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Eine Band-breite an Abstrusität

Etwa 20 Zuschauer_innen waren auf den Platz der Ein­heit gekom­men, um der Ver­anstal­tung der Pots­damer Mon­tags-Mah­nwache — aus­nahm­sweise mal an einem Dien­stag, denn es ist ja deutsch­er Welt­frieden­stag – beizu­wohnen. Mit Blick auf die Pots­damer Niko­laikirche kon­nte man gle­ich zu Beginn in einem Nebenge­spräch, Friedens­be­wegte darüber fach­sim­peln hören, dass diese Kirche doch Ähn­lichkeit mit dem US-Amerikanis­chen Pen­ta­gon habe.
Als ein beson­deres High­light trat die Duis­burg­er „Polit-Pop-Band“ die Band­bre­ite auf.
Seit Wochen wurde die Ver­anstal­tung heute bewor­ben. Es war für viele von uns anstren­gend die Bewer­bungsplakate von den Lat­er­nen zur reißen. 
Doch warum der Aufriss, was nervt uns an der Band­bre­ite und an den Montagsdemos? 
Die deutsche Friedens­be­we­gung war seit den 90er Jahren qua­si in Auflö­sung begrif­f­en. Viele von uns, die sich heute hier gegen diese Ver­anstal­tung aussprechen waren damals ein Teil von ihr. Es war uns wichtig gegen Kriege aufzuste­hen. Seit­dem hat sich vieles geän­dert, anderes nicht, wir sind älter gewor­den, die Bewe­gung auch. Vor allem die Art und Weise und die Inhalte der Friedens­be­we­gung stoßen immer bre­it­er auf Ablehnung und Unverständnis. 
Doch zuerst zur Band „Die Band­bre­ite“. Sie set­zen sich ein gegen Krieg und für den Frieden, sind sog­ar sol­i­darisch mit Flüchtlingen. 
 
Warum also die Ablehnung? 
 
Das Prob­lem sind die Inhalte der Lieder. So singt die Band beispiel­sweise in ihrem Lied „selb­st gemacht“ darüber wie die USA poli­tis­che Ereignisse manip­uliert hät­ten. Vor allem die Anschläge vom 11. Sep­tem­ber seien fin­giert, dazu wer­den alle möglichen schein­baren Fak­ten aufgezählt. Was soll damit bewirkt wer­den? Den Zuhörer_innen kommt der Ver­dacht auf, dass sie/_er in ein­er Schein­welt lebt, die durch die „Män­ner im Hin­terz­im­mer“ ges­teuert wird. Guter Ver­such, doch lei­der voll daneben. Welche sim­ple Vorstel­lung der Ver­hält­nisse. Denn dann müssten wir doch diese Hin­ter­män­ner lediglich abwählen, einsper­ren oder auf eine ein­same Insel ver­ban­nen. So ein­fach ist es aber lei­der nicht. Es gibt nicht ein­fach böse Men­schen, die gemeine Dinge tun um anderen zu Schaden. 
Lei­der haben wohl die älteren der Friedens­fre­unde beim Parteilehr­jahr nicht aufgepasst. 
Deshalb erin­nern wir noch ein­mal daran: 
 
Der Kap­i­tal­is­mus ist keine Erfind­ung der Bilder­berg­er, der Roth­schilds oder irgendwelch­er Echsenmenschen. 
 
Der Kap­i­tal­is­mus beruht auf dem Pri­vateigen­tum an Pro­duk­tion­s­mit­teln und der Aus­beu­tung des Men­schen durch den Men­schen. Wer diese Ver­hält­nisse ändern will, sollte keine Volks- und Friedens­ge­mein­schaften mit Men­schen schließen, die an den Wei­h­nachts­mann oder Wladimir Putin glauben, son­dern sich mit Men­schen zusam­men­schließen, die die Eigen­tums- und Pro­duk­tionsver­hält­nisse verän­dern wollen.
Davon hat die Band­bre­ite bzw. ihr Sänger lei­der keine Ahnung. So äußert er sich in einem Video von 28.8.2015 zur „Flüchtling­sprob­lematik“ wie fol­gt: „dass die Men­schen aus ihren Län­dern flücht­en müssen, dass wir kor­rupte Regime unter­stützen, die dazu führen, dass die Wirtschaft in den entsprechen­den Län­dern nicht funk­tion­iert“. Was ist das für eine Analyse der Gesellschaft? Natür­lich flücht­en auch Men­schen wegen Kriegen aus Län­dern, zum Beispiel aus Syrien. Doch das ist nicht allein der Grund. Die Wirtschaft, die laut dem Sänger von „ Die Band­bre­ite“ ja gut funk­tion­ieren würde, wenn dort kein Krieg wäre, ist eben das Prob­lem! Ger­ade weil die kap­i­tal­is­tis­che Wirtschaft gut funk­tion­iert ver­hungern Men­schen, leben in uner­messlich­er Armut und ster­ben unnötig an Krankheit, weil eben die Geld­schranke Men­schen von Gütern ihres Bedarfs tren­nt. Weil die Wirtschaft ihren Fokus auf die Pro­duk­tion von Tauschw­erten legt und weil es keine geplante Ökonomie gibt, die die Bedürfnis­be­friedi­gung der Men­schen zum Ziel hat. 
Noch tiefer auf dem Niveau-Lim­bo geht es in dem Lied „Anti-Deutsch­er“. Nach schlechter Tra­di­tion wer­den hier Anti­deutsche Antifas als Faschist_innen tit­uliert. Nicht nur, dass dieser Begriff durch den NS in Deutsch­land klar definiert ist und im falschen Gebrauch schlicht ver­harm­losend wirkt, geht er auch an ein­er, dur­chaus berechtigten, Kri­tik an teilen der Linken schlichtweg vor­bei. Nahezu lächer­lich erscheint auch der Vor­wurf der Islam­feindlichkeit vor dem Hin­ter­grund, dass die Band­bre­ite auch auf Mon­tags­demos in Berlin auftritt, bei denen sich neben neuen Recht­en wie Jür­gen Elsäss­er, Ver­schwörungs­the­o­retik­ern vom Kopp-Ver­lag, Chem­trail­gläu­bi­gen und auch der Vor­sitzende der Berlin­er-NPD Sebas­t­ian Schmidtke tum­meln. Wer im Glashaus sitzt… 
Auch äußert sich der Sänger der Band in ver­meintlich­er aufk­lärerisch­er Tra­di­tion gegenüber Gegendemonstrant_innen. So wird dann über die Poli­tik der israelis­chen Regierung „informiert“ oder über die Faschist_innen in der ukrainis­chen Regierung. Klingt ja auf den ersten Blick alles richtig. 
Das Prob­lem an Realpoli­tik ist lei­der, dass es zu den oben genan­nten „Wahrheit­en“ nun mal auch eine Kehr­seite gibt. 
Im Ukraine-Ruß­land-Kon­flikt kämpfen näm­lich auf bei­den Seit­en der Front Faschist_innen. Und Ruß­land ist nicht das gelobte Land und Boll­w­erk gegen den amerikanis­chen Impe­ri­al­is­mus, son­dern wird von einem auf Bären rei­t­en­den Autokrat­en regiert, der sich ger­ade sel­ber daran macht seinen Ein­fluss­bere­ich not­falls auch mit Waf­fenge­walt zu ver­größern. Während er im inneren homo­phobe Geset­ze erlässt, gegen Min­der­heit­en het­zt und Linke und Antirassist_innen dif­famiert und krim­i­nal­isiert, die auf offen­er Straße in Ruß­land ermordet werden. 
Lei­der ver­fällt auch die Friedens­be­we­gung immer wieder in ähn­liche Denkmuster. Nur weil irgen­deine Gruppe gegen die USA oder andere auf­begehren führt dieser Kampf nicht in einen „Vere­in freier Men­schen“ (Marx).
 
Oft­mals hat sich auch in der Friedens­be­we­gung unhin­ter­fragter Etatismus breitgemacht. 
 
So ste­ht zum Beispiel auch im Aufruf zur heuti­gen Ver­anstal­tung „wir Potsdamer_innen appel­lieren an unsere Politiker_innen“ oder auch „wir fordern deshalb von unser­er Regierung…“. Das ist unge­fähr so sin­nvoll wie die Forderung an einen Met­zger keine Tiere mehr zu schlachten. 
Die Regierung ein­er kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft ste­ht für die Gewin­n­max­imierung ihrer nationalen Konz­erne und eine funk­tion­ierende Repro­duk­tion der kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft und dies um jeden Preis. Auch der Appell für „eine gesam­teu­ropäis­che Sicher­heit­sar­chitek­tur unter dem Dach der OSZE und Uno“ erscheint ger­ade vor der Geschichte der Inter­ven­tio­nen in der UNO in Kam­bod­scha, Ruan­da oder Jugoslaw­ien sinn­los. Was genau soll eigentlich eine Sicher­heit­sar­chitek­tur sein, die ich mir von europäis­chen Staat­en wün­schen würde? Wie Sicher­heit in Europa funk­tion­iert kön­nen wir Tag für Tag am Mit­telmeer sehen, wo Tausende im Wass­er ertrinken. Dafür hat Europa den Frieden­sno­bel­preis bekom­men. Auch der Ver­weis auf Men­schen­rechte oder das Völk­er­recht wirken angesichts ger­ade der Recht­sausle­gung in Deutsch­land müßig an. Das Recht ist das Blatt Papi­er nicht wert auf dem es geschrieben ste­ht. Ger­ade für Men­schen die sich poli­tisch engagieren ist dies alltägliche Real­ität. Repres­sion und Ver­let­zung der Men­schen­rechte sind deutsche Tra­di­tion. Recht und Moral wer­den nicht abgelehnt, son­dern sind Teil der herrschen­den Prinzip­i­en, nur eben kapitalistischer. 
 
Eine Welt in Frieden wird es in ein­er kap­i­tal­is­tis­chen Welt nicht geben. Also hören wir auf darum zu betteln. 
 
Auch wenn die gesellschaftliche Linke hier schwach ist und wir hier kaum Gehör find­en, dür­fen wir uns mit den Zustän­den nicht zufrieden geben. 
Völ­lig zu Recht wird heute am 1. Sep­tem­ber weltweit daran erin­nert, dass Krieg und vor allem der zweite Weltkrieg nicht wieder passieren dür­fen. Aber auch hier muss dif­feren­ziert wer­den. Auf deutsche Städte sind Bomben gefall­en, weil von deutschem Boden ein Ver­nich­tungskrieg von nie dagewe­sen­em Aus­maß aus­ge­gan­gen ist. Deutsche Täter_innen sind keine Opfer! Wenn wir erin­nern wollen, so dann an die Mil­lio­nen Opfer der deutschen Wehrma­cht und ander­er NS-Todess­chwadro­nen, an die Mil­lio­nen Toten in den Lagern der SS, an die vie­len Widerstandskämpfer_innen auf der ganzen Welt, die Nazideutsch­land besiegten und Gefan­gene und Zwangsarbeiter_innen befreiten. 
Eine Friedens­be­we­gung, die diesen Namen ver­di­ent, kann sich nicht als Quer­front-Pro­jekt gegen „die da oben“ oder als Sam­mel­beck­en aller Sys­temgeg­n­er ver­ste­hen. Eine echte Friedens­be­we­gung muss sich von Antisemit_innen und Geschichtsrevisionist_innen abgren­zen, die die Ver­brechen der­jeni­gen rel­a­tivieren, die den 2. Weltkrieg begonnen und die indus­trielle Ver­nich­tung von Jüdin­nen und Juden in ganz Europa angestrebt haben. 
 
Wer Elsäss­er reden lässt, soll vom Frieden schweigen. 
 
Doch so lange die Voraus­set­zun­gen von Kriegen durch kap­i­tal­is­tis­che Konkur­renz und religiösen Wahn weit­er gegeben sind, bleiben diese Appelle in den Wind gesprochen! 
Wie Karl Liebknecht schon 1915 sagte: Der Haupt­feind ste­ht im eige­nen Land! 
Deshalb lasst uns hier die Ver­hält­nisse in Frage stellen, lasst uns gemein­sam ler­nen und kämpfen! 
Schluss mit ober­fläch­lich­er Kapitalismuskritik! 
Schluss mit dem Ver­trauen auf Staat und Parteien! 
Nur eine starke außer­par­la­men­tarische Linke in den Schulen, in den Betrieben und der Druck auf den Straßen macht den Ver­hält­nis­sen Dampf. 
Für eine Gesellschaft jen­seits der Logik von Staat und Kapital. 
Deutsch­land bleibt ein mieses Stück Scheiße! 

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