Herzstück F_Antifa
Interview mit den Organisator*innen des F_Antifa Kongresses Potsdam
INFORIOT Das „F“ steht für Feminismus und ohne diesen kann Antifaschismus nicht bestehen. Und ein Feminismus ohne Antifaschismus „läuft nicht“. Dies sind die Leitideen des F_antifa Kongresses, der unter dem Motto „Vor jeder guten Antifa steht ein fettes F!“ vom 12. bis 14. Mai im freiLand Potsdam stattfinden soll. In Vorbereitung auf das Wochenende haben wir mit den Organisator*innen des dreitägigen Kongresses gesprochen.
IR: Auf eurer Webseite findet sich eine Menge an Informationen zum Kongress und drum herum. Uns würde interessieren, was euch dazu bewegt hat, den Kongress zu organisieren und warum eure Wahl ausgerechnet auf die Stadt Potsdam gefallen ist.
Trixi: Also erstmal sind Feminismus und Antifaschismus Herzstücke unserer politischen Arbeit. Die Kombi F_antifa ist also quasi PERFEKT.
Charles: In den 90ern gab es schon mal eine Reihe von F_antifa Kongressen, die ist aber irgendwann abgerissen. Der Kongress letztes Jahr in Hamburg wurde im Vorfeld von vielen als “Instanz” wahrgenommen und dankbar begrüszt* und auch wir kennen uns teilweise daher. Aus der f_antifaschistischen Motivation, die wir daraus mitgenommen haben, ist dann der Wunsch entstanden, die Themen und die Vernetzung weiterzutragen. Und auch Sachen anders zu machen, die wir auf dem Kongress in Hamburg uncool fanden. Die Entscheidung, den Kongress in Potsdam zu veranstalten, hat ganz pragmatische Gründe: Die Initiator*innen wohnen und leben hier. Auszerdem wollten wir es nicht in Berlin oder anderen (linken) Zentren wie Hamburg oder Leipzig machen.
IR: Wie waren denn die anderen Reaktionen auf eure Idee — bundesweit, vor allem aber in Brandenburg?
Trixi: Wir haben spannenderweise sehr unterschiedliche Reaktionen beobachtet: Das Feedback aus Österreich, der Schweiz und bundesweit, das wir mitgekriegt haben, war super positiv. Viele Menschen sind schon ganz aufgeregt und voller Vorfreude. Brandenburg können wir nur schwer einschätzen, da wir nicht überall hin vernetzt sind. Hoffentlich ändert sich das auf dem Kongress. WO wir vernetzt sind, sind wir zum einen auf Begeisterung gestoßen
— und auch auf tatkräftige Unterstützung bei Aufbau, Workshops und so. Zum anderen auf Skepsis. Es gibt immer wieder Momente, in denen Leute uns irgendwelche Kompetenzen absprechen. Wir fänden es spannend, daraus eine offene Diskussion zu machen: Wie kommen wir zu einer soliden kritisch-solidarischen Praxis, um Brandenburg ernsthaft f_antifaschistisch revoluzzen zu können? Da ist noch Platz nach oben. Auch in Potsdam selbst waren/ sind die Reaktionen sehr unterschiedlich. Viele Menschen freuen sich total und unterstützen den Kongress hart, insgesamt finden wir die Reaktionen aber eher mau und verhalten. Wir haben die Beobachtung gemacht: Je lokaler, desto kritischer und abcheckender wird die Haltung, die Aktivist*innen Projekten, die sie nicht selbst initiiert haben, gegenüber einnehmen. Vielleicht auch, weil mehr persönlicher Stissel im Spiel ist, donno.
Frida: Wer übrigens das F_antifa-Plakat an der Busse übermalt hat und dort das “F” vor “Antifa” weggekritzelt hat, melde sich bitte unter fettesf@systemli.org bei uns. Dann kriegste aufs Maul!
IR: Das Thema Feminismus scheint derzeit eine Hochkonjunktur zu erleben. Was zu beobachten ist. Das ist absolut überwältigend und unterstützenswert. Was erhofft ihr euch von dem Kongress?
Frida: Mehr davon! Mehr F_antifa! Mehr Kongresse, mehr Vernetzung, mehr Gruppen, mehr Aktionen, mehr Selbstverständlichkeiten.
Charles: Wir waren uns schon relativ am Anfang der Orga-Phase einig, dass die Stimmung, die wir uns erhoffen, von Empowerment und Angriff geprägt sein soll.
Trixi: Ja, wir haben keine Lust auf so’n “Opfer-Kongress”, wo wir uns nur gegenseitig erzählen, wie schlimm und hoffnungslos alles ist, und danach alle demotiviert und traurig und geschwächt nach Hause gehen.
Charles: Das Programm geht auch recht stark Richtung Alltagspraxis. Auf dem Kongress wird es mehrere Plena mit allen geben, es gibt Raum für Open Spaces, also insgesamt einen gewissen DIYCharakter (DIY = do it yourself). Schön wäre es, wenn sich die Teilnehmer*innen gegenseitig Skills und Wissen für ihre weitere politsche Arbeit mitgeben können: So, dass Antifas feministischer und Feminist*innen antifaschistischer werden.
IR: Bereits letztes Jahr fand in Hamburg ein ähnlicher F_antifa Kongress statt. Überschattet wurde das Wochenende jedoch von strukturellen Problemen der Antifa-Szene. Vor allem nicht-weiße Aktivist*innen fanden sich auf dem Kongress nicht ausreichend geschützt und gehört. Wie können wir von den Ereignissen aus Hamburg lernen und wie sieht eurer Strategie auf dem Kongress aus, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen?
Trixi: Einige von uns (weisze Personen) waren in Hamburg. Wir haben dort viel gelernt. Danke, dass F_antifas of Colour sich den Stress gemacht haben, zu intervenieren, Kritik offen zu äuszern, und durchzufighten, dass es die Reflektion zu systematischem und strukturellem Rassismus in der Antifa/in feministischen Communities gibt. Es ist natürlich jetzt etwas doof, das aus unserer Position so zu sagen, weil erstmal ja wieder Leute verletzt werden mussten, damit weisze Aktivist*innen was lernen — aber die Diskussion in Hamburg hat uns etwas beigebracht. Und jetzt sind wir trotzdem gar nicht gefeit davor, ähnliche Fehler zu machen, weil wir sind auch ein grösztenteils weiszes Orgateam und uns begegnen immer wieder rassistische Denkmuster in unseren Köpfen und rassistische Handlungsgewohnheiten. So intuitive NICHT-Solidaritäten und Maßstabsverschiebungen. Was wir versucht haben, umzusetzen: Es gibt einen Safer Space für PoC auf dem Kongress. Es hat mehrere antirassistische/intersektionale Workshops, darunter auch “Antiracism and Antifascism” desigend für weisz-sozialisierte Teilnehmer*innen. Wir haben die zutreffende Kritik bekommen, dass unser Programm zwar “Critical White” ist, aber wir damit wieder nur Workshops, in denen weisze Leute etwas lernen können, anbieten. Jetzt haben sich noch Personen gemeldet, die groszartigerweise einen Workshop zum Demontieren von internalisiertem Rassismus für PoC only machen bzw. überlegen eine Vernetzungsphase für FLTI of Colour only anzustiften. Auszerdem haben wir einmal pro Tag Plenum für alle, um Unwohlsein aufzufangen. Und dann hoffen wir auf eine solide Interventionskultur, wie in Hamburg. Unser Claim am Anfang war: „Wir wollen NEUE Fehler machen. Wenn wir das schaffen, sind wir auf nem guten Weg.“
IR: Auf eurer Homepage resümiert ihr, dass ihr es als eine Notwendigkeit erachtet „Sexismus in der Antifa weiterhin offensiv anzugehen“. Welche konkreten Maßnahmen wollt ihr auf den Kongress ergreifen, um beispielsweise Dominanzverhalten von „mackernden Cis-Typen“ entgegenzuwirken?
Trixi: Wir wetzen schon mal die Messer. Und es gibt Selbstverteidigungsworkshops.
Frida: Ernsthaft: Wir werden versuchen, in dem Einführungsvortrag eine Analyse anzubieten wie Mackrigkeit/Patriachat funktioniert und eine lebendige Interventionskultur vorzuschlagen. Dann bauen wir auf Solidarität und politische Erfahrung von teilnehmenden F*antifas. Zudem sind einige Workshops FLTI only, da werden Cis-Typen gar nicht erst reingelassen. Um Dominanzverhalten langfristig entgegen zu wirken werden Workshops zu Kritische Männlichkeit, zu Konsens, zu Reaktionsmöglichkeiten auf sexistische Machtscheisz… angeboten. Und vielleicht kann ja die eine oder andere im Workshop „Macker wegmoderieren“ noch was dazu lernen. (;
IR: Nach und nach wird auf eurer Homepage das Programm veröffentlicht und es scheint ein vielversprechendes Wochenende zu werden. Was sind eure persönlichen Highlights, auf die ihr euch sehr freut und welchen Teil des Programms würdet ihr Aktivist*innen besonders ans Herz legen?
Charles: Naja jetzt auf jeden Fall „Self care als F*antifaschistin“. Knapp am burn-out, oida.
Trixi: Wer Plenum macht wird umgebracht!!!
Frida: Prokrastination bis zur Revolution! Natürlich liegt uns alles am Herzen, logo. Unser programmatischer Ausgangspunkt war: Wir machen das auf dem Kongress, worauf wir selbst Bock haben. So ganz persönlich hab ich richtig Lust klassische Antifa-Skills im Recherche Workshop zu lernen. Und wir freuen uns auch riesig auf den geilen Scheisz der in den Open Spaces entstehen wird. Also bringt mit, was immer ihr mit anderen Menschen teilen wollt, initiiert Gesprächskreise oder worauf ihr sonst so Bock habt. Wir sind auszerdem sehr happy, dass wir tolle Menschen gewinnen konnten, bzw. Menschen auf uns zukamen, die einen “Braver space für Menschen mit jüdischer Geschichte”, “Selbstverteidigungstraining vom Rolli aus” sowie “Collective Healing from Opression (PoC only)”
anbieten.
Trixi: Ich bin schon richtig heiß auf “Basisdemokratische Gewerkschaftsarbeit als antifaschistische Perspektive” von der FAU Dresden und hoffentlich eine Diskussion darüber, wie mensch Gewerkschaftsarbeit feministischer rocken kann. Ich steh grad auf Struktur und Organiserung und radikale Gesamtscheisze-umwälzen-Ansätze.
Charles: Ich werde mir auf jeden Fall “How open are my politcal structures for refugee women” von Women in exile and friends gönnen und ein bisschen Ökonomiekritik darf auch nicht fehlen. Besonders freuen wir uns auch über unser fettesf Polit-Kulturprogramm, da gibt es z.B. eine Tanz-Performance zu Körpernormen in der NS-Zeit, einen queeren Kurzfilmabend und eine Vorführungeiner Romnja JugendTheatergruppe aus Berlin.
Frida: Wir sind selbst sau-gespannt, was dann letztendlich auf dem Wochenende passiert und wie es Leuten geht und was daraus entsteht. So Groszprojekte sind ja immer auch ein bisschen verunsichernd. Unterm Strich wird’s FETT.
Vielen Dank für das Interview!
Mehr Infos zu dem Kongress findet ihr unter: http://fettesf.blogsport.eu/
*Anmerkung der Redaktion: Die “sz” Schreibweise entspricht der Schreibweise, die sich die Interviewten Personen ausgesucht hatten und wird im Original übernommen.