Potsdam/Leipzig — Am 8. Dezember sollte im Bruno-Plache-Stadion das letzte Spiel des SV Babelsberg 03 gegen den 1. FC Lok Leipzig vor der Winterpause stattfinden. Es sollte ein schöner Sonntag werden, ein Tag der Freude und des Zeichens für Respekt und Menschenverstand. Jedoch aus Angst vor Übergriffen durch Nazis wurde für Probstheida von den Sicherheitskräften der Ausnahmezustand ausgerufen und vom gastgebenden Verein in Zusammenarbeit mit dem Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV) jede Äußerung gegen Diskriminierung in und rund um das Stadion verhindert. Die Spielabsage vom Freitag ändert nichts am skandalösen Verhalten der Behörden, des Verbandes und der Vereine. Im folgenden wollen wir, die Nordkurve Babelsberg, uns zu den Beschränkungen und den daraus resultierenden Konsequenzen äußern.
Die Nulldrei-Fans, die ihr Team am 8.12. in Leipzig unterstützen wollten, sollten ihre Tickets bereits im voraus kaufen. Ohne Rücksicht auf all jene, die außerhalb von Babelsberg und zum Teil weiter weg wohnen, waren die Tickets lediglich im Karl-Liebknecht-Stadion erhältlich. Gleichzeitig wurde die Gästekapazität begrenzt, was bedeutet, dass lächerliche 300 Karten für den Gästeanhang zur Verfügung gestellt wurden. Bei einer Gesamtkapazität des Gästeblocks von ohnehin nur 500 Plätzen, eine geradezu absurde Handlung. Am Sonntag sollte es eine Bannmeile um das Bruno-Plache-Stadion geben. Nur Menschen mit Tickets hätten diese „verbotene Zone“ betreten dürfen. Eine weitere Ausnahme wären Teilnehmer*innen der Demonstration „Blauweißbunt – Kein Fußball den Faschisten“ gewesen, die sich bis auf 800 Meter dem Stadion hätten nähern dürfen. Im Stadion selbst waren lediglich Fahnen, Banner, Schals und T‑Shirts erlaubt, welche die Vereinsfarben und Logos tragen. Antirassistische Positionierungen wurden als vermeintlich politische Äußerungen untersagt und sollten unterbunden werden. Diese Beschränkungen haben einzig und allein das Ziel, Zivilcourage und Engagement gegen Diskriminierung mit der verabscheuungswürdigen Verherrlichung rechtsradikaler Ideologie gleichzusetzen und offensiv zu verhindern.
Somit sollten wir, die engagierten Fans des SV Babelsberg 03, für das Verhalten einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Lok Fans beim Hinspiel im Karl-Liebknecht-Stadion bestraft werden. Denn es waren die Gäste aus Leipzig, welche die Kassen stürmten, die Mörder vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Gesängen huldigten, die Nordkurve angriffen, die den Platz stürmten und für eine Spielunterbrechung sorgten sowie unsägliche Gesänge wie „Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten“ skandierten.
Hinzu kommt, dass wir in unserem Engagement für Respekt und Menschenverstand allein gelassen werden. Der Verein SV Babelsberg 03 wurde vom NOFV unter Druck gesetzt und jede Äußerung zum antirassistischen Selbstverständnis des Vereins mit dem Verweis auf empfindliche Sanktionen verhindert. Der Verband möchte so jedes Engagement gegen Diskriminierung unter dem Dogma der vermeintlichen Neutralität des Sports aus dem Stadion verbannen. Außerhalb des Stadions beschränken die Sicherheitskräfte als vermeintliche Prävention gegen zu erwartende Übergriffe durch Nazis das Demonstrationsrecht statt eine engagierte Zivilgesellschaft zu unterstützen. Lok Leipzig, der NOFV und die Sicherheitsbehörden möchten durch diese repressiven Maßnahmen gewährleisten, dass das Stadion zum vermeintlich vorpolitischen Raum wird.
Die Legende vom vermeintlich unpolitischen Fußball einerseits und einer davon abgetrennten politischen Zivilgesellschaft auf der anderen Seite wird somit mit Reglementierung, Exklusion, Repression und Kontrolle erst erschaffen. Das Verhalten der Vereine, des Verbandes und der Sicherheitsbehörden bedeutet nichts anderes als das jedes Engagement gegen Diskriminierung aus dem Stadion verbannt werden soll. Vor allem bedeutet es aber, dass die Verantwortlichen vor den Nazis einknicken. Statt in und um das Stadion unmissverständlich Rassismus und Diskriminierung die Rote Karte zu zeigen, werden diejenigen ausgeschlossen, die sich genau dafür einsetzen. Statt Nazis ein weltoffenes, tolerantes und respektvolles Miteinander entgegenzusetzen, sollte aus Angst vor ihnen der Ausnahmezustand ausgerufen und eine Bannmeile errichtet werden. Die geplanten Maßnahmen rund um das Spiel zwischen dem 1. FC Lok Leipzig und dem SV Babelsberg 03 im Bruno-Plache-Stadion waren und bleiben ein Armutszeugnis für die Zivilgesellschaft und einen Fußball ohne Diskriminierungen.
Wir sind engagierte Fußballfans! Wir wollen laut, kreativ und bunt unser Team unterstützen. Wir zeigen immer und überall, dass Respekt und Menschenverstand auch ins Stadion gehören.
Wir werden laut und kreativ als Fußballfans und als engagierte Menschen gegen Diskriminierung und die Verherrlichung rechten Gedankenguts auch im Stadion Stellung beziehen. Wir verweigern uns der Simulation eines neutralen Sports. Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Homo- und Trans*phobie sowie Sexismus dürfen keine Chance haben – weder in unseren Kurven, noch außerhalb des Stadions!
Für eine bunte Kurve – Kein Fußball den Faschisten!