Siegfried Pauly will anscheinend nichts unversucht lassen neue neonazistische Strukturen in Frankfurt (Oder) aufzubauen. Der gebürtige Freiburger, der zwischenzeitlich auch wieder in Baden-Württemberg lebte und seit 2017 wieder in der Oderstadt ist, organisierte erst am 8. Mai eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz um gegen „Kinderschänder“ zu demonstrieren. Erst Anfang April wurde der Ortsverband der NPD reaktiviert, nachdem die neonazistische Partei seit Jahren nicht mehr aufgefallen war. Teilgenommen hatten damals neben zahlreichen bekannten Neonazis aus der Stadt auch NPDler*innen aus Oder-Spree, darunter der Bundesgeschäftsführer Klaus Beier. Nun gibt es mit der Bruderschaft „Wolfsschar“ einen neues Label mit dem Pauly hofft Anhänger*innen unter militanten Neonazis zu gewinnen.
Neonazis stehen im Regen
Zum 17. Juli kündigte die erst im Juni gegründete extrem rechte Bruderschaft „Wolfsschar“ einen Aufmarsch gegen „Linksextremismus & Kindesmissbrauch“ in der Oderstadt an. Anstatt direkt auf den Bahnhofsvorplatz mussten die Neonazis diesmal auf einen Parkplatz am Rand des Platzes ausweichen, da das Bündnis „Kein Ort für Nazis“ bereits vorher ihre Kundgebung anmeldet hatte. Die Versammlung sollte um 13 Uhr beginnen. Angereist mit Zug und PKWs trafen nach und nach Teilnehmer*innen aus Berlin, Sachsen-Anhalt, Südbrandenburg und Sachsen ein. Auffallend waren neben Anhänger*innen der „Wolfsschar“ aus Magdeburg und Berlin auch JN-Strukturen aus der Niederlausitz sowie Neonazis aus dem Umfeld des „Bündnis Deutscher Hools“ um den Marzahner Enrico Schottstädt, der bekannt ist als Initiator asylfeindlicher Aufmärsche in der Hauptstadt. Unter den Südbrandenburger*innen befand sich Alexander Bode. Der militante Neonazis war 1999 beteiligt an der „Hetzjagd von Guben“, in deren Folge der algerische Asylsuchende Farid Guendoul starb. Bode musste daraufhin für zwei Jahre in Haft.
Aus Frankfurt (Oder) nahmen diesmal nur wenige Rechte teil. Bekannte Neonazis wie Sven Lemke und Romano Gosda wurden zwar vorher im Stadtgebiet gesichtet, bevorzugten es jedoch sich lieber im Trockenen aufzuhalten. Denn bereits kurz nach Versammlungsbeginn setzte heftiger Regen ein, der über eine Stunde anhielt. Neben dem schlechten Wetter, mussten einige Teilnehmer*innen wegen des Uniformierungsverbots ihre Kutten, Erkennungszeichen von Rocker- und Bruderschaftsstrukturen, ablegen. Hinzu kamen Technikprobleme. Ohne große Begrüßungsworte bewegte sich der Zug gegen 13.30 Uhr in Richtung Innenstadt, wo eine kurze Kundgebung am Einkaufszentrum „Lenné-Passagen“ abgehalten wurde. Hier sollte das Thema Kindesmissbrauch aufgegriffen werden. Neben einem Vertreter der JN Niederlausitz sprach wie am 8. Mai eine Mutter über den Missbrauch ihres Kindes und die Unterstützung durch die extreme Rechte, für die sie sehr dankbar sei. Die rechten Zuhörer*innen wirkten dabei jedoch eher gelangweilt und hatten anscheinend wenig Interesse den Ausführungen der jungen Frau zu folgen.
Anschließend richtete Siegfried Pauly das Wort an seine Kamerad*innen und beschwerte sich über die Berichterstattung zu seiner Person. In Paulys Augen sollte sich die Presse und die Polizei lieber mit den Taten der „Kinderschänder“ beschäftigen als “unbescholtene Bürger” zu drangsalieren.
Danach zog der Aufmarsch weiter über die Karl-Marx- und Rosa-Luxemburg-Straße zurück zum Hauptbahnhof, wo der Aufzug endete. Inhaltlich wurde sich im Übrigen nicht näher mit dem Linksextremismus auseinander gesetzt. Klassische neonazistische Parolen, die die Zuwanderer*innen und Antifaschist*innen verhöhnten schienen stattdessen der Höhepunkt der Demonstration zu sein, die teilweise wirkte wie ein Aufmarsch aus den 1990er Jahren. Ein JN-Vertreter versuchte die Teilnehmenden des Aufzugs mit inhaltlichen Sprüchen zu begeistern, wirkte aber zunehmend genervt, dass in seine Rufe nicht eingestimmt wurde.
Passant*innen standen dem Treiben größtenteils ablehnend gegenüber. Rufe, wie „Haltet die Klappe“ waren am Straßenrand zu vernehmen.
Bruderschaft Wolfsschar als neue Neonazistruktur in der Region?
Wie in einem Dossier das Aktionsbündnis Brandenburg beschrieben, handelt es sich bei der Bruderschaft Wolfsschar um eine neu gegründete Neonazigruppierung, der ungefähr 20 Personen angehören und die Ableger in Berlin und Sachsen-Anhalt besitzt. Mitglieder wie Pauly haben dabei auch Verbindungen zur NPD. Mit ihren Kutten und Abzeichen erinnern sie in ihrem Auftreten stark an Rockerclubs. Durch die Einheitlichkeit wollen die Angehörigen ausdrücken Teil einer elitären Struktur zu sein, die einer festen Hierarchie folgt, aber auch Geschlossenheit signalisiert. Das fällt auf Aufmärschen auf. Seit ihrem Bestehen nahm die „Wolfsschar“ bereits an Versammlungen in Dessau-Roßlau (am 12. Juni) und Berlin (03. Juli) teil. In Frankfurt (Oder) wollte die Bruderschaft mit ihrem ersten eigenen Aufmarsch ihren Führungsanspruch innerhalb der Neonazi-Szene in der Region unterstreichen. Ob dies mit der relativ geringen Teilnehmendenzahl und den wenig greifbaren Inhalten gelungen ist, darf indes bezweifelt werden.
Lautstarker und bunter Protest von Antifaschist*innen
Während die Neonazis aufgrund des schlechten Wetters und der geringen Zahl der Teilnehmer*innen eher ein trauriger Anblick waren, organisierte das antifaschistische Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ einen lauten und bunten Protest. Auf dem großen Platz vor dem Bahnhofsgebäude gab es mehrere Redebeiträge, die auf die Gefahren von Rechts hinwiesen und auch im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen vor einem weiteren Rechtsruck in der Gesellschaft warnten. Die Strausberger HipHop-Combo „PC Toys“ heizten der Menge auch musikalisch ein, so dass auch der Regen die Stimmung nicht vermiesen konnte. Nachdem der Aufmarsch der Neonazis sich in Bewegung setzte, folgten Ihnen die etwa 300 Teilnehmer*innen des Gegenprotest mit einer eigenen Demonstration, die zur Oderbrücke führte. Zum Abschluss der Versammlung zeigte sich dann auch wieder die Sonne.
Laut Polizei verliefen alle Versammlungen an dem Tag störungsfrei. Dennoch zogen Neonazis nach Ende ihres Aufmarsches noch in Richtung Gubener Vorstadt und bedrohten dabei Passant*innen und zeigten teilweise den Hitlergruß, wie Augenzeug*innen auf Twitter berichteten.