Plädoyers im Verfahren zum grausamen Mord an Marinus Schöberl frühestens am
9. September
(5.9) Neuruppin. Der Termin war ungewöhnlich. An einem Sonnabend verhandelt in
Deutschland normalerweise kein Gericht, doch im Prozess um den grausamen
Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl in Potzlow wurde jetzt eine
Ausnahme gemacht. Die Große Jugendkammer des Landgerichts Neuruppin lud für
gestern Morgen zwei Zeugen, weil sich die Prozessparteien auf keinen anderen
Wochentag einigen konnten. Hätte die Strafkammer den Sonnabend nicht
genutzt, wäre womöglich der Prozess geplatzt. Denn maximal zehn Tage nach
einem Verhandlungstermin muss der nächste stattfinden. Zuletzt war am 21.
August verhandelt worden.
Die Probleme bei der Terminwahl illustrieren auch, wie kompliziert sich
dieses Verfahren entgegen aller Erwartung gestaltet. Ursprünglich wollte die
Kammer in dem Prozess, der am 26. Mai begonnen hatte, schon am 18. Juni das
Urteil sprechen. Denn der Fall an sich scheint klar: Die drei rechtsextremen
Angeklagten, das Brüderpaar Marcel (18) und Marco S. (24) sowie Sebastian F.
(18), haben in der Nacht zum 13. Juli 2002 den zur Hiphopper-Szene zählenden
Marinus Schöberl mit einer kaum zu schildernden Brutalität misshandelt. In
einem Schweinestall musste der bereits schwer gezeichnete Schöberl in die
Kante eines Betontrogs beißen. Dann sprang Marcel S. mit seinen
Springerstiefeln und voller Wucht gegen den Hinterkopf des Opfers. Marcel S.
imitierte den “Bordsteinkick”, den er in einem Film gesehen hatte.
Marcel S. hat, das bestätigte auch gestern ein Polizist vor Gericht, den
“Bordsteinkick” schon kurz nach der Festnahme im November gestanden. Doch
der Verteidiger des Heranwachsenden und die Anwälte der beiden anderen
Angeklagten halten der Polizei seit Juni vor, sie habe einen schweren Fehler
gemacht: Marcel S. und Sebastian F. sei das ihnen laut Jugendgerichtsgesetz
zustehende Recht verwehrt worden, sich in Anwesenheit ihrer Eltern vernehmen
zu lassen. Nach Ansicht der Verteidiger dürfen deshalb das Geständnis von
Marcel S. und die Aussagen von Sebastian F. gegenüber der Polizei nicht im
Prozess verwertet werden.
Die Jugendkammer unter Vorsitz von Richterin Ria Becher sieht das anders. So
kam es zu einem wochenlangen Hickhack, im Juli überzogen die drei
Verteidiger die Kammer mit Befangenheitsanträgen. Diese lehnte eine andere
Kammer des Landgerichts im August ab. Seitdem, so scheint es, wird der
weiterschwelende Streit über Terminprobleme ausgetragen.
Nur mühsam konnte Becher gestern nach zwei Zeugenaussagen, die nicht viel
erbrachten, mögliche Daten für die Plädoyers ansetzen. Sie sollen am 9. und
10. September vorgetragen werden. Vielleicht wird dann am 18. ein Urteil
gefällt.