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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Neurechte Kirchgänger

Pots­dam- Am 4. Sep­tem­ber wird sich im Hotel Mer­cure in Pots­dam ein ganz illus­tres Män­ner-Grüp­pchen zusammenfinden.

Es wird ein­ge­laden zum „Bran­den­bur­gis­chen Gespräch 2010“. Das klingt zunächst nur unschein­bar und furcht­bar lang­weilig. Inter­es­sant wird es, wenn man sich anschaut, wer hier wen einlädt.

Die „Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe — vor­mals Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel“ lädt ein/1. In Pots­dam ist diese Grup­pierung keine Unbekan­nte. Im Jahr 1984 von einem Iser­lohn­er Fallschir­mjäger­batail­lon gegrün­det, war die „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft“ zunächst nur dem heute wieder ewig nervtö­ten­den Glock­en­spiel verpflichtet. Schließlich spiel­ten „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft“ und Stiftung eine bedeu­tende Rolle für die Pro­mo­tion des Vorhabens des Wieder­auf­baus der Pots­damer Gar­nisonkirche in den 90er Jahren. Sie sam­melten dafür einige Mil­lio­nen Euro an Spenden. Die Stiftung bestand und beste­ht aus einem recht­skon­ser­v­a­tiv­en Per­so­n­enkreis, der das „Preußen­tum“, die diszi­plin­ierten Steig­bügel­hal­ter des Nation­al­sozial­is­mus bewun­dert und die Kirche gern ohne jeden Bruch mit dem Orig­i­nal wieder auf­bauen möchte. Deswe­gen war für die Stiftung in der Auseinan­der­set­zung auch klar: kein Asyl, keine „fem­i­nis­tis­che“ The­olo­gie, keine Trau­ung gle­ichgeschlechtlich­er Paare und keine Beratung für Kriegs­di­en­stver­weiger­er in der Kirche. Tonangebend in der Stiftung ist Max Klaar, ein Ober­stleut­nant a.D. der Bun­deswehr, der gle­ichzeit­ig als Vor­sitzen­der des ultra­recht­en „Tra­di­tionsvere­ins“ „Ver­band Deutsch­er Sol­dat­en“ fungiert, zu dem selb­st die son­st gegenüber recht­en Umtrieben in den „Tra­di­tionsvere­inen“ nicht ger­ade hochsen­si­ble Bun­deswehr 2004 ein Kon­tak­tver­bot aus­ge­sprochen hat. Klaar wird auch auf der Ver­anstal­tung im Hotel Mer­cure zwei Rede­beiträge hal­ten.
Nach jahre­lan­gen Stre­it­igkeit­en mit der evan­ge­lis­chen Kirche und der Stadt Pots­dam ist die „Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe“ seit 2009 endgültig raus aus den offiziellen Pla­nun­gen rund um die Garnisonkirche/2, die „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft“ war schon einige Jahre vorher aufgelöst wor­den. Unter­dessen wid­met sich die Stiftung ander­er umtriebiger Aktivitäten.

So lädt sie zu jen­em „Bran­den­bur­gis­chen Gespräch“ einen gewis­sen Prof. Men­no Aden ein, der zum The­ma „Deutsch­er Patri­o­tismus im heuti­gen Europa“ referieren wird. Der Rechtswis­senschaftler Aden ist Vor­sitzen­der der „Staats- und Wirtschaft­spoli­tis­chen Vere­ini­gung“ (SWG), die (, und das ist jet­zt zweifel­los sehr vere­in­fachend for­muliert,) als eine Art Schnittstelle zwis­chen Per­sön­lichkeit­en und Insti­tu­tio­nen des öffentlichen Lebens und recht­sradikalen Kreisen agiert, um ihr recht­es Welt­bild mehrheits­fähig zu machen. Die SWG will, so schreibt sie auf ihrer Web­site, „zum Wohl des deutschen Volkes beitra­gen, indem sie für Vater­land­sliebe und kon­ser­v­a­tive Werte wirbt.“ Ein Schelm, wer bei solchen Äusserun­gen mis­strauisch wird.
Die SWG wurde 1962 gegrün­det, von zwei Herrschaften, die schon im Nation­al­sozial­is­mus Kar­riere gemacht hat­ten. Ein­er von ihnen, ein gewiss­er Hugo Wellems war Presseref­er­ent von Joseph Goebbels im Min­is­teri­um für Volk­saufk­lärung und Pro­pa­gan­da. Die Aktiv­itäten und Ver­laut­barun­gen der SWG seit der Grün­dung zeigen, dass von einem Bruch mit recht­sradikaler Ide­olo­gie keine Rede sein kann.

Auf der Web­site der SWG empört sich Men­no Aden dieser Tage (Juli 2010) über die „Poli­tis­che Kor­rek­theit“, die ver­hin­dert habe, dass im Jahre der Feier­lichkeit­en zum 65. Jahrestag der bedin­gungslosen Kapit­u­la­tion Nazideutsch­land nicht auch „des größten Sieges, den das deutsche Volk in sein­er Gesamtheit jemals in sein­er fast 2000 jähri­gen Geschichte errun­gen hat, anlässlich sein­er 70. Wiederkehr“ gedacht würde. Es geht um den mil­itärischen „Sieg“ Nazideutsch­lands gegen Frankre­ich im Juni 1940. Aden ist in seinem Ele­ment:
„Nach der Erniedri­gung, welche Deutsch­land ins­beson­dere durch Frankre­ich im Frieden von Ver­sailles erdulden musste, nach der bru­tal­en Behand­lung Deutsch­lands während der Ruhr – und Rhein­landbe­set­zung, nach Jahrhun­derte lan­gen Ver­suchen Frankre­ichs, Deutsch­land poli­tisch zu ent­man­nen und, wie Napoleon gewollt hat­te, in franzö­sis­che Vasal­len­staat­en zu zer­stück­eln, war es Deutsch­land gelun­gen, den Erzfeind inner­halb von sechs Wochen in eine völ­lige, schmachvolle Nieder­lage zu zwin­gen. Der Feldzug war schnell und strate­gisch über­legen.“ Es kommt noch krass­er: „Nur die poli­tis­che Kor­rek­theit ver­bi­etet es, dem dama­li­gen deutschen Staat­sober­haupt das Ver­di­enst zuzurech­nen, den von Manstein erdacht­en Plan sofort in sein­er Genial­ität erkan­nt und umge­set­zt zu haben.“
Genau­so begeis­tert, wie Aden die „Erfolge“ Hitlers gegen Frankre­ich und Eng­land schildert, genau­so wenig macht er sich Gedanken um die Rah­menbe­din­gun­gen des Krieges, um den Nation­al­sozial­is­mus, den Ver­nich­tungskrieg und die Shoah. Sein Vorgänger im Amt des SWG-Vor­sitzen­den, Brigade­gen­er­al a.D. Rein­hard Uhle-Wet­tler pflegte einen weniger Deutsch­land-glo­ri­fizieren­den Blick auf die Geschichte schließlich auch als „alli­ierte Umerziehung“ zu geisseln.

Kurios auch die Liste der Ref­er­entIn­nen, die für Ver­anstal­tun­gen der SWG geladen wur­den.
Auf der Liste find­en sich die Namen zahlre­ich­er ehe­ma­liger hochrangiger Mil­itärs und viel­er Hochschul­pro­fes­soren. Und darunter alle Per­so­n­en, die in der neurecht­en Szene Rang und Namen haben, in Reih und Glied mit Poli­tik­ern, die sich in diesen Kreisen durch die von rechts abge­feierten „Tabubrüche“ Anerken­nung ver­schafft haben, wobei es sich bekan­ntlich meist um anti­semi­tis­che und/oder (in Bezug auf den NS) revi­sion­is­tis­che Aus­fälle han­delte.
Es ver­sam­meln sich Ernst Nolte, Hans Fil­binger, Hans-Hel­mut Knüt­ter, Hen­ry Nitzsche und Mar­tin Hohmann. Auf der Liste erscheinen der Chefredak­teur der Jun­gen Frei­heit Dieter Stein sowie jede Menge weit­er­er Autoren der neurecht­en Wochen­zeitung. Gesellschaft leis­tet ihnen Gün­ther Deschn­er, heute Chefredak­teur der neuen, weit am recht­en Rand ange­siedel­ten Zeitschrift „Zuerst!“.
Die Gren­zen zur klar neon­azis­tis­chen Szene sind in einem solchen Milieu fliessend. Der „Wis­senschaftler“ Olaf Rose z.B., auch auf der Ref­er­entIn­nen­liste aufge­führt, arbeit­et seit 2006 für die NPD-Frak­tion im säch­sis­chen Land­tag. Genan­nt wird außer­dem Gisa Pahl, eine Recht­san­wältin, die nicht nur bevorzugt Neon­azis vor Gericht ver­tritt, son­dern eine beein­druck­endes Engage­ment für unzäh­lige neon­azis­tis­che Grup­pen vor­weisen kann./3

Die Aktiv­itäten der „Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe“ und der „Staats- und Wirtschaft­spoli­tis­chen Vere­ini­gung“ find­en in ein­er Grau­zone statt. Eine Grau­zone, in der sich recht­skon­ser­v­a­tive Mil­itärs, ange­blich geläuterte Alt-Nazis, „Tabu-brechende“, aber von der par­la­men­tarischen Demokratie überzeugte Bun­destagsab­ge­ord­nete, um ein gutes Image der „Deutschen“ bemühte His­torik­er, Diskurs-ori­en­tierte neurechte Pub­lizis­ten und Kon­tak­te knüpfende junge Burschen­schaftler die Hände schüt­teln. Ein Graubere­ich, in dem die Worte „Kon­ser­vatismus“, „Preussen“, „Deutsches Volk“, „Elite“ eine pos­i­tive, „Poli­tis­che Kor­rek­theit“, „Mul­ti­kul­tur­al­is­mus“ und „Rechtschreibre­form“ eine neg­a­tive Bedeu­tung haben. Hin und wieder kann sich da auch gerne mal ein Neon­azi blick­en lassen, auch wenn es ver­fehlt wäre, das ganze Milieu als neon­azis­tisch zu beze­ich­nen. Gemein ist diesen Män­ner­grup­pen aber das Anliegen, recht­en Posi­tio­nen zur Diskur­shoheit ver­helfen zu wollen, wofür sie auf Beziehun­gen zu ein­er Menge ihres Amtes wegen anerkan­nter Per­so­n­en zurück­greifen kön­nen.
In jedem Falle lohnt sich ein­er inten­si­vere und dif­feren­ziert­ere Recherche der Per­so­n­enkreise, der Ide­olo­gien und der Aktiv­itäten dieser Milieus.

Friedrich und Fried­er­icke Groß

/1 Die Ein­ladung zu der Ver­anstal­tung mit den einzel­nen Pro­gramm­punk­ten find­est du hier (pdf-Datei auf der Seite der „Staats- und Wirtschaft­spoli­tis­chen Vere­ini­gung“): hxxp://www.swg-hamburg.de/Vortrage/Brandenburgisches_G
esprach_2010.pdf

/2 Mit deren Ausstieg haben sich auch die let­zten Bedenken aller bürg­er­lich­er Frak­tio­nen gegen den Wieder­auf­bau zer­streut. Dabei stim­men die Ver­laut­barun­gen der jet­zt tonangeben­den „Stiftung Gar­nisonkirche Pots­dam“ auch nicht ger­ade pos­i­tiv, was ver­mut­lich an der „Natur der Sache“ liegt. Eine glo­ri­fizierende Bezug­nahme auf die anti­demokratis­chen, nation­al­is­tis­chen und elitären Atten­täter des 20. Juli 1944 ist da nur ein Beispiel. Ein weit­eres wäre der, auch aus dem teil­weise ver­gle­ich­baren Dres­d­ner Diskurs rund um den Wieder­auf­bau der Frauenkirche bekan­nte Singsang über „Ver­söh­nung“, der den 2. Weltkrieg und die Shoah in eine undif­feren­zierte Erzäh­lung des all­ge­meinen Lei­ds der Men­schheit im 20. Jahrhun­dert einzu­bet­ten gedenkt

/3 Neben­bei bemerkt: Auf der stolz präsen­tierten Liste von knapp 200 Vor­tra­gen­den bei der SWG ste­hen die Namen von nur 3 Frauen.

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