In Rathenow wurde vor Kurzem ein ehemaliger Naziskin-Anführer zu Grabe getragen. Der mehrfach verurteilte Mann war einer schweren Krankheit erlegen. Seine einstigen Kameraden kondolierten mit dem SS Treuelied.
Verabschiedung im Geiste der SS

Etliche grüne Kränze lagen auf einem Rondel für Urnenbestattungen auf dem Städtischen Friedhof in Rathenow. „Wenn alle Brüder schweigen“ ist mit goldener Schrift auf einer schwarzen Trauerschleife zu lesen – ein ungewöhnliches Geleit zur letzten Ruhe. Es ist eine Zeile aus dem Lied „wenn alle untreu werden“, welches in der Zeit des Nationalsozialismus als “SS Treuelied” Verwendung fand. Im SS Liederbuch kam es deshalb gleich hinter dem „Horst Wessel Lied“ und dem „Lied der Deutschen“. Der Verstorbene, dem dessen „alte Freunde“ auf diese Art und Weise gedachten, war Mario Knudsen, einer der Köpfe der neonazistischen Szene in Rathenow. Er starb im Oktober 2019 nach langer schwerer Krankheit.
Baseballschlägerjahre
Knudsen und seine „alten Freunde“ galten in den 1990er Jahren als Bürgerschreck. Mit Glatze, Bomberjacke, Baseballschlägern und Springerstiefeln machten sie Rathenow unsicher. „Skins verunsichern Rathenow – muss eine Bürgerwehr gegründet werden?“, betitelte die Märkische Allgemeine Zeitung im Frühjahr 1991 u.a. das Treiben der Gruppe. Zu ihren Opfern gehörten Angehörige der sowjetischen Garnison, ausländische Vertragsarbeiter, Geflüchtete, Angehörige linker Subkulturen, aber auch ganz normale Bürger. Wie etwa im Januar 1991, als Knudsen, sein Kumpan Sandy A und weitere Nazi-Skins in Premnitz zwei Ehepaare, welche gerade von einer Faschingsparty kamen, mit Gegenständen attackierten und brutal zusammenschlugen. Eine Blutsspur zog sich durch die Region. Mehrfach saß Knudsen vor Gericht, zuletzt im November 1998. Er und Sandy A hatten im Frühjahr 1997 zwei junge Männer – nach einem Streit in einer Friesacker Diskothek – brutal zusammengeschlagen. Nach sechs relativ „milden“ Urteilen, darunter eine Bewährungsstrafe für den zuvor erwähnten Überfall in Premnitz, wurde Knudsen schließlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt.

Erst in den 2000er Jahren beruhigte sich die Situation scheinbar. Knudsen führte anscheind ein bürgerliches Familienleben, wurde Vater einer Tochter. Doch dies war offenbar nur Fassade. Im April 2005 war Knudsen von Maßnahmen des Brandenburger Innenministeriums bei der Auflösung der Kameradschaft “Hauptvolk” betroffen. Damals wurden die Wohnungen von insgesamt 39 Mitgliedern dieser vereinsähnlichen Struktur durchsucht und die Organisation offiziell aufgelöst. Die Tätigkeit und der Zweck des “Hauptvolkes” richtete sich u.a. gegen die verfassungsmäßige Grundordnung und lief Strafgesetzen zuwider, so das Innenministerium. Im Kameradschaftsrundbrief Heft 1 waren u.a. die Abzeichen von 20 Divisionen der Waffen SS abgebildet. Das “Hauptvolk” sah sich als Elitegemeinschaft und in der Tradition vorgenannter NS Organisation. Knudsens langjähriger Kumpan Sandy A war ebenfalls in der Kameradschaft aktiv. Dieser galt sogar als deren Kopf. Die Website der Organisation war auf A’s Namen angemeldet. Ein Trauerkranz des “Hauptvolkes” war bei Knudsens Beerdigung jedoch nicht zu finden – offenbar wegen des Verbotes der Kameradschaft. Stattdessen legte ein “Freundeskreis Rathenow” einen in schwarz-weiß-rot gehaltenen Kranz mit der Aufschrift: “Im Leben uns treu, im Tode an unserer Seite” sowie das Grabgesteck mit eben jener Zeile aus dem SS Treuelied nieder. Später bedankte sich Knudsens Familie bei seinen “treuen Kumpels”, sowie im Besonderen bei “Sandy A”.
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