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Emil Wendland

Das Bild zeigt die Gedenktafel für Emil Wendland in Neuruppin.
Foto: pri­vat

Emil Wend­land wurde am 11.02.1942 in Gas­tau geboren und am 1. Juli 1992 von seinen Tätern im Schlaf völ­lig wehr­los über­rascht und getötet. Sein erster Beruf war Lehrer, später arbeit­ete er als Verkauf­sstel­len­leit­er in der Molk­erei-Verkauf­sstelle. Emil Wend­land wurde alko­holkrank. Mitte der 1980er Jahre besiegte er die Krankheit – lei­der nur für kurze Zeit. Als Nach­barn ihn am 9. Novem­ber 1990 auf ein Glas Sekt ein­lu­den, um die neu gewonnene Frei­heit zu feiern, wurde er rück­fäl­lig und schaffte es nicht mehr, absti­nent zu wer­den. Nach der „Wende“ über­nachtete er immer öfter auf Bänken im Freien, da er nicht mehr in der Lage war, nach Hause zu kom­men.1
Der Ort

Neu­rup­pin war in den 1990er Jahren ein Zen­trum des mil­i­tan­ten Neon­azis­mus in Bran­den­burg. Oft kam es zu Gewal­taus­brüchen. Bere­its im Som­mer 1990 schlu­gen die Recht­en los: 15 Neon­azi-Skin­heads über­fie­len mit Base­ballschlägern und dem Ruf „Recht­sradikale wer­den siegen“ ein Zelt­dorf, auf dem gegen den sow­jetis­chen Mil­itär­flug­platz am Stad­trand protestiert wurde. Am Fol­ge­tag greifen die Recht­en erneut an. Ein weit­eres Beispiel: Wenige Monate nach dem Mord an Emil Wend­land ziehen im Novem­ber 1992 acht Rechte zu einem Wohn­heim für Wol­gadeutsche im Ort­steil Gilden­hall und wer­fen ins­ge­samt zwölf Molo­tow-Cock­tails auf das Gebäude. Den Bewohner_innen gelingt es nur knapp, das Feuer zu löschen. Neben Migrant_innen und sozial Rand­ständi­gen ist vor allem die alter­na­tive Jugend­szene Angriff­sziel der Recht­en. Das linksori­en­tierte Jugendzen­trum „Mit­ten­drin“ wird mehrmals über­fall­en. Für über­re­gionale Aufmerk­samkeit sorgt das Treiben des aus West­deutsch­land zuge­zo­ge­nen Alt-Nazis Wil­helm Lange, der jahre­lang pri­vat „Jugen­dar­beit“ mit jun­gen Recht­en betreibt. Die Stadt reagiert auf die rechte Szene mit „akzep­tieren­der Jugen­dar­beit“ im Jugendzen­trum „Bunker“. Ab 1998 fungiert der Klub als Neon­az­itr­e­ff­punkt in Selb­stver­wal­tung – erst im Jahr 2000 wird der „Bunker“ geschlossen.2

Die Tat

Nach einem Saufge­lage mit rechter Musik fassen in der Nacht zum 1. Juli 1992 drei Neon­aziskin­heads aus der örtlichen recht­en Szene den Entschluss, „Assis aufzuk­latschen“ (laut Gericht waren es drei, nach Angaben von damals aktiv­en Antifas aber min­destens fünf).3 Sie waren der Auf­fas­sung „die Obdachlosen verun­stal­ten das Stadt­bild und seien in Neu­rup­pin uner­wün­scht“4. Weil sie wis­sen, dass im Neu­rup­pin­er Rosen­garten öfter obdachlose Men­schen über­nacht­en, gehen sie gegen 1.00 Uhr gezielt zur kleinen Parkan­lage in Zen­trum der Fontanes­tadt. Dort find­en sie den auf ein­er Park­bank schlafend­en, voll­trunk­e­nen Emil Wend­land. Die Gruppe baut sich vor dem Mann auf; Math­ias Pl. sichert anfänglich das Gelände ab. Remo B. schre­it den schafend­en Mann an „Wach auf!“ und tritt ihm mit seinen Stahlkap­pen­schuhen in den Bauch und anschließend mit voller Wucht immer wieder gegen den Kopf. Mirko H. zer­schlägt seine mit­ge­brachte Bier­flasche auf dem Kopf des Mannes. Nach den bru­tal­en Mis­shand­lun­gen lassen sie den bewusst­losen Emil Wend­land mit lebens­ge­fährlichen Ver­let­zun­gen liegen und gehen weg. An der an dem Platz angren­zen­den Friedenss­chule sagt Mirko H. zu seinen bei­den Kumpels: „Ich geh noch ein­mal zurück, den bring ich um“.5 Er dreht um, ren­nt zu dem ver­mut­lich bewusst­losen Wend­land zurück und sticht immer wieder mit einem 18cm lan­gen Jagdmess­er auf den Oberkör­p­er seines Opfers ein. Ein Stich durchtren­nt die Herz­schla­gad­er, sodass Wend­land inner­lich verblutet. Kurze Zeit später kom­men die drei gemein­sam zum Tatort zurück und sam­meln die Scher­ben der Bier­flasche ein, auf der ihre Fin­ger­ab­drücke sein kön­nten. Anschließend gehen sie nach Hause. Zwei Tage später wer­den die Täter festgenommen.

Das Verfahren

Das Landgericht Pots­dam verurteilt im Okto­ber 1993 den 20-jähri­gen Haupt­täter Mirko H. wegen Totschlags zu sieben Jahren Jugend­strafe. Obwohl das Gericht fest­stellt, dass die Täter ihr Opfer für „einen Men­schen zweit­er Klasse gehal­ten“ hat­ten und die Gruppe sich zum „Pen­ner klatschen“ verabre­det hat­te, wird das sozial­dar­win­is­tis­che Motiv in der Urteils­be­grün­dung nicht gewürdigt. Remo B., der ‘Pen­ner’ „so eklig find­et wie Aus­län­der“6. wird im Feb­ru­ar 1994 im Beru­fungsver­fahren vor dem Landgericht Pots­dam wegen gemein­schaftlich­er gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung verurteilt. Unter Ein­beziehung weit­er­er Straftat­en erhält er eine Jugend­strafe von zwei Jahren und acht Monat­en. Auch in diesem Ver­fahren wird der sozial­dar­win­is­tis­che Hin­ter­grund der Tat vom Gericht erkan­nt. In der Urteils­be­grün­dung heißt es: „… faßte man spätestens zu diesem Zeit­punkt den Entschluß, in der Nacht ‚Assis aufzuk­latschen’; gemeint war damit das Zusam­men­schla­gen von Obdachlosen oder anderen Per­so­n­en, die man als mißliebig ver­acht­enswert ansah.“7 Über die Gerichtsver­fahren gegen Matthias Pl., der in sein­er polizeilichen Vernehmung u.a. sagte: „Ich finde es richtig, Assis einen Denkzettel zu ver­passen. Die leben nur von unseren Steuergeldern, außer­dem ver­schan­deln sie das Stadt­bild. […] Wenn wir rechts ori­en­tierten uns nicht um so was küm­mern, tut es kein­er.“8, ist nichts bekannt.

Das Gedenken

Anlässlich des 20. Todestag fand erst­mals ein öffentlich­es Gedenken für Emil Wend­land statt. Am Tatort, dem Neu­rup­pin­er Rosen­garten, wurde eine Gedenk­tafel für den Getöteten enthüllt.
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Die Quellen

1 JWP-Mit­ten­Drin: Emil “Bruno” Wend­land ging den Weg des Todes – Ein MAZ-Leser­brief vom 24.07.1992, auf: jwp-mittendrin.de 14.03.2002, zulet­zt abgerufen: 13.01.2016
2 Opfer­per­spek­tive: „Nationale Jugen­dar­beit“: das Beispiel Neu­rup­pin, auf Opferperspektive.de 13.10.2006 sowie: Artikel Neu­rup­pin, in: Antifaschis­tis­ches AutorIn­nenkollek­tiv (Hg.) Hin­ter den Kulis­sen … Faschis­tis­che Aktiv­itäten in Bran­den­burg – Update 1999, Berlin 1994, S. 56–63
3 JWP-Mit­ten­drin. Info­s­eite zur Emil Wend­land-Kam­pagne, jwp-mittendrin.de, zulet­zt abgerufen: 13.01.2016
4 Moses Mendelssohn Zen­trum, Abschluss­bericht des Forschung­spro­jek­tes „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt im Land Bran­den­burg seit 1990“, 2015, S. 58
5 Gericht­surteil, Amts­gericht Neuruppin
6 Moses Mendelssohn Zen­trum, Abschluss­bericht des Forschung­spro­jek­tes „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt im Land Bran­den­burg seit 1990“, 2015, S. 62
7 Gericht­surteil, Amts­gericht Neuruppin
8 Moses Mendelssohn Zen­trum, Abschluss­bericht des Forschung­spro­jek­tes „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt im Land Bran­den­burg seit 1990“, 2015, S. 62

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