sein.
“In Wünsdorf begann mit der Stationierung eines Panzerregiments die Vorbereitung der Wehrmacht auf den Zweiten Weltkrieg”, erläutert Borchert. Auf dem Gelände hatte seit Ende der 30er Jahre das Oberkommando des deutschen Heeres (OKH) sein Hauptquartier, von 1953 bis 1994 war es dann der Sitz des Oberkommandos der sowjetischen Streitkräfte.
Führungen unter Titeln wie “Vier-Bunker-Tour mit Lagerfeuer und Feldverpflegung” sollen Besuchern den Ausflug nach Wünsdorf schmackhaft machen. Nach dem Abstieg in die Unterwelt servieren die Veranstalter Soldateneintopf aus der Gulaschkanone. Die Tour “Auf den Spuren der Russen” führt in den Luftverteidigungsbunker UK 20, den Ausbildungsbunker “Panzir” und endet in der Offizierssauna. Ein weiterer Höhepunkt soll im April ein Seminar zum Thema “Deutsche Kriegsbunker als Friedensdenkmal im vereinten Europa” mit Vertretern aus Polen und Rußland werden. Zum Gedenken an die Opfer des Krieges ist ein Feldgottesdienst vorgesehen.
Neben den düsteren Bauten bietet Wünsdorf — nach eigenen Angaben Deutschlands größte Bücherstadt — 350 000 Bücher aller Wissensgebiete. “Wir merken, daß das Ensemble aus alten Büchern und Bunkern funktioniert”, meint Geschäftsführer Borchert. 35 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr, um sich die alten Anlagen anzugucken und in den insgesamt fünf Antiquariaten in alten Büchern zu stöbern. Die sichtbarste Verbindung von Bunkern und Büchern ist am 1. Februar mit der Eröffnung einer militärhistorischen Buchhandlung geplant.
Der Wehrmachts-Nachrichtenbunker “Zeppelin”, der anschließend zur Kommandozentrale der sowjetischen Streitkräfte umgebaut wurde, ist noch vollständig erhalten; bis zu 20 Meter tief geht es unter die Erde. Noch in diesem Jahr soll hier alte Nachrichten- und Funktechnik der Wehrmacht in die leeren Räume zurückkehren, um Besuchern einen authentischeren Eindruck von der frühren Atmosphäre in den Schutzkellern zu vermitteln.
Stolz weist Borchert auf die trockenen Wände und Räume. Seit Jahresbeginn ist das von den Sowjets eingebaute Lüftungssystem wieder in Betrieb und sorgt für ein deutlich angenehmeres Klima in den alten Schächten. Darüber hinaus wurden kürzlich weitere Ausgänge aus dem Labyrinth für Besucher geöffnet. dpa
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