AfD im Kreistag Barnim
Zu den Kreistagswahlen 2019 wurde die AfD mit 15% zur drittstärksten Kraft im Barnim, nur knapp hinter CDU (16,2%) und DIE LINKE (15,9%). Im Kreistag Barnim sitzen nun acht AfD-Mitglieder.
Steffen John ist Beisitzer im Kreisverband. Der Karatelehrer aus Panketal ist eine zentrale Figur im Kreisverband. Er leitet die „Tora Shotokan“-Karateschule, eine Abteilung der SG Einheit Zepernick e.V., die in verschiedenen Städten im Barnim und in Berlin Karatekurse anbietet. Zudem arbeitet er als Referent für die AfD im Bundestag. Er tritt zu den Landtagswahlen als Direktkandidat an.
Hans Link ist Inhaber der Dedektei „Link Security“ in Bernau sowie des Boxvereins „G.T. Profi Link Boxing“, in welchem lokale Neonazis trainieren. 2017 nahm er an einer Demonstration der NPD gegen muslimische Gebetsräume in Bernau teil, zu den Rednern gehörte unter anderem der Berliner Neonazi und NPD-Kader Sebastian Schmidtke. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Link bereits der AfD an. [1] 2009 trat er für Peter Vidas Freie Wähler an, welche mit rechtsradikalen Verbindungen in die Presse gerieten. [2]
Neben ihm sitzt Marcel Donsch als Fraktionsvorsitzender im Kreistag. Der Sportschütze ist Vorsitzender des Ortsverbandes Panketal und wie John ein wichtiger Akteur im Kreisverband. Er sitzt für die AfD in der Gemeindevertretung Zepernick. Auf seiner mittlerweile gelöschten Facebookseite schwadronierte er in Bezug auf die alliierten Luftangriffe auf Dresden 1945 von einem „Bombenholocaust“. Dies ist ein bei Neonazis beliebter Begriff zur Relativierung der Shoa. Für Donsch ist der 8. Mai 1945 kein Tag der Befreiung, sondern in erster Linie ein Tag der Besatzung, wie wer auf Facebook mitteilt. Zudem benutzte er in internen Chats die Nazi-Parole „Alles für Deutschland!“. Diese, in Deutschland verbotene, Parole war die Losung der SA. Nachdem zusätzlich ein Bild der SS auf seinem – zu dieser Zeit angeblich gehackten – Facebook-Account gepostet wurde, wurde gegen ihn im Dezember 2018 ein Parteiausschlussverfahren eröffnet. Dies ist auch mit innerparteilichen Machtkämpfen zu erklären. Von den Vorwürfen distanziert sich Donsch halbherzig.
Klaus-Peter Kulack ist Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Kultur und war bis zum Februar 2018 Vorsitzender des Kreisverbandes. 2014 trat er für die Freien Wähler (BVB) um Peter Vida zur Kreistagswahl an. Der ehemalige Musik- und Deutschlehrer unterrichtete am Gymnasium Bernau und der Oberbarnim-Oberschule ist für seine rassistischen Reden auf AfD-Kundgebungen bekannt. Auf einer Demonstration in Eberswalde 2017 hetzte er nicht nur gegen Geflüchtete und Linke, sondern auch gegen die türkische Gemeinde in Deutschland, und sagt ganz klar „Wir sind eine antimuslimische Partei!“. In Bernau rief er auf einer AfD-Kundgebung im Jahr 2018 dazu auf, „dem Gesindel den Kampf anzusagen!“. Mit Tiermetaphern phantasierte er vom Kampf um die Straße: Die Deutschen sollten sich Zähne fletschende, „reißende Wölfe“ zum Vorbild nehmen, um die Bedrohung durch Geflüchtete („hergelaufene Nichtsnutze“) zu beenden. Ehemalige Schüler*innen drückten in einem offenen Brief ihr Entsetzen über die rassistischen Äußerungen ihres Lehrers aus.
Imre Kindel trat 2003 für die rechtspopulistische Schill-Partei zur Kreistagswahl an. Heiko Dicks sitzt bereits für die AfD im Ortsbeirat Zepernick, im Kreistag ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Heinz-Dieter Parys ist ebenfalls Stadtverordneter in Eberswalde.
Der Pensionär Norbert Bury aus Wandlitz trat 2019 nach 33 Jahren aus der CDU aus und für die AfD zur Kreistagswahl an. In seinem Berufsleben war er Leitender Polizeidirektor und Studiendekan an der Fachhochschule der Polizei Brandenburgs. Einblicke in sein politisches Denken gewährt er in einem Leserbrief an die „Preußische Allgemeine Zeitung“ vom 30. November 2018.
Dort lässt er sich über die Feierlichkeiten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Ausrufung der Republik aus. Dieser Tag sei kein Tag zum Feiern. In seinen Ausführungen lässt er die Dolchstoßlegende wieder aufleben: „Während noch unsere Soldaten tief im Feindesland standen, ihr Leben für ihr Vaterland einsetzten und kein feindlicher Soldat deutschen Boden betreten hatte (abgesehen von Masuren 1914), an der Heimatfront die Menschen alle Aufopferungen erbrachten, fielen diese ‚roten Gesellen‘ gemeinschaftlich dem ganzen Volk in den Rücken und attackierten die Staatsführung in Gestalt der Monarchie.“ Letztlich hätten diese „roten Gesellen“, also Republikaner*innen, Sozialdemokrat*innen und Komunist*innen, die er alle implizit als die „inneren Feinde des Volkes“ beschreibt, die Niederlage des Deutschen Reiches zu verantworten: „Damit lieferten sie uns unseren äußeren Feinden bedingungslos aus, was mit dem Wahnsinns Werk von Versailles endete.“ Kreativ wird Bury im letzten Abschnitt seiner geschichtsrevisionistischen Auslassungen. Hier führt er aus, dass diese „roten Gesellen“ auch Hitler und den Nationalsozialismus „hervorgebracht“ hätten. Bury ist offensichtlich kein Freund der Demokratie. Im Gegenteil, er trauert der „alten Ordnung“ nach: „[Es ist] nach 100 Jahren an der Zeit, die ideologische Verteufelung der Monarchie zu beenden und mit ehrlichem Bemühen die Verdienste zum Beispiel der Hohenzollern über Jahrhunderte hinweg für Preußen und dann schließlich für das gesamte Deutsche Reich zu würdigen.“ [3]
AfD in der SVV Eberswalde
Tilo Weingardt ist seit Mai der Vorsitzende des AfD Kreisverbandes. Er trat ebenso wie die Beisitzerin des Kreisverbands Imre Kindel zur Kreistagswahl 2003 für die rechtskonservative/-populistische Schill-Partei an, im September 2004 stand er auf der Landesliste selbiger. Zudem scheint er ein großer Freund der Zeitung „Junge Freiheit“ zu sein. Die Wochenzeitung ist ein maßgebliches Sprachrohr der neuen Rechten und stellt so ein Bindeglied zwischen Konservatismus und extremer Rechte dar. In einem seiner Leserbriefe schreibt er: „Die Linken wissen ganz genau, was sie tun und warum es ihnen so wichtig war, die National-Sozialisten den Rechten in die Schuhe zu schieben.“ Dass die Behauptung, der Nationalsozialismus sei keine rechte Ideologie und dementsprechend habe die Rechte nichts mit 12 Jahren Terror in Europa, Shoa und Kriegsverbrechen zu tun ist blanker Geschichtsrevisionismus. Es verwundert, dass Weingardt in seinem rechten Weltbild, die Konsequenzen dieser Ideologie nicht wahrhaben möchte. Ihm zufolge ist es Zeit für eine „begriffliche Umwertung“: „Rechts muß wieder als gut gelten, links wieder als schlecht“, schreibt er. Weingardt ist „Abteilungsleiter Schach“ des SV Motor Eberswalde, aktuell findet jedoch kein regelmäßiges Training statt. Anscheinend arbeitet er für den Bundesvorstand der AfD.
Ein weiterer AfDler mit überaus problematischem Verhältnis zum Nationalsozialismus ist Thomas Krieg. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbands und ebenfalls Mitglied der Eberswalder Stadtverordnetenversammlung. Er betreibt den Copyshop „Druckexpress“ in der Eisenbahnstraße 86 in Eberswalde. Von dort aus verbreitet er Nazi- und AfD-Propaganda. Er druckt beispielsweise T‑Shirts, auf denen das Logo der Süßigkeitenmarke „Hitschler“ in der Form abgeändert wurde, dass nur noch „Hitler“ zu lesen ist. Außerdem erstellt er dort Autoaufkleber auf denen „Wehrmachtdivision“ zu lesen ist, umgeben von „Ruhm“ und „Ehre“. Dort werden teilweise auch die Wahlplakate der AfD gedruckt. Krieg ist laut der Aufstellungsliste zur Kommunalwahl in Joachimsthal gemeldet.
Von Florian Eberhardt sind aktuelle einzig seine Reinigungskünste in Sachen Graffiti auf der Webseite seiner Firma zu begutachten. Der Gebäudereiniger ist bei der Handwerkskammer gelistet, als Adresse ist die Anne-Frank-Straße 12 in Eberswalde angegeben. Wie über Eberhardt ist über Sabrina und Heinz-Dieter Parys wenig bekannt, für Aufregung sorgten sie trotzdem. Direkt zur Konstitution der Stadtverordnetenversammlung machte das Gerücht die Runde, dass die Parys ihre eigene Fraktion bilden wollen. Antreten, Einziehen und Austreten mit anschließendem Eigenbrötlern hat in der AfD eine gewisse Tradition. Aktuell stehen beide noch als Mitglieder der AfD-Fraktion auf der Webseite der Stadt.
Landtagskandidat(en) im Barnim
Zur Landtagswahl tritt Roman Kuffert aus Potsdam im Wahlkreis 13 – Barnim 1 und auf der Landesliste (Platz 23) an. Thematisch beschränkt sich sein Wahlkampf auf die Abgrenzung von den vermeintlichen Altparteien, Heimattümelei und die Aussage er werde zum Wandel in der Landespolitik beitragen. Kuffert wohnt nicht nur in Potsdam, er ist dort auch hauptsächlich aktiv, so bei Infoständen oder durch die Betreuung der Facebook-Präsenz der Potsdamer AfD. Für diese trat er auch zur Kommunalwahl an und ist im Ausschuss Kultur und Wissenschaft sachkundiger Einwohner. Eine Verbindung zum Barnim scheint es nicht zu geben, vermutlich ist sein Antritt taktischer Natur um den Direktkandidatenplatz zu füllen. Im Wahlkreis 14 – Barnim 2 tritt Hans Link an, im Wahlkreis 15 – Barnim 3 Steffen John.
Instagram-Account
In den sozialen Netzwerken benutzt die AfD Barnim munter Naziparolen und ist sich auch für plumpen Rassismus nicht zu schade.Auf einem geposteten Bild prangt der Ausspruch “Deutschland erwache!”. Dieser stammt ursprünglich aus dem von Dietrich Eckart verfassten Sturmlied, welches 1920 entstand und später von der SA (Sturmabteilung) als Hymne übernommen wurde. Dietrich Eckart, ein bekennender Nationalsozialist, trug dieses Lied häufig auch bei NSDAP-Parteiversammlungen vor. Der Ausspruch ‚Deutschland erwache’ wurde einer der wichtigsten Propagandasprüche der NSDAP und ist heute in neonazistischen Kreisen sehr beliebt. Auf der Instagram-Seite der AfD Barnim taucht er vor dramatisch rot und gelb gefärbtem Himmel und der schwarzen Silhouette des Brandenburger Tors auf, über dem Slogan “Wir sind das Volk!”.
Zwei weitere Bilder zeigen den Ausspruch “Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.” Darunter ein Adlerkopf. Dieses Zitat entstammt der ersten Strophe des Liedes der Deutschen, von August Friedrich Hoffmann von Fallersleben aus dem Jahr 1841. Das Lied war schon zur Zeit der Entstehung sehr umstritten, da die erste Strophe auch besagt: “… von der Maas bis an die Memel” und “… von der Etsch bis an den Belt”, womit Gebiete gemeint sind, die sich in Belgien, Dänemark und Italien befinden. Das Lied wurde unter Friedrich Ebert zur Nationalhymne der Weimarer Republik am 11.08.1922 erklärt. In Zeiten Nazideutschlands wurde direkt nach der ersten Strophe des Liedes das Horst-Wessels-Lied, Parteihymne der NSDAP, gesungen und damit die Ausweitung des “Großdeutschen Reich” propagiert. Auch die Truppen der Wehrmacht sangen das Lied der Deutschen beim Einmarsch in überfallene Gebiete. Unter Björn Höcke wurde schon vermehrt das Lied der Deutschen auf den Treffen des „Flügels“ vollständig gesungen.
Weiterhin gibt es ein Bild in dessen Hintergrund ein Totenkopf mit Wehrmachtshelm den Text “… es wird Zeit, die alten Geister zu rufen” unterstreicht. Unter der Überschrift “Deutschland 2030” wird ein Foto von einem blonden Kind gezeigt, welches von einer Gruppe dunkelhäutiger Kindern umringt ist. Ursprünglich stammt dieses Bild von der Indienreise einer Australischen Familie. Die AfD Barnim versieht den Beitrag unter anderem mit den Hashtags “#rettetdeutschland #blonde #Kinder #vom #aussterben #bedroht” sowie “#blaue #augen”. Sowohl das Bild, als auch die entsprechenden Hashtags beinhalten biologistischen Rassimus. Das vermeintliche Aussterben der “weißen Rasse” ist ein zentrales Element von “White Supremacy”-Ideologie, einer angeblichen bzw. erträumten weißen Vorherrschaft. Naziterroristen, wie in El Paso, Christchurch und Utøya, legitimieren mit dieser Ideologie ihre Morde. Im Beitrag wird Deutschland “weiß” konstruiert, was es in dieser Form zu erhalten und beschützen gelte.
Ein weiteres Beispiel für die Verbreitung von Rassismus: Auf einem Bild wird ein oberkörperfreier dunkelhäutiger Mann gezeigt, der eine weiße, nackte, blonde Frau zu Boden ringt und festhält. Die Hashtags dazu lauten neben “#islam” und “#kulturbereicherer” auch “#blonde #Frauen #dunkle #männer”. Hier werden Vergewaltigungen für rassistische Hetze instrumentalisiert und mit der vermeintlichen Sexualität von muslimischen bzw. dunkelhäutigen Männern identifiziert. Die AfD appelliert weiter an “deutsche Mädchen” sich nur mit Deutschen einzulassen: “Liebe deutsche Mädchen, so toll und interessant ihr diese fremdländischen Männer auch findet, heiratet sie nie, egal, was sie Euch versprechen, denn es kann sein, das sie Euch Eurer Freiheit berauben.”, heißt es auf dem Instagram-Account.
Ein weiterer Beitrag belegt die Verbindung zu einer extrem rechten Organisation. Unter der Überschrift “Respect” werden drei Männer gezeigt, die ein migrationsfeindliches Transparent halten und Jacken mit der Aufschrift “Soldiers of Odin” tragen. Dies ist eine in Finnland entstandene “Bürgerwehr”, deren führende Mitglieder bekannte militante Neonazis sind. Auch in Deutschland gibt es Gruppen unter diesem Namen, die zum Teil vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Zusammenarbeit mit NPD
Neben dieser inhaltlich extrem rechten Positionierung und der damit einhergehenden Hetze, gibt es auch eine organisatorische Zusammenarbeit mit anderen Akteur*innen des extrem rechten Spektrums im Barnim. So hielt Joachim Schaaf, zu dem Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes, am 14.07.2017 in Bernau eine Rede auf einer von der NPD Barnim und der NPD Pankow organisierten Demonstration gegen „Islamisierung“. Am 17. Juni 2018 unternahm die AfD Barnim einen gemeinsamen Ausflug zur Berliner Mauer mit den Kameraden der NPD. Weitere Kooperationen gab es im Juli und September 2018, ebenfalls in Bernau. Auf den dortigen Kundgebungen der AfD waren NPD-Mitglieder präsent, deutlich erkennbar durch T‑Shirts mit der Aufschrift „Schutzzone“. [4] Einer der NPD-Aktivisten, Andreas Rokohl, ein bekannter Neonazi aus Bernau, der vor einigen Jahren linke Jugendliche körperlich angriff, war offensichtlich für die Fotodokumentation der Kundgebung zuständig: Er trug eine Armbinde mit der Aufschrift „Medien“. Auf der AfD-Kundgebung im September betrieb die NPD mit ihrer „Schutzzone“-Kampagne einen Infotisch.
Das zeigt, was von den formalen, halbherzigen Abgrenzungen der AfD zur NPD zu halten ist. 2017 hatte Klaus-Peter Kulack mit Interview mit der MOZ behauptet, mit der NPD wolle er „nichts zu tun haben“. Passender scheint hingegen die Aussage des AfDlers Dubravko Mandic zu sein, der schon 2014 zugab: “Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte.”
[1] https://inforiot.de/islamfeindliche-demo-in-bernau/
[2] https://inforiot.de/and-the-winner-is/
[3] http://archiv.preussische-allgemeine.de/2018/paz2018-48.pdf S.20
[4] https://inforiot.de/auswertung-rechter-aktivitaeten-2018-im-barnim/