(LR, 4.6.) «Im extrem rechten Spektrum gibt es offenbar eine neue Strategie – den Marsch durch die Institutionen.»
So lautet der Kommentar des Berliner Politikwissenschaftlers und Rechtsextremismus-Experten Richard Stöss zu einem Vorgang, der derzeit für Unruhe und Empörung in und außerhalb des Brandenburger Journalistenverbands (DJV) sorgt. Es geht um eine Personalie in der Führung der
Journalistengewerkschaft, die im Land Brandenburg rund 1000 Mitglieder zählt.
Auf dem jüngsten Verbandstag am 15. Mai ist eine schillernde Figur zum Vize-Landesvorsitzenden des Brandenburger DJV gewählt worden. Ihr Name: Torsten Witt. In Berlin ist er kein Unbekannter. Zunächst dem nationalkonservativen Flügel der FDP angehörend, war Witt Landesvorsitzender, später sogar nach eigenen Angaben kurze Zeit Vize-Bundesvorsitzender des rechtskonservativen «Bundes Freier Bürger» , der wegen enger Kontakte zur rechtsextremen Szene im Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 1999 erwähnt war. Vorwurf: latente Fremdenfeindlichkeit
und antisemitische Tendenzen.
Lob von rechter Zeitschrift
Die Zeitschrift «Nation und Europa» , ein führendes Blatt der rechtsextremen Szene, schrieb im Jahr 1999: «Mit beachtlichem Engagement kämpft der Berliner Landesverband des Bundes Freier Bürger unter Führung seines Vorsitzenden Torsten Witt gegen den Bau des Holocaust-Denkmals.»
Witt selbst rief damals, wie aus einer von ihm laut Impressum verantworteten Pressemitteilung aus dem Jahr 1999 hervorgeht, in Berlin zu Demonstrationen gegen das Holocaust-Mahnmal auf. Im Internet veröffentlichte Fotos zeigen ihn 1999 auf einer Demonstration gegen die doppelte Staatsbürgerschaft – gemeinsam mit dem späteren NPD-Aktivisten Horst Mahler.
Noch ungewöhnlicher aber sind die Begleitumstände der Wahl, die frühere Vorstandsmitglieder wie den Potsdamer Fotografen Matthias Littwin von einer «feindlichen Übernahme» sprechen lassen.
45 neue Mitglieder
Kurz vor der Wahl traten dem Brandenburger DJV 45 neue Mitglieder bei. Witt, seit Mitte der 90er-Jahre bereits Mitglied, habe das organisiert, darauf geachtet, dass Formalien eingehalten wurden, erinnert sich Littwin. Von
seiner Vita, sagt Ex-Vorstandsmitglied Andrea Metzler, «haben wir nichts gewusst. Wir waren blauäugig.» Das böse Erwachen sei erst nach dem traditionell nur gering besuchten Verbandstag erfolgt, auf dem die Neumitglieder plötzlich die Mehrheit hatten. In den DJV-Vorstand wurden neben Witt auch seine Berliner Firmenpartner Thomas Müller und Sören Patz
gewählt, beide wie er geschäftsführende Gesellschafter einer Berliner Medien- und Verlagsfirma.
Alle 45 «neuen» Brandenburger DJV-Mitglieder kamen vom Verband junger Journalisten (VJJ) aus Berlin, darunter auch dessen Vorsitzender Thomas Müller. Der frühere VJJ-Chef war Witt. Aus dem VJJ-Kuratorium war 1993 der damalige Berliner Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) demonstrativ ausgetreten. Er begründete dies mit ihm vorliegenden Informationen, wonach Witt in der Vergangenheit «über Jahre hinweg zumindest Kontakte zu der neuen rechtsextremen Szene in Deutschland gepflegt habe.» In dem Schreiben Krügers
heißt es: «Mir gibt die jahrelange Kontinuität ihrer sympathisierenden Verbindungen zu Personen und Institutionen des rechtsextremen Spektrums sehr zu denken.»
Gleichwohl bestreitet Witt vehement, die Strippen für die Vorstandsneuwahlen gezogen zu haben. Auch den Vorwurf rechtsextremer Tendenzen weist er zurück. «Ich bin sicher kein Sozialist. Ich bin ein Nationalliberaler» , sagt er
über sich. Mit der NPD oder den Republikanern habe er nichts zu tun, auch die Ansichten von Mahler teile er nicht. Rückendeckung bekommt er von dem mit Hilfe der Neumitglieder gewählten neuen DJV-Landesvorsitzenden Bernd Martin. «Jeder hat das Recht auf einen geistigen Irrtum» , sagt Martin zur
Vita von Witt, die ihm bekannt gewesen sei. «Gegen das Holocaust-Mahnmal waren auch andere.»
Empörung wächst
Ungeachtet dessen wächst die Empörung im Brandenburger DJV, wo viele Mitglieder erst jetzt von dem Wechsel der Führungsspitze erfahren: Der frühere Vorstand will über ein Mitgliederbegehren (Internetseite) einen außerordentlichen Verbandstag und vorzeitige Neuwahlen erzwingen.
Für den Vorsitzenden der Brandenburger Landespressekonferenz, den ZDF-Journalisten Peter Kranz, zeigt der Fall vor allem eins: «Solche
zweifelhaften Köpfe können es nur schaffen, wenn Mehrheiten ihnen erst
solche Lücken bieten.»