In Roddan (Landkreis Prignitz) führten Neonazis im Geheimen ein Konzert durch. Grund: ein Liedermacher mit indizierter Musik trat auf. Das Brandenburger Innenministerium erfuhr davon erst hinterher, wie es jetzt auf parlamentarische Anfrage von Landtagsabgeordneten mitteilte.
Geheimes Konzert
Eine typische Dorfgaststätte im ländlichen Raum mit kleiner Bühne auf halber Höhe und Holzvertäfelung in natürlichem braun, an der Wand eine überdimensionale schwarz-weiß-rote Fahne und davor sitzend ein Musiker mit Gitarre. Auf seinem Telegram-Kanal verbreitete der neonazistische Liedermacher „Fylgien“ als erster die Bilder seines Konzertes im Norden Brandenburgs. Dazu noch ein paar Schnappschüsse, die den Musiker mit mutmaßlichen Fans zeigte (Redaktioneller Hinweis: alle Fotos liegen als Screenshots vor). Doch zu erkennen geben wollte sich sein Anhang anscheinend nicht. Alle Gesichter waren unkenntlich gemacht – offenbar aus Gründen. Denn offiziell angemeldet war die Versammlung, wie das Brandenburger Innenministerium auf eine parlamentarischen Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Johlige und Thomas Domres (beide LINKE) zu erkennen gab, nicht.
Auftritt Liedermacher mit indizierter Musik
Grund für die Geheimhaltung dürfte übrigens eben jener Auftritt des Liedermachers „Fylgien“ gewesen sein. Denn Sebastian D aus Templin (Uckermark), so dessen bürgerlicher Name, spielt indizierte Musik. Dabei handelt es sich um Liedgut, welches wegen seines jugendgefährdenden Charakters nicht in der Öffentlichkeit vorgetragen werden darf. Ds veröffentlichte Eigenproduktion: „Mein Glaube heißt Deutschland“ war bereits 2011 von einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) betroffen. Im Milieu erfreut er sich jedoch – möglicherweise gerade wegen derartigen Liedgutes – bester Beliebtheit. So vergeht kaum ein Wochenende an dem D nicht irgendwo in einem neonazistischen Clubhaus in Deutschland auftritt. Am 14. September 2019 war dies nun der Saal in der kleinen Gemeinde Roddan, ein Ortsteil von Legde/Quitzöbel in der Nähe der Stadt Havelberg. Dort trat D gemeinsam mit Maik S aus Magdeburg, welcher im Milieu unter dem Pseudonym „Eidstreu“ firmiert, sowie der Formation „Hermunduren“ aus dem Raum Eisenach/Schmalkalden (Thüringen) auf.
Treffen militanter Neonazis
Anlass des Konzertes war – so wird es aus einem Konzertflyer ersichtlich – die Jahresfeier der „Freien Kräfte Prignitz“ (FKP), ein vereinsähnlicher Zusammenschluss militanter Neonazis aus den Städten Wittenberge und Lenzen. „Alle Personen, welche der Gruppierung FKP zugerechnet werden, sind polizeilich bekannt“, schreibt das Innenministerium in seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage der LINKE-Abgeordneten zu Konzert und Veranstalter. „Ein Großteil der Personen“ sei zu dem als „politisch rechtsmotivierte Straftäter (PMK – rechts -) erfasst“. Allerdings würden diese Taten nicht in direktem Zusammenhang mit dem Label „Freie Kräfte Prignitz“ bestehen. Unter diesem Namen betätigen sich die ihm zugeordneten Neonazis fast „nur“ als Aktivisten im vorpolitischen Raum, beispielsweise als Teilnehmende von Aufzügen. Erstmals gaben sich die „Freien Kräfte Prignitz“, laut Innenministerium, während einer Demonstration am 14.01.2014 in Magdeburg zu erkennen. Die Gruppe sei gut vernetzt, habe Kontakte nach Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Darüber wird unter dem Label „Freie Kräfte Prignitz“ eine Facebook-Seite betrieben, auf der „Veranstaltungshinweise gegeben, Kommentare und Bilder zu eigenen Aktionen gepostet sowie Berichte über Aktionen anderer rechtsextremistischer Gruppierungen und Parteien geteilt“ werden.