(MAZ, 19.4.) FALKENSEE Sigurd Syversen (84) ist zurückgekehrt an diesen Ort. Mehr als 60
Jahre sind seitdem vergangen, da er mit der ersten Gruppe norwegischer
Zwangarbeiter nach Staaken und Falkensee gekommen war. Die SS hatte ihn aus
dem Konzentrationslager Sachsenhausen zur Leiharbeit abkommandiert. Zusammen
mit anderen Häftlingen sollte er für die Demag, die Deutsche Maschinen AG in
Falkensee, Baracken für ost€päische Zwangsarbeiter errichten, die dort
für Nazideutschland im Akkord Panzer und Munition zu produzieren hatten. “In
den ersten vier Monaten zählten wir bereits 31 Tote”, daran erinnerte
Syversen gestern im Geschichtspark, der vor zehn Jahren eben dort angelegt
worden war, wo sich einst das berüchtigte Außenlager befunden hatte. Unter
den Toten war auch Syversens engster Jugendfreund. Narben, die sich nie
gänzlich schließen werden.
An solchen Verwundungen leiden alle Überlebenden des Konzentrationslagers
Sachsenhausen oder eines seiner Außenlager. Gestern waren wohl an die
hundert aus Norwegen, Frankreich und Deutschland nach Falkensee gekommen, wo
sie Bürgermeister Jürgen Bigalke (SPD) mit bewegenden Worten empfing:
“Franzosen und Norweger, aber auch Belgier, Niederländer, Dänen, Polen,
Russen, Ukrainer, Spanier, Tschechen, Griechen und Deutsche, ja ganz Europa
musste hier leiden”, sagte Bigalke und mahnte: “Auch nach 60 Jahren ist es
wichtig daran zu erinnern, was Menschen einst Menschen angetan haben.” Dies
müsse immer wieder von neuem formuliert werden, zumal seit dem Ende jenes
unsäglichen Krieges kein Tag vergangen sei, da nicht Menschen ihre
Menschenbrüder unterdrückt und umgebracht hätten.
Während der Gedenkveranstaltung am Mahnmal im Geschichtspark, an der neben
ehemaligen Häftlingen auch gut hundert Bürger der Region teilgenommen
hatten, enthüllte der Norweger Sigurd Syversen namens des norwegischen
Vereins der politischen Gefangen 1940–1945 sichtlich bewegt eine weitere
Gedenktafel. Sie trägt die Inschrift: “Ehemalige norwegische Gefangene der
Lager Staaken/Falkensee ehren ihre Landsleute und danken diesen, die in den
Jahren von 1943 bis 1945 im Kampf gegen Unrecht und Nationalsozialismus mit
dem Leben büßen mussten.” Gestiftet wurde die Tafel von der norwegischen
Botschaft. Botschafter Bjørn Tore Godal, Militärattaché Oberst Svein Arndal
sowie Even Enge, Direktor im Militärdepartement Oslo, legten ein prächtiges
Gebinde aus leuchtend blauem Rittersporn und weißen Rosen nieder. Gebinde
stifteten auch die Botschaft Frankreichs, die Stadt Falkensee, der Landkreis
Havelland, PDS und VdN-Kameraden … Auch Michael Reimann aus Zeesen war
gekommen — jüngster Sohn des im KZ-Außenlager Falkensee internierten
deutschen Antifaschisten Max Reimann (1898–1977). Karl Stenzel war einer
seiner Weggefährten. Stenzel hatte das so genannte Dritte Reich nur in
dessen Gefängnissen erlebt. Nach sechs Jahren Zuchthaus war der
Jungkommunist aus Leipzig als Vorarbeiter nach Falkensee kommandiert worden.
Gestern führte den fast 90-Jährigen der Weg an jene Stätte, wo er vor 60
Jahren, am 26. April 1945, endlich den Schritt in ein freies Leben vollzog.