Der einstige Gubener Ratskeller hat viele und vieles gesehen. Das zwischen
1924 und 1944 geführte Gästebuch — als Kopie im Stadtarchiv vorhanden -
weist eine große Anzahl Eintragungen von Persönlichkeiten der Stadt sowie
von auswärtigen Besuchern auf.
Ein aufschlussreicher Eintrag findet sich unter dem Datum vom 3. Dezember
1933: «Im Osten steckt die Kraft unseres Volkes. Ich grüße den SA-Mann der
Ostmark, Edmund Heines, SA-Ob-Gruppenführer III.» Heines, einer der höchsten
Führer von Hitlers SA (Sturmabteilungen) im Rang eines Generals, zu diesem
Zeitpunkt gerade 36 Jahre alt, war zugleich Polizeipräsident von Breslau
geworden und erhielt dort zeitweilig einen Straßennamen, ähnlich wie
Gauleiter Kube in Guben. Als Führungsfigur im Raum Brandenburg/Schlesien
trat er bei zahlreichen Kundgebungen auf, so in Guben nach den
Novemberwahlen 1933. Hier hatte sich die SA-Standarte (= Regiment) 37, die
spätere Standarte 451, auf dem Gubener Flugplatz versammelt. Zu ihr gehörten
die Sturmabteilungen aus mehreren brandenburgischen Orten — unter anderem
Frankfurt (Oder), Forst, Crossen, Fürstenberg (Oder) — in einer Stärke von
6000 Mann.
Nach der Einweihung von sechs Sturmfahnen erfolgte der Abmarsch zum Gubener
Marktplatz, wobei — in Anwesenheit von Heines — SA-Stan dartenführer (=
Oberst) Ulrich Schulz-Sembten den Zug zu Pferde anführte. Heines dürfte dann
den Ratskeller aufgesucht haben, um den genannten Eintrag vorzunehmen.
Der Heimathistoriker Hartmut Schatte erwähnt Schulz-Sembten, Sohn des
Gutsbesitzers Max Schulz, als späteren Polizeipräsidenten von Wei
ßenfels/Saale, interniert von 1945 bis 1948 ( «Geschichte Groß Drewitz» ,
Seite 159).
Im Konflikt mit Hitler
Edmund Heines selbst, Freiwilliger im Ersten Weltkrieg und danach an
Einsätzen im Freikorps Roßbach beteiligt, bewährte sich in der NSDAP und in
der SA als Stellvertreter des Stabschefs Ernst Röhm, vermutlich beide
Mitorganisatoren des Reichstagsbrandes. Röhm und andere, die nach Hitlers
Machtübernahme eine Führungsrolle im militärischen Bereich beanspruchten (so
genannte Zweite Revolution), gerieten in Konflikt mit der Reichswehrführung,
auf deren Seite sich Hitler gestellt hatte. Dieser leitete am 30. Juni 1934
eine Mordaktion gegen die SA-Führung ein, bei der neben weiteren
Persönlichkeiten etwa 50 SA-Männer liquidiert wurden, darunter in München
Heines und Röhm, letzterer durch den SS-Führer Theodor Eicke erst am 1. Juli
1934.
Was in Guben geschah und wie die hiesige SA reagierte, ist bis heute
ungeklärt. Auffällig ist, dass die Ausgaben der «Gubener Zeitung» von Juli
1934 entfernt worden sein müssen. In den Kopien des Potsdamer Archivs sind
sie nicht nachlesbar. Am 22. Februar 1934 hatte die Zeitung einen Aufruf von
Siegfried Kasche, SA-Gruppenführer (Generalleutnant) der Ostmark, über die
Neugliederung der SA als «Heer der neuen Volksgemeinschaft» veröffentlicht.
Im Juli 1935 ist dann die Rede von einem hohen SA-Besuch in Guben durch
Gruppenführer Manthey auf dem Hindenburgplatz (heute Gubin). Der
stellvertretende Gubener NS-Kreisleiter Ebert sagte dort, dass die SA-Männer
keine Soldaten seien wie die Angehörigen der Wehrmacht, sondern Deutschland
gegen innere Feinde zu schützen hätten. Das war offensichtlich gegen die
einstige Röhm-Gruppe gerichtet. Und so geschah es, dass die «gereinigte» SA
auch in Guben zum Reichsparteitag in Nürnberg aufmarschieren und vor Hitler
paradieren durfte: «Vor dem Wagen standen der Stabschef Lutze (Nachfolger
von Röhm — d. Verf.), Göring, Heß, Pfeifer und Gruppenführer Manthey.» (
«Gubener Zeitung» , 17. September 1935). Wer nicht mehr erwähnt wird, ist
Gruppenführer Kasche. Hatte man ihn während der Röhm-Affäre beseitigt« Oder
fiel er in Ungnade»