Seit Mittwoch boykottieren die Flüchtlinge in Hennigsdorf die Annahme von Wertgutscheinen. Eine Versammlung der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer_innen hat nun das weitere Vorgehen beschlossen.
Kundgebungen Montag und Mittwoch
Bereits am Montag morgen wollen sie vor dem Sozialamt demonstrieren und die Auszahlung der den Flüchtlingen zustehenden Leistungen in bar verlangen. Es besteht weiterhin die Bereitschaft mit dem Sozialdezernenten Michael Garske zu verhandeln. Auch für kommenden Mittwoch wurde eine Kundgebung angemeldet. Das Sozialamt hat für diesen Tag einen weiteren Versuch der Gutscheinausgabe angekündigt. Flüchtlinge und Unterstützer_innen werden den
Mitarbeiter_innen des Sozialamtes noch einmal klar machen, dass sie ihre diskriminierenden und erniedrigenden Gutscheine behalten können.
Spaltungsversuche der Verwaltung und anstehendes Gespräch mit Sozialdezernenten Garske
Bereits bei dem erfolgreichen Auftakt zum Boykott der Wertgutscheine unterbreiteten die Protestierenden dem Sozialamt ein Gesprächsangebot. Sozialdezernent Michael Garske hat daraufhin ein Gespräch für Donnerstag, den 9.6.2011 um 13 Uhr, zugesagt. Gleichzeitig wurde von Seiten des Sozialamtes ein Nachholen der Gutscheinausgabe für kommenden Mittwoch „angeboten“. Eine Versammlung der Protestierenden hat dies als „Hinhaltetaktik“ bezeichnet. Die Flüchtlinge leben in diesen Tagen praktisch ohne Lebensgrundlage, weshalb eine schnelle und langfristige Lösung gefunden
werden muss.
Am Freitag haben Mitarbeiter_innen des Sozialamts begonnen, schwangere Frauen und Frauen mit Kindern gezielt anzusprechen und ihnen Gutscheine anzubieten. Keine der Angesprochenen ist auf dieses „Angebot“ eingegangen.
Erfolgreicher Boykottauftakt und Kundgebung vergangenen Freitag
Der angekündigte Boykott der Wertgutscheine durch die Bewohner_innen des Flüchtlingsheims in Hennigsdorf hat am Mittwoch, den 1.6. begonnen. Auf Grund der Proteste fand keine Gutscheinausgabe statt. Eine Barauszahlung der Leistungen wurde aber nach wie vor verweigert. Daher werden nun alle
Bewohner_innen durch Spenden versorgt. Am Freitag, 3.6., fand eine Kundgebung auf dem Postplatz in Hennigsdorf statt, auf der etwa 120 Menschen
– Flüchtlinge und Unterstützer_innen – die Bevölkerung über den Boykott informierten und sie darüber aufklärten, wie ihre Nachbar_innen im Flüchtlingsheim behandelt werden.
Hintergrund: Argumentation des Landkreises nicht mehr haltbar
Oberhavel gehört zu den letzten fünf Landkreisen in Brandenburg, die Flüchtlingen die Auszahlung der – ohnehin weit unter dem „Existenzminimum“ liegenden – Leistungen in Bargeld verweigert. Auf Grund eines faktischen Arbeits- und Ausbildungsverbotes für die meisten Flüchtlinge sind sie auf diese Leistungen angewiesen. Zuletzt hatte der Nachbarlandkreis Barnim im Mai die diskriminierenden Gutscheine abgeschafft. Auch die Landesregierung befürwortet eine Umstellung auf Bargeld, hat aber keine Weisungsbefugnis. Der brandenburgische Landtag hat am 14. April beschlossen, im Bundestag darauf hinzuwirken, Sachleistungen gänzlich abzuschaffen. Berlin und einige andere Bundesländer geben schon länger nur noch Bargeld aus. Die Argumentation des Landkreises, die Auszahlung von Bargeld sei nicht erlaubt, ist jedenfalls nicht haltbar. Die Forderung nach Bargeld kann ohnehin nur eine Minimal-Forderung sein angesichts der vielen darüber hinausgehenden Missstände: Das faktische Arbeitsverbot, die Lagerunterbringung, Residenzpflicht und schlechte medizinische Versorgung, sowie die Unterstützung, die nur 65% des HartzIV-Satzes beträgt. Wir fragen: Wie sollen Menschen von 2/3 des Existenzminimum existieren?
Spendenaufruf
Die Versorgung der Flüchtlinge, die sich mutig für eine Veränderung ihrer Situation einsetzen, wird über Spenden gesichert.
Die Koordination von Sachspenden erfolgt über uri-hennigsdorf@riseup.net
Dringend benötigte Geldspenden bitte auf folgendes Konto:
Förderverein des Brandenburgischen Flüchtlingsrats e.V.,
Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam,
Konto Nr.: 350 1010 000,
BLZ: 160 500 00,
Wichtig: Mit dem Kennwort „Hennigsdorf“ als Verwendungszweck.
Details zu den Kundgebungen am Montag und Mittwoch
Kundgebung vor dem Sozialamt Oranienburg
Montag, 6.6.2011, 10 Uhr
Adolf-Dechert-Straße 1, Oranienburg
Boykott der Gutschein-Ausgabe II
Mittwoch, 8.6., 8:30 Uhr
Flüchtlingsheim Stolpe-Süd,
Ruppiner Chaussee 19, Hennigsdorf
(Treffpunkt für nicht-Ortskundige: 8:00 Uhr S‑Bahnhof Hennigsdorf)
Kontakt
Für Nachfragen stehen wir gerne per Mail unter uri-hennigsdorf@riseup.net zur Verfügung.