3. Januar 2017 · Quelle: Blick nach rechts

Halbzeit im Nauener Prozess

Zum Jahreswechsel ist das Verfahren um die mutmaßlich kriminelle Vereinigung von Neonazis, die im brandenburgischen Nauen mehrere Anschläge beging, zur Hälfte geschafft. Geständnisse belasten NPD-Lokalpolitiker Maik Schneider als Anführer.

Der seit Ende Novem­ber am Landgericht Pots­dam ver­han­delte Prozess um eine Gruppe Bran­den­burg­er Neon­azis um den NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der (29) befind­et sich in der Hal­bzeit. Den sechs angeklagten Män­nern wird neben der Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung auch schwere Brand­s­tiftung und Sachbeschädi­gung vorge­wor­fen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylin­der­bombe gezün­det sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turn­halle niederge­bran­nt haben, die als Flüchtling­sun­terkun­ft vorge­se­hen war. (bnr.de berichtete)
Die Tat­en verur­sacht­en Schä­den in Mil­lio­nen­höhe. Organ­isiert hat­ten sich die Neon­azis über eine What­sApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schnei­der, der deswe­gen auch als Rädels­führer der Neon­azi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Per­so­n­en in Unter­suchung­shaft. (bnr.de berichtete)

Mitangeklagte belasten NPD-Mann

Zum Auf­takt im Novem­ber belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Poli­tik­er Schnei­der schw­er. Der 33-jährige Sebas­t­ian F. ließ über seinen Anwalt eine Erk­lärung ver­lesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schnei­ders Ini­tia­tive und mit dessen Wagen Fäss­er mit Öl und Ben­zin zur Turn­halle schaffte. Dort sollen die Gegen­stände zusam­men mit Autor­eifen und Holz­palet­ten gestapelt wor­den sein, eben­falls nach den Anweisun­gen Schnei­ders. Beim Ent­fachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewe­sen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schnei­der mit der Tat geprahlt und F. für seine Mith­il­fe gelobt.
Auch Chris­t­ian B. (32) erk­lärte, die Idee und Vor­bere­itun­gen zur Tat seien von Schnei­der gekom­men. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Den­nis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegen­stän­den beladen hät­ten, bis er von Schnei­der aufge­fordert wor­den sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Auss­chau zu hal­ten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähn­lich und zeigten sich geständig, bestrit­ten aber alle­samt ein poli­tis­ches Motiv.

Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung

Obwohl die meis­ten Mitangeklagten in der recht­sex­tremen Szene der Region ver­ankert sind, wurde medi­al vielfach das Bild ver­mit­telt, die Män­ner seien unpoli­tis­che, gescheit­erte Exis­ten­zen, die von Schnei­der mehr oder weniger „ver­führt“ wur­den. Allerd­ings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hin­sicht selb­st nicht son­der­lich bemüht ist, dieser Leg­ende auf den Grund zu gehen.
Schnei­der selb­st äußerte sich erst später am Tag und teil­weise geständig. Allerd­ings nan­nte er den Brand einen „Unfall“. In ein­er „spon­ta­nen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkun­ft anzün­den, als ein „Sig­nal“ gegen die geplante Flüchtling­sein­rich­tung. Die Fas­sade sollte lediglich ver­rußt wer­den, so der 29-Jährige, denn immer­hin sei sie „Volk­seigen­tum“. Zudem sei er ange­blich „ein Fre­und von Asyl­be­wer­bern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht began­gen wor­den. Fast zwei Stun­den schwadronierte der Haup­tangeklagte, wich immer wieder vom The­ma ab.

Befangenheitsanträge gegen Schöffen

Kurzzeit­ig stand der Fort­gang des Prozess­es auf der Kippe. Schnei­ders unglaub­würdi­ge Geschichte ließ einen Schöf­fen dazu ver­leit­en, ihn zu fra­gen: „Bilden Sie sich ein, dass ein­er den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schnei­der protestierte, auch Richter Theodor Horstköt­ter zeigte sich sichtlich irri­tiert. Es fol­gten Befan­gen­heit­santräge gegen den Schöf­fen und die Kam­mer, die von manchen Juris­ten in ver­schiede­nen Medi­en als dur­chaus erfol­gver­sprechend eingeschätzt wur­den. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozess­es zur Folge gehabt. Allerd­ings entsch­ied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Ver­hand­lung fortzusetzen.
Mitte Dezem­ber war der fün­fte und bis­lang let­zte Ver­hand­lungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befan­gen­heit­santräge aber auch durch die umfan­gre­ichen Vorkon­trollen in die Länge zog,  kam der 27-jährige Christo­pher L. unter Meldeau­fla­gen aus der Unter­suchung­shaft frei. Die anderen bei­den, Maik Schnei­der und Den­nis W. bleiben jedoch weit­er­hin in Haft. Zudem kamen Ermit­tler vom Lan­deskrim­i­nalamt als Zeu­gen zu Wort. Sie präsen­tierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schnei­ders PKW mehrfach in der Nacht aufgeze­ich­net auf dem Weg zur Turn­halle aufgeze­ich­net hat­ten. Mit­tler­weile ver­sucht Schnei­der das Ver­fahren in die Länge zu ziehen, stellte sel­ber Beweisanträge und will mehrere Zeu­gen vor­laden lassen, darunter den Bran­den­burg­er NPD-Poli­tik­er Frank Kit­tler, frak­tion­slos­er Kreistagsab­ge­ord­neter im Havelland.

Prozess bis Februar verlängert

Unter­dessen geri­eten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staat­san­waltschaft. Schnei­ders ehe­ma­lige Fre­undin (22) hat­te in ihrer Vernehmung zugegeben, die Palet­ten für den Anschlag auf die Turn­halle besorgt zu haben. Sie sagte bere­its in der Ver­hand­lung als Zeu­g­in aus und berichtete von Dro­hun­gen aus der recht­sex­tremen Szene in Nauen. Sog­ar Flug­blät­ter mit ihrem Gesicht und einem David­stern seien anonym in der Stadt ver­bre­it­et wor­den. Auch der Angeklagte B. wurde bedro­ht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Ver­räter“ stand. Eine 23-Jährige ist unter­dessen bere­its wegen Bei­hil­fe zur Brand­s­tiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Bran­dan­schlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Ver­hand­lung gegen die sechs Neon­azis wird am 5. Jan­u­ar fort­ge­set­zt und sollte eigentlich im gle­ichen Monat enden, wurde nun aber auf­grund der Verzögerun­gen bis in den Feb­ru­ar verlängert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beiträge aus der Region

Die heuti­gen Veröf­fentlichun­gen von Frag­Den­Staat, rbb und dem ARD-Poli­tik­magazin Kon­traste führen vor Augen, zu welchen frag­würdi­gen Mit­teln das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um greift, um den Bau eines  Abschiebezen­trums am BER durchzusetzen.
Staubige, stick­ige Luft, ein küh­les Bier in der Hand, neben dir deine Lieblings­men­schen — weißt du noch, wie sich das anfühlt? Die Vor­freude ist spür­bar – wer ver­misst es nicht? 
Das Bünd­nis “Abschiebezen­trum BER ver­hin­dern” startet heute (04.07.2022) eine
Online-Aktionswoche gegen “Hard­er und Part­ner” – der Abschiebein­vestor soll das
geplante Abschiebezen­trum am Flughafen BER bauen.

Opferperspektive

Logo de rOpferperspektive Brandenburg

NSUwatch Brandenburg

Polizeikontrollstelle

Logo der Polizeikontollstelle - Initiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei

Netzwerk Selbsthilfe

Termine für Potsdam

Termine für Berlin

Suche

  • Kategorien


  • Regionen


Inforiot