Die Junge Union veranstaltet heute in Frankfurt ihre sogenannte Novemberkonferenz zum Thema Linksextremismus. Der Begriff und seine Verwendung sind wegen der ihn begleitenden politischen Implikationen schwierig und umstritten. Er hat keine exakte Definition und ist weitgehend Auslegungssache. Wer gesellschaftliche Missstände oder das Handeln der Regierung kritisiert, kann als linksextrem eingestuft und ausgegrenzt werden. Kritisches Denken und emanzipatorische Theorien drohen dadurch delegimiert zu werden. Die politische Funktion des Extremismusbegriffes ist die Aufrechterhaltung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Ihre Vertreter nehmen die Gesellschaft als gegeben und gut an, die mit Hilfe des Begriffes konstruierte Mitte scheint ihnen moralisch und ethisch per Definition über jeden Zweifel erhaben zu sein. Dass eine solche, die bestehenden Verhältnisse unkritisch abnickende Theorie unweigerlich mit der Wirklichkeit in Konflikt gerät, ist wenig verwunderlich. Untersuchungen wie etwa die seit 2002 laufende Studie “Rechtsextremismus der Mitte“ von Decker, Kiess und Brähler zeigen deutlich, wie weit verbreitet zum Beispiel rechtsradikales, rassistisches und völkisches Denken in Deutschland ist. Solche Einstellungen als Randphänomene zu beschreiben, geht an der gesellschaftlichen Realität vorbei. Das Erstarken von Pegida oder AFD macht deutlich, dass diese Einstellungen zunehmend auch eine Entsprechung in radikalen politischen Organisationen finden. Dafür sind auch die großen politischen Parteien der Mitte verantwortlich: etwa durch eine ungerechte Sozialpolitik via Hartz 4 Reformen, drastische Einschränkungen des Asylrechts und eine mangelhafte Aufklärungsbereitschaft nach den Morden der rechten Terrorgruppe NSU.
Durch die Verwendung des Begriffs Extremismus werden rechte und linke Theorie und Praxis weitgehend gleichgesetzt, wobei offensichtliche Unterschiede ausgeblendet und verleugnet werden, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Während linke Bewegungen universalistisch sind und die Befreiungen aller Menschen von Zwang, Unrecht und Ausbeutung zum Ziel haben, setzen rechte auf Abgrenzung und eine Politik des Unterschieds. Für gesellschaftliche Verwerfungen werden von linken Organisationen strukturelle Ursachen wie ein unsolidarisches und ungerechtes Wirtschaftssystem, Unterdrückungsverhältnisse wie Rassismus und Sexismus verantwortlich gemacht. Rechte Bewegungen präsentieren gern Sündenböcke: Wahlweise sind Ausländer, Juden oder „die Politiker“ schuld. Wer solche grundlegenden Unterschiede in den Politikansätzen und der Theorie von links und rechts leugnet, spielt, bewusst oder unbewusst, dem Aufstieg der radikalen Rechten in Deutschland und Europa in die Karten und stellt sich in die Tradition antikommunistischer Agitation. Diese diente historisch zur Ausgrenzung politischer Bewegungen, die den Kapitalismus als ungerecht begriffen und ein solidarisches Wirtschaftssystem und eine auf Solidarität basierende Gesellschaft anstrebten. Der Antikommunismus war wesentlicher Bestandteil der faschistischen Bewegungen etwa in Deutschland, Italien und Spanien. Oftmals war er antisemitisch geprägt, weil hinter der kommunistischen Bewegung angeblich eine jüdische Verschwörung steckte. Auch heute hat er die Funktion, gesellschaftliche Bewegungen zu diskreditieren, die Kritik am bestehenden wirtschaftlichen und politischen System äußern. Bei der derzeitigen Lage der Welt, die von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krisen gekennzeichnet ist, sind grundsätzliche Kritik und das Nachdenken über gesellschaftliche Alternativen allerdings dringend erforderlich. Wer sich einem solchen notwendigen Dialog durch die Ausgrenzung als linksextremistisch verleumdneter Ansichten verschließt, wird nur die Option haben sich weiter in der Affirmation des Bestehenden zu üben und die Augen vor den drängenden Fragen der Gegenwart zu verschließen.
„Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche. Der Kommunismus ist als Vision viel älter als der Marxismus und enthält auch wieder Elemente, die erst einer Zukunftswelt angehören. […] Der Zukunft aber gehört er insofern an, als die Welt die nach uns kommt, in der unsere Kinder und Enkel leben werden, und die langsam ihre Umrisse zu enthüllen beginnt, schwerlich ohne kommunistische Züge vorzustellen ist, das heißt, ohne die Grundidee des gemeinsamen Besitz- und Genußrechts an den Gütern der Erde, ohne fortschreitende Einebnung der Klassenunterschiede, ohne des Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle.“
Quelle:
Thomas Mann, Eine Materialsammlung für Festveranstaltungen zum 80. Geburtstag des Dichters, Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Berlin, 1955, S.103. Aus: DER ANTIBOLSCHEWISMUS – DIE GRUNDTORHEIT UNSERER EPOCHE. (1946)
Wie auch du zum Linksextremisten/ Linksextremistin werden kannst (Quelle: www.verfassungsschutz.de):
— du hast einen Hang zur Gerechtigkeit
— du willst die Umwelt schützen
— du meinst nicht, dass die Reichen immer reicher und die Armen noch ärmer werden sollten
— du bist gegen Ausbeutung und Ungleichheit
— du glaubst, dass Sexismus und Homophobie ungerecht sind
— du engagierst dich gegen Nazis
— du engagierst dich im Tierschutz
Danke für dein Interesse sagt der Rotkehlchen e.V. Brandenburg /AG für kritisches Denken und linksextrem-is-Muss.