Zur Notwendigkeit von cis-Typen-freien Räumen zur Selbstreflexion und als Empowerment
Gegenwärtig veranstalten wir eine Tour unter dem Namen “Skills for Intervention”, in deren Rahmen Veranstaltungswochenenden in verschiedenen Städten Brandenburgs stattfinden. Es geht primär darum FrauenLesbenTransInter zu empowern und ihnen Räume zu eröffnen, in denen sie sich trauen Dinge auszuprobieren, die in der weiblichen Sozialisation klassischerweise nicht erlernt werden und/oder nicht zu den gesellschaftlichen Vorstellungen passen, „wie eine Frau zu sein hat“. Hierzu gehören insbesondere technische Fähigkeiten, wie sie bei diversen praxisorientierten Workshops erlernt werden können, oder aber selbstbewusstes Auftreten und das Aufzeigen von Grenzen, wie zum Beispiel im Workshop zum Veranstaltungs- und Projektschutz.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ohne cis-männliche# Präsenz und Blicke die Hemmschwelle, zu sich zu stehen und sich auszuprobieren, viel geringer ist. Außerdem gibt es Workshops, in denen es um den Austauschen über Erfahrungen mit Sexismus und mit sexualisierter Gewalt geht. Hierfür ist es notwendig, sicherere Räume zu schaffen. Meistens sind cis-Männer diejenigen, von denen sexualisierte Gewalt ausgeht, weswegen ihr Ausschluss für die Schaffung von Schutzräumen bei diesen Themen wichtig ist.
Wir finden es wichtig, sich an einigen Punkten solche geschützten Räume (auch gegen Widerstand) anzueignen, um im Anschluss, durch den Austausch und das Empowerment untereinander gestärkt, wieder herauszutreten.
Unter einem System, dass alle Menschen in nur zwei Kategorien, nämlich “Mann” und “Frau”, einteilt und diesen ganz bestimmte Eigenschaften zuschreibt, leiden natürlich auch cis-Männer. Denn auch ihnen will dieses System vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen und wie sie aussehen müssen, was sie gut können und was sie auf gar keinen Fall tun dürfen. Allerdings können wir dabei nicht vergessen, dass dieses System eben im Ungleichgewicht zugunsten von cis-Männern besteht: alles was mit Vorstellungen von Männlichkeit verknüpft wird, ist höher bewertet oder besser bezahlt. Daher haben cis-Männer, trotz ihrer eigenen Betroffenheit von Sexismus, eben auch Privilegien inne. Und auch sich selbst als feministisch bezeichnende cis-Männer können (unbewusst) patriarchale Strukturen reproduzieren und dadurch anwesende FrauenLesbenTransInter einschränken.
Daher begrüßen wir es sehr, wenn sich cis-Typen intensiv mit der ihnen zugewiesenen Geschlechterrolle sowie den sich daraus ergebenden Einschränkungen und Privilegien beschäftigen und finden Workshops zu z.B. kritischer Männlichkeit eine prima Sache. Aber wir als Frauen*-Gruppe haben keine Lust, solch einen Workshop für cis-Männer zu organisieren. Einmal, weil ein Teil der weiblichen Sozialisation die Zuschreibung der Pflegerolle ist („Frauen kümmern sich“) und wir diese nicht ständig reproduzieren wollen. Andererseits erwarten wir von kritischen cis-Männern, dass sie sich selbst ihre Räume schaffen und sich selbst um ihre Reflexion kümmern. Wir vermitteln gerne Kontakt zu Menschen, die solche Workshops zu kritischer Männlichkeit anbieten, aber wir werden das nicht organisieren. Weil Sexismus uns alle betrifft, sollten wir uns auch alle damit auseinandersetzen und diese Auseinandersetzung nicht wieder denen überlassen, die stärker davon betroffen sind.
Wir haben den Sexismus in dieser Gesellschaft noch lange nicht überwunden und solange das so ist, wollen und brauchen wir unbedingt cis-Typen-freie Räume und mehr wirklich kritische cis-Männer! YEAH!
#cis bezeichnet das Gegenteil von trans und meint, dass eine Person das Geschlecht haben möchte, das ihr bei der Geburt zugeschrieben wurde.
Mit dem * wollen wir deutlich machen, dass die jeweils markierten Bezeichnungen alle diejenigen meinen, die sich selbst in ihnen verorten.
Mehr Infos zur Workshopreihe findet ihr unter www.fabb.antifa.cc/
P.S. Das queer_topia*Workshop-Kollektiv bietet z.B. Workshops zu Kritischer Männlichkeit an