28. Mai 2019 · Quelle: province contraire

#1 Rechtsruck, Wahlen, Alarmismus

province contraire – Die Europawahlen schlugen ein, und das hart. Vorher erfolgreich verdrängt, zeigten die Wahlergebnisse was weder sein soll, noch sein darf. Das Gemisch, welches sich deutsche Linke nennt, ist überrascht, schockiert und alarmiert.

Prov­inzkalle schreibt gegen die Idi­otie. Aus der Prov­inz, für die Prov­inz. Gegen alles was kreucht und fleucht, reak­tionär oder regres­siv ist und sich fälschlicher­weise links nennt.
www.provincecontraire.noblogs.org

Die Europawahlen schlu­gen ein, und das hart. Vorher erfol­gre­ich ver­drängt, zeigten die Wahlergeb­nisse was wed­er sein soll, noch sein darf. Das Gemisch, welch­es sich deutsche Linke nen­nt, ist über­rascht, schock­iert und alarmiert. Klar, in Ost­deutsch­land ist die Prov­inz ver­loren, aber dass tat­säch­lich rechte Parteien in fast allen Kreisen stärk­ste Kraft wer­den, dass kon­nte doch nie­mand ahnen. Zumin­d­est keine, die glaubt mit einem Konz­ert, ein­er Mark­t­platz­tour oder ein­er #unteil­bar-Demo wirk­lich etwas zu bewe­gen und die Sit­u­a­tion außer­halb der Großstädte mehr als nur aus einem besorgten Augen­winkel wahrgenom­men hat.

Aber da wir es mit den selb­ster­nan­nten radikalen linken Kräften in Deutsch­land zu tun haben, fall­en solch ratio­nale und (selbst-)kritische Betra­ch­tun­gen zwis­chen Szene, Uni und Event­poli­tik nicht nur unter den Tisch, son­dern gle­ich in den Keller. Dementsprechend sind alle schock­iert von Wahlergeb­nis­sen und fra­gen danach noch schock­iert­er was man denn jet­zt tun könne um die Leute vor Ort zu „sup­port­en“.

Gwen­dolin Rick­ert, Teil der Kam­pagne #wan­nwennnicht­jet­zt und Autorin des elendi­gen Ver­suchs „links“ als Lifestylei­den­tität zu verkaufen namens Super­no­va Mag­a­zin, gibt in einem Wer­be­text der Kam­pagne in jen­em Mag­a­zin die Antwort: Geld spenden für einen „sol­i­darischen Som­mer im ländlichen Ostdeutschland“[sic!] [1]. Im gesamten Text hat man die fast platzende Halss­chla­gad­er der Leipzigerin vor Augen, wenn sie an die Wes­si-Linke und deren Reak­tio­nen auf die Wahlergeb­nisse denkt. In einem unfass­bar schlechtem Text, Schreib­stil wurde astrein durch Alarmis­mus und Rant erset­zt, schwingt sich Rick­ert in den ost­deutschen Richter­stuhl um den West­deutschen die Rache aller Ossis ent­ge­gen zu schleud­ern. Wenn die Prov­in­zan­tifa nach oben gegen die Szen­estädte tritt, treten diese ein­fach weit­er nach Westdeutschland.

Die Kam­pagne möchte bei Ver­anstal­tun­gen auf Mark­t­plätzen mit Leuten von vor Ort zusam­menkom­men und sich über The­men wie Arbeit­skämpfe, Klim­agerechtigkeit, Fem­i­nis­mus oder Recht­sruck aus­tauschen. Wer aus diesen ländlichen Regio­nen kommt und dort aktiv ist, kann bei solchen Vorstel­lun­gen nur laut lachen und den Kopf schüt­teln. Der Glaube daran mit ein­er solchen Mark­t­platz­tour und somit ein­er ein-Tages-Inter­ven­tion, die keine richtige Inter­ven­tion sein will, etwas zu verän­dern offen­bart, dass die Kam­pagne nicht mehr möchte als an einem Tag eine coole Ver­anstal­tung zu organ­isieren, sich selb­st darzustellen und das eigene Gewis­sen zu beruhi­gen. Andern­falls würde man Struk­turen vor Ort das zusam­menge­bet­telte Geld ein­fach in die Hand drück­en, damit diese sin­nvolle Dinge damit machen kön­nen. Das aber würde Auseinan­der­set­zun­gen mit Grup­pen auf dem Land erfordern und bietet keine Möglichkeit sich selb­st zu beweihräuch­ern. Wenn einem die ländlichen Regio­nen wichtig wären, hätte man diese über die let­zten Jahre nicht ignori­ert. So ein­fach ist das. Es gab und gibt immer noch genug Anlässe in die Prov­inz zu fahren, aber das ist ungemütlich und Spaß macht es auch nicht. Die Prov­in­zan­tifas sollen leise sein, uns machen lassen und am besten keine unan­genehmen Fra­gen stellen, wo man denn war bevor und während 2015/16 Heime bran­nten. Und vielle­icht möchte ja auch auf dem Dorf ein­fach nie­mand mit Grup­pen wie der IL zusam­me­nar­beit­en, die nicht in der Lage sind sich deut­lich gegen Anti­semitismus zu posi­tion­ieren und dafür sinnlos­es Kohle­gruben- und ‑bag­ger­hop­ping in der Lausitz machen. Denn da drängt sich nicht das Gefühl auf, dass statt Ver­net­zung und Aus­tausch, was auch Debat­ten ein­schließt, ein­fach Spielplätze gesucht wer­den auf die man die eige­nen poli­tis­chen Vorstel­lun­gen pro­jizieren kann.

Pro­jiziert wird aller­hand, der Knaller ist wohl die Vorstel­lung, “Erfahrun­gen während und nach der DDR” in den „Vorder­grund“ stellen zu müssen. Es soll also eine Selb­sthil­fe­gruppe für, an vie­len Punk­ten nicht unberechtigt, rumopfer­nde Ossis auf dem Mark­t­platz aufgemacht wer­den. Als wäre das nicht genug, ist dies eines der The­men mit dem die AfD seit Jahren auf der Über­hol­spur durch Ost­deutsch­land ballert. Das funk­tion­iert, weil die AfD es rein auf der emo­tionalen Ebene nur mit zusam­men­hangslosen Fak­ten­bezü­gen bedi­ent. Und das möchte man jet­zt entwed­er selb­st machen oder auf eine ratio­nale Ebene zurück­holen, wie auch immer das gehen soll. Ich sehe Rent­nerdi­eter von nebe­nan irgend­wie nicht mit der 25jährigen Sozi­olo­gi­es­tu­dentin Lau­ra auf dem Mark­t­platz bei Kaf­fee und Kuchen über neue Stu­di­en zu den Unter­schieden in Sachen Arbeits­be­din­gun­gen zwis­chen Ost und West disku­tieren. Aber vielle­icht fehlt mir da die Ein­bil­dungskraft. Oder ein ordentlich­er Drogenrausch.

Doch nicht nur #wan­nwennnicht­jet­zt greift beim Ver­such sich bei den Prov­in­zlern anzu­biedern daneben. Zahlre­iche Linke aus der Großs­tadt* mit selb­stat­testierten Ver­ständ­nis für die Prov­inz fühlen sich berufen ihre unqual­i­fizierte Mei­n­ung abzugeben und die Prov­inz gegen Aus­sagen wie „Ost­deutsch­land weg­bomben“ zu vertei­di­gen. Dabei ist genau jen­er Spruch die einzige Alter­na­tive, die ein Ende der elendi­gen Tristesse bedeuten würde. Er trifft die Mis­ere auf den Punkt. Ekel­haft sind dage­gen die Fra­gen, wie man denn sup­port­en könne. Die IL schlägt mit Spenden, wie oben erwäh­nt, den beque­men Ablasshan­del vor. Andere, ganz beson­ders Radikale plädieren für das Rausziehen aufs Land, um dort poli­tisch aktiv zu sein. Vergessen wird dabei, dass dieses allein nichts bringt. Poli­tis­che Arbeit funk­tion­iert in der Prov­inz anders, ist kaum anonym, dreck­ig und bietet keine Rück­zugsräume, der Gedanke an eine linke Szene gle­icht ein­er Utopie. Es gibt keine Szene als Leben­sum­feld, son­dern einzig die tägliche Auseinan­der­set­zung mit der bru­tal­en Real­ität abseits jed­wed­er poli­tis­chen Per­spek­tive. Der Abwehrkampf gegen die Wind­mühlen der nation­al-völkische Reak­tion ist unendlich und nicht zu gewin­nen. Ein Leben in diesen Ver­hält­nis­sen ohne Szene zum Rück­zug ist nichts für pater­nal­is­tisch-besorgte Linksradikale, die denken sie müssten jet­zt mal etwas tun und aufs Land ziehen. Ein­fach nie­mand möchte hier Unmen­gen an Zeit investieren, um euch zu betreuen, wenn ihr ver­sucht auf dem Ack­er gehen zu ler­nen. Lasst es ein­fach, ihr werdet hier nicht glück­lich und vor allem sind eure roman­tis­che Vorstel­lung der „Dor­fan­tifa“ nicht hil­fre­ich. Genau diese Diskus­sion zeigt das Ver­hält­nis der Prov­inz zur Szene: die Szene disku­tiert aufgeregt über Hand­lung­sop­tio­nen, was man denn nun wie machen könne, während die Prov­inz kein Stück über­rascht ist und weit­er ver­sucht sich deutschen Abgrün­den zu entziehen.

Es ist vol­lkom­men egal, ob poli­tis­che Arbeit dort oder hier wichtiger oder sin­nvoller ist. Denn sie lässt sich nicht in dieser Art kat­e­gorisieren. Und es ist auch nicht falsch in die Stadt zu ziehen und in der linken Blase zu leben, denn diese Welt wer­den wir nicht grundle­gend verän­dern und dementsprechend müssen wir uns so ein­richt­en, dass wir möglichst erträglich leben kön­nen. Das eigene Leben dem poli­tis­chen Krampf unterzuord­nen ist rev­o­lu­tion­sro­ma­tis­ch­er Quatsch. Helfen würde schon die Erken­nt­nis, dass der ländliche Raum eben­falls zu Deutsch­land gehört und damit auch zum Gegen­stand ein­er radikalen Linken in Deutsch­land. Das Disku­tieren über die prov­inzielle Tristesse und dem pater­nal­is­tis­chen (nicht-)Verhalten der linksradikalen Szene zu dieser ist hinge­gen nicht Gegen­stand jen­er, welche schlicht keine Ahnung haben. Ja Super­no­va, ihr seid auch gemeint, die Texte der Leipzigerin Rick­ert und auch der des Wegge­zo­ge­nen Klaas Anders [2] sind pro­duziert für den dig­i­tal­en Müll­haufen und pater­nal­is­tis­che Real­itätsver­weigerung in Reinform.

Diese „Diskus­sion“, welche dem Wort in kein­ster Form gerecht wird, zeigt ein­mal mehr die Idi­otie der soge­nan­nten deutschen Linken. Eine Bewe­gung welche sich einzig durch Real­itätsver­weigerung, Sze­nege­habe, sinnlos­er Event­poli­tik, offe­nen Anti­semitismus und der Unfähigkeit zur kri­tis­chen Debat­te ausze­ich­net, ist nicht nur pein­lich, son­dern auch grandios an allen jemals gestell­ten Ansprüchen gescheitert.

Übri­gens: Der Recht­sruck kann nicht ver­hin­dert wer­den. Er ist längst Realität.


* Ja, es ist egal ob man ursprünglich vom Dorf kommt und dort seine Jugend ver­bracht hat.

[1] https://www.supernovamag.de/osten-afd-wahl/

[2] https://www.supernovamag.de/die-arroganz-der-grossstadtlinken-nervt/

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