INFORIOT — Zum 25. Mal jährt sich der Mord an Emil Wendland in Neuruppin. Am 01. Juli soll zum 25. Todestag eine Gedenkdemonstration in Neuruppin stattfinden.

Emil Wendland ist eines der 187 Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik nach 1990. Emil Wendland war obdachlos. Seine Peiniger haben ihn mit dem Vorsatz „Penner klatschen“ zu wollen im Neuruppiner Rosengarten erstochen. Seit mehreren Jahren versuchen Neonazis den Mord an Emil Wendland zu entpolitisieren und dies als eine Verrohungstat darzustellen.
Inforiot hat mit den Initiator_innen des Emil Wendland – Gedenkens über ihr Vorhaben gesprochen.
IR: Zunächst ein Mal würde es uns und unsere Leser_innen interessieren, wer ihr seid. Könnt ihr uns einen kleinen Überblick zu eurer Gruppe geben?
Wir sind ein Teil des JWP MittenDrin. Das MittenDrin ist ein linksalternativer Jugendclub, der nun mehr seit 23 Jahren in Neuruppin existiert. Durch eine Hausbesetzung 1993 durch Jugendliche, die sich einen solchen Freiraum wie wir ihn jetzt haben, wünschten, wurde das Projekt ins Leben gerufen. Die zentrale Arbeit des Vereins ist letztendlich einen Freiraum zu schaffen, zu erhalten und zu erweitern, der frei von Sexismus, Rassismus, Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit ist – so zusagen einen Raum für Alle zu bieten, um sich dort zu treffen, ihre Zeit zu verbringen und sich selbst und ihr soziales Zentrum zu organisieren.
IR: Was hat euch dazu bewegt zu der Kampagne aufzurufen und wie ist der Stand eurer Arbeit?
Seit 2012 gibt es nun bereits dieses Gedenken. Damals setzten sich Menschen mit den Todesopfern rechter Gewalt auseinander und stießen dort auf den 1992 ermordeten Emil Wendland. Der 20. Todestag wurde dann zum Anlass genommen, das Gedenken zu organisieren. Anfänglich gingen wir damals mit einer ganz klaren Forderung in die Kampagne und traten an die Stadt Neuruppin heran und forderten die Umbenennung einer Straße nach Emil Wendland. Letztlich wurde sich nach ewigem Hin und Her und hitzigen Debatten auf eine Gedenktafel geeinigt, die nun heute an dem Platz steht an dem er ermordet wurde. Vor 5 Jahren starteten wir das Gedenken ebenfalls mit einer Demonstration durch Neuruppin. Im Vorfeld gab es viele Informationsveranstaltungen in verschiedenen Läden der Stadt zur Thematik. In den letzten Jahren fand dann ein regelmäßiges Gedenken an seinem Todestag statt, in Form einer kleineren Kundgebung mit jeweils 50 Menschen. Anlässlich des 25. Todestages wollten wir das Thema „Opfer rechter Gewalt“ wieder mal mehr in den öffentlichen Focus der Stadt rücken, die Menschen die zu uns kommen über die Thematik aufklären und allen Opfern gedenken, um zu verhindern, dass niemand vergessen wird.
IR: Wie sah das Gedenken an Emil Wendland in Neuruppin zuvor aus?
Vor unserem Gedenken 2012 fand kein Gedenken an Emil Wendland statt.
IR: Habt ihr im Rahmen eurer Kampagne weitere Recherchen zu Emil Wendlands Leben unternommen? Falls ja, wie gestalteten sich diese und hattet ihr Schwierigkeiten an Informationen zu kommen?
Zu Beginn des Gedenkens recherchierten wir in den Archiven der lokalen Zeitungen nach Meldungen, die seinen Tod aber auch sein Leben betrafen. Viel war jedoch dort nicht zu finden. Es gab um den 1. Juli 1992 nur kurze Meldungen zu seinem Tod. Auch über sein Leben war nur wenig herauszufinden. Wir schalteten Anzeigen, um Personen ausfindig zu machen, die in irgendeiner Art und Weise ihn als Menschen beleuchten konnten. Es fanden sich jedoch nur Einzelpersonen, die nur wenig über Wendland erzählen konnten. Letztlich fanden wir in den Urteilsverkündungen, die notwendigen Information zu seinem Tod.
IR: Im Rahmen des Gedenkens soll nicht nur am 01. Juli eine Demonstration in Neuruppin stattfinden. Was ist von eurer Seite aus alles geplant?
Die Kampagne ist ja jetzt schon bald vorbei. In den letzten 2 Monaten organisierten wir jedoch verschiedenen Informationsveranstaltungen, die jedoch alle möglichen Themengebiete abgriffen. So fand eine Veranstaltung mit LGBTIQ Geflüchteten statt, die über ihr Leben in ihren Ländern und nach der Flucht in Deutschland erzählten. Weiterhin besuchte uns Bernd Langer und erzählte von seinem neuen Buch „Kunst & Kampf“. Eine weitere Veranstaltung zum Thema „Opfer rechter Gewalt“ ist noch geplant und außerdem hängt seit dem 24. Juni die Ausstellung „Todesopfer rechter Gewalt“ der Opferperspektive im Alten Gymnasium in Neuruppin. Im Vorfeld der Demo ist noch eine Podiumsdiskussion geplant, die sich mit der Frage beschäftigen soll, wie ein Gedenken an die Opfer gestaltet werden kann, regionsübergreifend und Hand in Hand mit anderen Gedenkinitiativen.
IR: Seit mehreren Jahren versuchen Neonazis um die Freien Kräfte Neuruppin das Gedenken zu Emil Wendland zu entpolitisieren und den Fall als eine Verrohungstat darzustellen. Wie wertet ihr diesen Vorstoß und ist dieses Jahr mit ähnlichen Störaktionen der Neonazis zu rechnen?
Uns machten deren Aktionen in Bezug auf Wendlands Tod völlig fassungslos. So eine Dreistigkeit zu besitzen und die Umstände so zu verdrehen und als Tat subkultureller Perspektivlosigkeit hinzustellen, macht uns wütend. Schwer zu sagen, wie man so etwas werten soll. Letztlich ist es nur ein weiterer Verzug von ihrer faschistischen Ideologie abzulenken und sich als bürgernah darzustellen, die damaligen Gegebenheiten der 90er Jahre klein zu reden und sich in die Öffentlichkeit zu rücken. Ihre Kundgebungen können jedenfalls nicht als Erfolg anerkannt werden. Fast jedes Jahr gab es gegen ihre Veranstaltungen mehrere Störaktionen. Wir wissen nicht, ob es in diesem Jahr wieder zu Aktionen der Nazis kommen wird – bisher halten sie sich jedenfalls verdeckt. In der Planung der Demonstration berücksichtigten wir die letzten Jahre natürlich und versuchen ihnen den Raum auf dem Schulplatz durch die Route zu nehmen. Flyeraktionen, wie in den letzten Jahren fanden bisher noch nicht statt. Generell sind die Freien Kräfte bis auf kleinere Aktionen in diesem Jahr sehr inaktiv, sowieso richten sie ihren Fokus kaum noch auf Neuruppin, da die meisten ihrer organisierten Demonstration blockiert werden und sie in Neuruppin keinen Fuß fassen konnten.
IR: Lange Zeit galt Emil Wendland als eines der Fälle, die durch die Bundesregierung offiziell nicht als Opfer rechter Gewalt galten. Nachdem eine Studie des Moses-Mendelssohn-Zentrums der Universität Potsdam den Fall untersucht hat und ihn als politisch eingeschätzte, zog dann das Brandenburger Innenministerium nach. Nun gilt Emil Wendland als „anerkannt“. Wie bewertet ihr die Studie und was hat sich mit der Anerkennung des Falls für eure Gedenkarbeit geändert?
Wir sind froh das Wendland nun anerkannt ist und finden es auch äußerst wichtig, dass er nun zu den offiziellen Opfern rechter Gewalt zählt. Letztlich soll es jedoch in unserer Arbeit nicht nur darum geht. Es gibt noch viel zu viele Fälle, die bis heute ungeklärt sind und wie wir denken, viel zu viele Menschen, die von Faschist_innen ermordet wurden und bis heute nicht anerkannt sind. Das machte die Ausstellung der Opferperspektive nun auch nochmal deutlich. Was jedoch eine Anerkennung nicht verhindern kann, ist, dass solche Taten weiterhin geschehen werden, gerade weil sich die Lage immer weiter zuspitzt und es nur eine Frage der Zeit ist, bis wieder Menschen durch Faschist_innen sterben werden. Deshalb ist es wichtig, unser Gedenken fort zuführen und nicht nur auf Emil Wendland zu richten sondern auf alle Opfer. Wir wünschen uns eine Zusammenarbeit mit allen anderen Gedenkinitiativen, so dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten und dieses Thema regelmäßig in der Öffentlichkeit steht.
Vielen Dank für das Interview!
Antifaschistische Demonstration in Gedenken an Emil Wendland:
01.06.2017 | 12:00 | Bhf. Neuruppin-West
Alle Informationen zur Kampagne: hier.