Cottbuser Justiz lässt Betroffene rechter und rassistischer Gewalt erneut im Stich
Der für gestern anberaumte Verhandlungstermin am Amtsgericht Cottbus
gegen Thomas Andy S., Neonazi und Kampfsportler aus Spremberg, wurde
erneut verschoben. Thomas Andy S. wird vorgeworfen, bereits im Dezember
2016 einen afghanischen Geflüchteten aus rassistischen Motiven
angegriffen und schwer verletzt zu haben. Der Geschädigte erlitt einen
Kieferbruch und leidet bis heute an den Tatfolgen.
„Wir sind in Gedanken bei dem Betroffenen der rassistischen Gewalttat
und wünschen ihm viel Kraft. Sein Leidensweg und der seiner Angehörigen
verlängert sich nun weiter“, erklärt Martin Vesely, Berater der
Opferperspektive. „Leider ist dies kein Einzelfall. Betroffene rechter
und rassistischer Gewalt verlieren den Glauben an die deutsche Justiz,
wenn sie mit der Realität im Gerichtsbezirk Cottbus konfrontiert werden.“
Der Betroffene hatte gemeinsam mit einem Verwandten eine Diskothek in
Spremberg besucht. Thomas Andy S. arbeitete an diesem Tag als Türsteher
der Diskothek. Nach dem Verlassen der Örtlichkeit sollen die Betroffenen
von Thomas Andy S. und einem unbekannt gebliebenen Mittäter mit dem Auto
verfolgt und abgepasst worden sein. Die Männer stiegen aus und schlugen
auf ihr Opfer ein. Der Geschädigte ist sich sicher, in den Angreifern
die Türsteher der zuvor besuchten Diskothek wiedererkannt zu haben.
Nun wurde der Termin zur Erstverhandlung am Amtsgericht bereits zum
dritten Mal verschoben. Es ist unwahrscheinlich, dass es noch im Jahr
2020 zu einer erneuten Ansetzung des Verfahrens kommt.
Thomas Andy S. ist Teil der extrem rechten Kampfsportszene im Raum
Cottbus. Für die „Kampfgemeinschaft Cottbus“ nahm er an neonazistischen
Kampfsportveranstaltungen wie dem „Kampf der Nibelungen“ und „Tiwaz –
der Kampf der freien Männer“ teil. Somit gilt er als Teil eben jenes
extrem rechten Netzwerks, gegen das sich im vergangenen Jahr eine
Groß-Razzia der Polizei richtete und bei dem gegen eine Vielzahl von
Tatverdächtigen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt
wird. Auch der im März diesen Jahres in Cottbus ermordete Martin M.
gehörte zu denselben Kreisen.
Die Ermittlungen gegen das rechte Netzwerk in Cottbus führten
tatsächlich zu einem Rückgang von Gewalttaten aus der organisierten
rechten Szene. Bereits kurz nach der Razzia äußerte die Opferperspektive
die Befürchtung, dass eventuell erzielte Erfolge bei fehlender
konsequenter Strafverfolgung durch die Justiz auf Sand gebaut sein
könnten. Der Anschlag auf das Privatauto der Grünen-Lokalpolitikerin
Barbara Dohmke am vergangenen Wochenende deutet aus Sicht der
Beratungsstelle darauf hin, dass diese Befürchtung nun Realität wird.
Das Versagen bei der gerichtlichen Aufarbeitung des rassistischen
Angriffs in Spremberg reiht sich ein in eine lange Liste verschleppter
Verfahren gegen rechte Gewalttäter im Gerichtsbezirk Cottbus. „In
Cottbus herrscht de facto Straffreiheit für rechte Gewalttäter. Der
Rechtsstaat ist im Raum Cottbus nicht in der Lage, Betroffene rechter
und rassistischer Gewalt zu schützen“, so Martin Vesely. „Mittlerweile
stellen wir uns die Frage, ob es im Gerichtsbezirk Cottbus überhaupt ein
Interesse an der Verfolgung extrem rechter Straftaten gibt. Bei
Staatsanwaltschaft und Gericht scheint eine Kultur des Desinteresses
vorzuherrschen.“