Am 31. Mai vor 13 Jahren wurde Falko Lüdtke in der Spechthausener Straße von einem Rechtsextremen vor ein Auto gestoßen und starb.
Es handelte sich dabei nicht um einen tragischen Unglücksfall, sondern um einen vorsätzlich geführten Angriff mit tödlichem Ausgang. Der Täter wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Falko kam mit dem, der ihn dann umbringen sollte, mit dem O‑Bus aus dem Brandenburgischen Viertel. Dort hatte er diesen auf dessen zur Schau getragene Hakenkreuztätowierung angesprochen. Eine sich entspannende Diskussion setzte sich im O‑Bus fort. Eine mögliche Solidarisierung von anderen Passagieren mit Falko will ich nachträglich nicht einfordern, vielleicht war schlecht zu erkennen, worum es ging, und die Angst, Opfer von Gewalt zu werden, spielte mit, als Menschen wegsahen.
Aber es hätte gar nicht soweit kommen müssen, wenn der Nazi es nicht als völlig normal empfunden hätte, allen ein Hakenkreuz zu präsentieren. Dieses Gefühl hatte ihm bis dahin seine Umgebung gegeben, im Kietz und während seiner ABM.
Wofür steht ein Hakenkreuz? Der Träger identifiziert sich mit dem Nationalsozialismus und der Wehrmacht, hasst Juden und billigt den Holocaust. Gewalttätigkeit gehört zum Nazi-Sein, es ist Teil der politischen Kultur. Zu den Feinden eines Hakenkreuzträgers gehören unter anderem von ihm als „Schmarotzer“ bezeichnete Punks und Obdachlose.
Nun sitzen die Freunde von Falko und Menschen, denen das Schicksal des jungen Punks ans Herz geht, an jedem Jahrestag nachmittags an der Bushaltestelle „Spechthausener Straße“ und erinnern sich.
Ja, es war von Falko leichtsinnig, einen bekannten Schläger zu kritisieren. Hätte er die Schnauze gehalten, wäre er heute noch am Leben.
Schweigen macht vieles bequemer. Wer Nazis nicht hinnehmen will, bekommt Ärger mit denen, und wird nachher noch als “selbst schuld daran” abgestraft.
Na da machen wir, um Falko zu ehren, mal das Maul auf.
Seit 1990 wurden in Brandenburg mindestens 27 Menschen Opfer rechtsextremer Gewalt. Neun sind bislang davon offiziell anerkannt. Falko Lüdtke gehört nicht dazu. Dabei war schon im Urteil klargestellt worden, dass „ein der rechten Szene Zugehöriger gegen einen Andersdenkenden Gewalt ausgeübt“ hat. Im Auftrag der Landesregierung überprüft derzeit das Potsdamer Moses Mendelson Zentrum alle strittigen Fälle nochmals.
Die fällige staatliche Einordnung des Tötungsverbrechens an Falko Lüdtke als rechtsextrem wirft dann die Frage nach der Form eines öffentlichen Erinnerns auf.
Innenminister Dietmar Woidke erklärt zur „Überprüfung umstrittener Altfälle ‚Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt’“ u. a.:
Sie wissen, dass Medien, Opferschutzeinrichtungen sowie Opferhilfsvereine in einer entsprechenden bundesweiten Liste für unser Bundesland mittlerweile 32 derart motivierte Tötungsdelikte ausweisen. In keinem anderen Land ist die Differenz zur ‚offiziellen Statistik’ so groß. Unter Umständen werden noch weitere Verdachtsfälle bekannt.
Wie soll man mit dieser Situation umgehen? Sollen wir auf die seinerzeit eingegrenzten Erfassungskriterien verweisen? Sollen wir uns darauf zurückziehen, dass die betreffenden Verfahren von der Justiz rechtskräftig abgeschlossen sind? Sollen wir also die Hände heben mit dem Hinweis ‚Das war nun mal so, das ist Vergangenheit.’?
Ich denke, das ist ausgeschlossen. Lassen Sie mich noch einmal an das Leid, an die Trauer und die Fragen erinnern, die nach und zu jedem einzelnen dieser Verbrechen gestellt wurden. Wir sind es den Opfern, aber wir sind es auch ihren Angehörigen schuldig, dass wir die Zweifel an dem ‚Warum’ dieser menschenverachtenden Taten so weit es irgendwie geht ausräumen.
Aus einer Pressemitteilung des Ministerium des Innern Brandenburg (MI): 11.03.2013 Woidke: Sind es Opfern und Angehörigen schuldig, Zweifel am ‘Warum’ der Taten möglichst auszuräumen | Nr. 019/2013