Der seit Ende November am Landgericht Potsdam verhandelte Prozess um eine Gruppe Brandenburger Neonazis um den NPD-Politiker Maik Schneider (29) befindet sich in der Halbzeit. Den sechs angeklagten Männern wird neben der Bildung einer kriminellen Vereinigung auch schwere Brandstiftung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylinderbombe gezündet sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turnhalle niedergebrannt haben, die als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. (bnr.de berichtete)
Die Taten verursachten Schäden in Millionenhöhe. Organisiert hatten sich die Neonazis über eine WhatsApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schneider, der deswegen auch als Rädelsführer der Neonazi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Personen in Untersuchungshaft. (bnr.de berichtete)
Mitangeklagte belasten NPD-Mann
Zum Auftakt im November belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Politiker Schneider schwer. Der 33-jährige Sebastian F. ließ über seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schneiders Initiative und mit dessen Wagen Fässer mit Öl und Benzin zur Turnhalle schaffte. Dort sollen die Gegenstände zusammen mit Autoreifen und Holzpaletten gestapelt worden sein, ebenfalls nach den Anweisungen Schneiders. Beim Entfachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewesen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schneider mit der Tat geprahlt und F. für seine Mithilfe gelobt.
Auch Christian B. (32) erklärte, die Idee und Vorbereitungen zur Tat seien von Schneider gekommen. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Dennis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegenständen beladen hätten, bis er von Schneider aufgefordert worden sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Ausschau zu halten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähnlich und zeigten sich geständig, bestritten aber allesamt ein politisches Motiv.
„Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung
Obwohl die meisten Mitangeklagten in der rechtsextremen Szene der Region verankert sind, wurde medial vielfach das Bild vermittelt, die Männer seien unpolitische, gescheiterte Existenzen, die von Schneider mehr oder weniger „verführt“ wurden. Allerdings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hinsicht selbst nicht sonderlich bemüht ist, dieser Legende auf den Grund zu gehen.
Schneider selbst äußerte sich erst später am Tag und teilweise geständig. Allerdings nannte er den Brand einen „Unfall“. In einer „spontanen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkunft anzünden, als ein „Signal“ gegen die geplante Flüchtlingseinrichtung. Die Fassade sollte lediglich verrußt werden, so der 29-Jährige, denn immerhin sei sie „Volkseigentum“. Zudem sei er angeblich „ein Freund von Asylbewerbern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht begangen worden. Fast zwei Stunden schwadronierte der Hauptangeklagte, wich immer wieder vom Thema ab.
Befangenheitsanträge gegen Schöffen
Kurzzeitig stand der Fortgang des Prozesses auf der Kippe. Schneiders unglaubwürdige Geschichte ließ einen Schöffen dazu verleiten, ihn zu fragen: „Bilden Sie sich ein, dass einer den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schneider protestierte, auch Richter Theodor Horstkötter zeigte sich sichtlich irritiert. Es folgten Befangenheitsanträge gegen den Schöffen und die Kammer, die von manchen Juristen in verschiedenen Medien als durchaus erfolgversprechend eingeschätzt wurden. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozesses zur Folge gehabt. Allerdings entschied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Verhandlung fortzusetzen.
Mitte Dezember war der fünfte und bislang letzte Verhandlungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befangenheitsanträge aber auch durch die umfangreichen Vorkontrollen in die Länge zog, kam der 27-jährige Christopher L. unter Meldeauflagen aus der Untersuchungshaft frei. Die anderen beiden, Maik Schneider und Dennis W. bleiben jedoch weiterhin in Haft. Zudem kamen Ermittler vom Landeskriminalamt als Zeugen zu Wort. Sie präsentierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schneiders PKW mehrfach in der Nacht aufgezeichnet auf dem Weg zur Turnhalle aufgezeichnet hatten. Mittlerweile versucht Schneider das Verfahren in die Länge zu ziehen, stellte selber Beweisanträge und will mehrere Zeugen vorladen lassen, darunter den Brandenburger NPD-Politiker Frank Kittler, fraktionsloser Kreistagsabgeordneter im Havelland.
Prozess bis Februar verlängert
Unterdessen gerieten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staatsanwaltschaft. Schneiders ehemalige Freundin (22) hatte in ihrer Vernehmung zugegeben, die Paletten für den Anschlag auf die Turnhalle besorgt zu haben. Sie sagte bereits in der Verhandlung als Zeugin aus und berichtete von Drohungen aus der rechtsextremen Szene in Nauen. Sogar Flugblätter mit ihrem Gesicht und einem Davidstern seien anonym in der Stadt verbreitet worden. Auch der Angeklagte B. wurde bedroht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Verräter“ stand. Eine 23-Jährige ist unterdessen bereits wegen Beihilfe zur Brandstiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Brandanschlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Verhandlung gegen die sechs Neonazis wird am 5. Januar fortgesetzt und sollte eigentlich im gleichen Monat enden, wurde nun aber aufgrund der Verzögerungen bis in den Februar verlängert.