Wunsch nach Toleranz, Respekt und Freundschaft
(LR, 6.10.) Es gibt viele Fragen, die die Deutschen aus Russland, die so genannten
Spätaussiedler, bewegen und die sich die Einheimischen stellen. Um sich
näher zu kommen und gedanklich auszutauschen fand im Rahmen der
Interkulturellen Woche eine Diskussionsrunde zur Situation eben dieser
Menschen statt.
“Integrieren statt ignorieren!” Mit diesen Worten schloss sich die
Ausländerbeauftrage Monika Wagschal der Begrüßung von Susanne Kschenka,
Mitarbeiterin der Regionalstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und
Schule (RAA), an. In die Runde der Spätaussiedler gefragt, in welchem Gebiet
der ehemaligen Sowjetunion sie geboren worden sind und welches Schicksal sie
und ihre Eltern erlebt hätten, davon erzählten unter anderem Jakob Kamke,
Julia Plotnikow und Valentina Naidenkow. In vielem glich sich ihr Lebensweg:
Weil sie Deutsche waren durften sie ihre Muttersprache nicht sprechen und
wurden immer wieder vertrieben.
Dies hing insbesondere mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die
Sowjetunion zusammen. Auch nach dem Sieg der Roten Armee hatten sie unter
Stalin zu leiden. Leichte Verbesserungen traten ein, nachdem Adenauer 1955
in Moskau bei Chruschtschow weilte und neben den Kriegsgefangenenproblem
auch das der Russland-Deutschen angesprochen hatte. Dennoch konnten sie in
ihre alte Heimat nicht zurück und blieben Feinde im eigenen Land. 500 000
Russland-Deutsche haben Verschleppung und die Trud-Armee (Arbeitsarmee in
der unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsabeit geleistet werden musste)
nicht überlebt. Matthias Frahnow, Evangelischer Flüchtlingsseelsorger der
Landesaufnahme Peitz, kannte viele Beispiele.
So kämen die älteren Menschen heute noch nicht mit dem Erlebten zurecht. Von
vielen Beispielen konnte er berichten. Und wer von diesen Schicksalen weiß,
stellt nicht mehr die Frage: “Warum kommt Ihr nach Deutschland?” Die
Russland-Deutschen fühlen sich als Deutsche und wollen auch so behandelt
werden. Zweifellos ist es für die jungen Leute schwierig sich zurecht zu
finden, für die älteren Leute ist es aber noch viel schwieriger. An erster
Stelle stehen die Sprachbarrieren, an zweiter die nicht anerkannte
Ausbildung. Letztendlich bemühten sich alle Teilnehmer der Gesprächsrunde
darum, heraus zu finden, was sie sich voneinander wünschen. Und die Wünsche
lauteten: Gegenseitiger Respekt, Toleranz, annehmen wie man ist, arbeiten
und studieren können wie “deutsche Leute”, und die Jugendlichen sollten
gemeinsam etwas tun und Freundschaften pflegen.
Bernd Höer mahnte das Selbstbewusstsein der Jugendlichen an, sie sollten die
Angebote der Freizeiteinrichtungen der Stadt mehr annehmen als bisher. Doris
Dreßler forderte, die Aussiedler sollten die Angebote in den Vereinen besser
nutzen und Susanne Kschenkas Vorschlag lautete, die offenen und versteckten
Diskriminierungen müssten weniger werden.