Berlin – Am 20. November wurde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) die Klage der sogenannten „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“, besser bekannt als „Spreelichter“ gegen das brandenburgische Innenministerium verhandelt. Eine Woche später fiel das Urteil: Die Klage wird abgewiesen, die „Spreelichter“ bleiben verboten.
Die neonazistische Gruppierung, die seit mindestens 2009 immer wieder durch spektakuläre, größtenteils konspirativ vorbereitende Aktionen in Südbrandenburg und dem nahen Sachsen in Erscheinung trat, wurde im Juni 2012 durch den damaligen brandenburgischen Innenminister Dietmar Woidke verboten. Dagegen zogen die einzelnen Mitglieder vor Gericht. Sie sehen das Verbot als ungerechtfertigt und forderten dessen Annullierung.
Als rechtlicher Vertreter der Kläger trat Wolfram Nahrath in Erscheinung. Der ehemalige Aktivist der Wiking Jugend (WJ) und der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) ist kein Unbekannter. Immer wieder tritt dieser als Rechtsbeistand gewalttätiger Neonazis vor Gericht auf und beteiligt sich nach wie vor an neonazistischen Aufmärschen, wie zuletzt in Berlin-Schöneweide am 23. November. Das Innenministerium als Angeklagter war gleich mit sechs Personen vertreten, darunter drei LKA-Beamte sowie zwei vom Verfassungsschutz.
Der mutmaßliche Kopf der „Spreelichter“ Marcel Forstmeier zeigte sich erst zur Unrteilsverkündung. Zu Prozessbeginn waren dagegen aber etwa 15 Neonazis und Sympathisant_innen, die in dem viel zu kleinen Versammlungsraum nahezu alle Plätze belegten. Da jedoch das Medieninteresse groß war, musste kurzerhand der Prozess in einen größeren Raum verlegt werden. Die Strategie der Neonazis, die Plätze zu besetzen, um keine kritische Presse zuzulassen ging damit nicht auf.
Kein Verein ist doch ein Verein
Das Verfahren wurde insgesamt in vier Blöcke unterteilt: Geklärt wurde die Zuständigkeit des brandenburgischen Innenministeriums, die Quellen, die für die gesammelten Daten genutzt wurden, die Vereinseigenschaft sowie die Rechtmäßigkeit der Verbotsgründe. Wolfram Nahrath versuchte dabei dem Gericht deutlich zu machen, dass alle vier Blöcke nicht zuträfen bzw. verfassungswidrig seien. Dabei bezweifelte er den Organisierungsschwerpunkt in Südbrandenburg und behauptete die JN Sachsen sei in Wirklichkeit für die nächtlichen Fackelaufzüge verantwortlich. Insbesondere die umstrittene G10-Maßnahme (Beschränkung des Telekommunikationsgeheimnisses) sowie die Rechtsform der „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ als Verein wurden durch den Neonazi-Anwalt zurückgewiesen. Die Neonazigruppierung sei niemals als Verein aufgetreten, sondern sei eine reine Interessengemeinschaft. Als ein Argument dafür gab er an, es habe keine Vereinskasse gegeben.
Die Vertreter_innen des Innenministeriums stärkten erneut ihre Verbotsgründe. So seien sehr wohl alle Aktivitäten der „Spreelichter“ in Brandenburg geplant gewesen. Außerdem habe es Vereinsstrukturen, wenn auch nicht im klassischen Sinn gegeben. Belege dafür waren Aufrufe zu Spenden und Beteiligung der immer gleichen Personen an Veranstaltungen, die der Neonazigruppierung zugerechnet wurden. Des Weiteren habe sich die Gruppe durch die Kampagnen „Volkstod“ und „Die Unsterblichen“ der Wiederbetätigung des Nationalsozialismus strafbar gemacht. Durch ihr kämpferisches Auftreten wollten diese, so die Ausführungen der Behördenvertreter_innen, auch mit Gewalt durchsetzen.
Als Beweismittel wurden während der Verhandlung Videos von Aktionen vorgeführt, die teilweise noch immer im Internet abrufbar sind. Dabei freuten sich die anwesenden Neonazis sichtlich über die gezeigten Aufnahmen und bestritten im Folgenden, trotz Ermahnung durch den Vorsitzenden Richter, dass die Videos noch auf den Seiten der Gruppierung zu finden seien.
Aufgrund der Länge der Verhandlung wurde ein Urteil an diesem Tag noch nicht verkündet und das Gericht verschob dieses um eine Woche.
„Positives Unentschieden“ und kein Rückgang rechter Aktivitäten
Am 27. November bestätigte das Gericht nunmehr, dass die Klage der „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ gegen das brandenburgische Innenministerium abgewiesen wird und gab dem Innenministerium Recht. Dabei wies das OVG jedoch darauf hin, dass bereits die Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung als Verbotsgrund ausreicht. Eine Ausrichtung gegen den Gedanken der Völkerverständigung, wie es das Innenministerium in der Verbotsverfügung gegen die “Widerstandsbewegung Südbrandenburg” formulierte, sahen sie nicht als erwiesen. Auch die ebenfalls vom Vorsitzenden Richter Wolnicki in Frage gestellte G10-Maßnahme spielte keine Rolle für das Verbot, da bereits die Inhalte auf den öffentlich zugänglichen Quellen sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Eine Revision ließ das Gericht in der Urteilssprechung nicht zu. Die Kosten der Verhandlung, sowie den Streitwert in Höhe von 15.000 € müssen die Neonazis zahlen.
Dennoch sprach Wolfram Nahrath im Anschluss von einem „positiven Unentschieden“, da in seinem Augen nicht alle Verbotsgründe durch das OVG zugelassen wurden. Er schloss aber eine Klage gegen eine Nichtzulassung zur Revision nicht aus.
Das bestätigte Verbot wird aber auch in Zukunft nichts an den starken neonazistischen Aktivitäten in Südbrandenburg ändern. Gerade in den letzten Monaten nahmen diese wieder zu. So haben Neonazis vor einer Schule in Senftenberg Flyer verteilt und ein symbolisches Grab aufgehoben auf denen stand: „Demokraten bringen uns den Volkstod“. Kurze Zeit später wurde das Schild „Schule ohne Rassismus“ von der gleichen Schule entfernt und in einem Video von jemanden im Krümelmonsterkostüm in einem See versenkt. Weitere ähnliche Aktionen in der Region wurden bekannt. Den Stil und das Vorgehen ähneln den Aktionen der verbotenen „Spreelichter“. Es ist davon auszugehen, dass die gleichen Neonazis weiterhin hier aktiv sind, nun aber ohne verbotfähiges Label.