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Zugverspätung rettete Leben

(20.02.04, Von Frank Jansen) Pots­dam. Dass die Unpünk­tlichkeit der Bahn einen pos­i­tiv­en Effekt haben
kön­nte, geschweige denn ein Leben ret­tet, erscheint kaum vorstell­bar. Doch was sich am 23. März 2003 auf dem Bahn­hof Rehbrücke am Rande Pots­dams abspielte, endete wohl nur dank ein­er typ­is­chen Zugver­spä­tung nicht in einer
tödlichen Tragödie. Der Recht­sex­trem­ist Heiko G. hat, das ste­ht für die Pots­damer Staat­san­waltschaft fest, zusam­men mit zwei Kumpa­nen den jun­gen Linken XXX erst geschla­gen, getreten und erpresst. Das war etwa gegen
2 Uhr 20 — und mit den Worten “ab mit dir auf die Gleise” soll G. das Opfer auf die Schienen gestoßen haben. Um 2 Uhr 24 hätte der Region­alzug Berlin-Belzig in Rehbrücke ankom­men sollen. Auf dem Gleis, auf dem der
blu­tende XXX lag. Doch der Zug erschien, das hat der Anwalt des Opfers recher­chiert, erst um 2 Uhr 58. Da war XXX in Sicher­heit und die Polizei schon am Tatort. 

Heiko G. muss sich seit gestern vor dem Landgericht Pots­dam ver­ant­worten. Die Ver­fahren gegen die mut­maßlichen Mit­täter wur­den abge­tren­nt, da sie als weit weniger belastet gel­ten. Der 27 Jahre alte G. hinge­gen ist nach Ansicht
von Sicher­heit­sex­perten “ein psy­chopathis­ch­er Schläger­typ”. Acht Urteile erwäh­nt Staat­san­walt Peter Petersen, Richter Heinz-Jörg Tie­mann zählt aus einem “ganz schön beein­druck­enden Strafreg­is­ter” auf: schwere Brandstiftung,
Ver­stoß gegen das Waf­fenge­setz, gefährliche Kör­per­ver­let­zung, Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte, Fahren ohne Fahrerlaub­nis. Der Angeklagte
selb­st, kurzgeschoren und bis zum Schädel tätowiert, berichtet ungerührt von
mehreren Jahren Haft. Wie kon­nte das alles passieren, fragt der Richter. Heiko G.: “Det passiert dann halt irgendwie.” 

In der Nacht zum 23. März will G. aber zur Tatzeit gar nicht am Bahn­hof Rehbrücke gewe­sen sein. Das Opfer erin­nert sich anders: G. und seine Fre­unde hät­ten ihn mit einem Totschläger geprügelt, getreten und ihre Knie ins
Gesicht ger­ammt. Heiko G. habe auch ver­sucht, ihm auf ein­er Wange eine Zigarette auszu­drück­en, sagt der schmächtige, punkig frisierte B., den zahlre­iche Linke ins Gericht begleit­et haben. Der 19-Jährige weiß auch noch,
G. habe “Geld, Handy, Zigaret­ten” ver­langt. “Ich hab ihm Zigaret­ten gegeben”, sagt XXX, trotz­dem sei er von G. auf das Gleis “geschmis­sen” wor­den. Dort gelang es XXX, per Handy die Polizei zu rufen. Kurz bevor die
Beamten ein­trafen, zog dann ein­er der Schläger das Opfer von den Schienen auf den Bahn­steig. Ein Ret­tungswa­gen brachte XXX ins Kranken­haus. Die Ärzte diag­nos­tizierten unter anderem einen Nasen­bein­bruch, Platzwun­den und Prellungen. 

Gegen Heiko G. liegt noch ein zweit­er Anklagepunkt vor. Die
Staat­san­waltschaft sagt, G. habe am 18. Jan­u­ar 2003 in sein­er Woh­nung einer
Frau eine Bier­flasche an den Kopf gewor­fen. Der Angeklagte meint, ihm sei
eine Flasche “aus­gerutscht” — ohne zu tre­f­fen. Dass die Frau Verletzungen
nahe der Augen erlitt, erk­lärt G. mit dem Wurf ein­er Flasche durch einen
Bekan­nten “von hinten”. 

Auf der recht­en Hand von Heiko G. sind SS-Runen ein­tä­towiert. Staatsanwalt
Petersen herrscht ihn an: “Machen Sie den Dreck weg!” — und leit­et ein
Ermit­tlungsver­fahren wegen Ver­wen­dung von Kennze­ichen verfassungswidriger
Organ­i­sa­tio­nen ein. Heiko G. klebt in der Pause ein Pflaster über die Runen.
Dann set­zt er sich wieder in den Gerichtssaal und ver­schränkt gelassen die
Arme.

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