Gestern wurden vor dem Jugendschöffengericht in Prenzlau zwei 22 und 24 Jahre alte Männer wegen gefährlicher Körperverletzung begangen an einem Obdachlosen zu einem Jahr und sechs Monaten Jugendhaft und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Jahr Gefängnis wurde zu drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt.
In der mündlichen Urteilsbegründung des Jugendrichters fielen die Worte „unwertes Leben“ und „einem Obdachlosen den letzten Tritt verpassen“. Die Staatsanwältin formulierte „haarscharf am Tod vorbei“, sie sprach von „bösartigen“ und „menschenverachtenden“ Handlungen gegenüber einer hilflosen Person. Starke Worte gegen eine Tat über die es ganz nüchtern am 01.10. 2007 in der Prenzlauer Zeitung hieß: „Mann geschlagen“. Und die hochschwangere Freundin des zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilten Sven W. nach Prozessende jubeln ließ, was er doch für ein Schwein gehabt habe. Das Schwein wird er weiterhin brauchen, denn Sven W. und sein Prügelpartner Mike R. werden sich am 8. Oktober vor dem Schöffengericht in Prenzlau erneut wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen.
Ausgangspunkt für die starken Worte der Staatsanwältin und des Richters war die Aktennotiz einer Polizeibeamtin, die nach der Festnahme der vermeintlichen Täter mit Sven W. gesprochen hatte. Sie vermerkte, dass der Beschuldigte in menschenverachtender Weise über Obdachlose redete, sie als Sache bezeichnete und zitierte dann W. mit dem Satz: „Ich hätte ihn auch totgeschlagen!“
Tathergang
Zur Rekonstruktion des Tathergangs hörte das Gericht zwei Zeuginnen, die sich am 29. Sebtember 2007 in zwei gegenüberliegenden Gebäuden der Prenzlauer Friedrichstraße befanden. Die eine Frau hörte am 29.09.2007 morgens gegen 7.00 Uhr Schreie durch das geöffnete Fenster, blickte daraufhin auf die Straße und sah wie zwei junge Männer auf einen dritten am Boden liegenden Mann einschlugen und eintraten. Sie rief aus dem Fenster, dass die Männer aufhören sollten. Kurze Zeit später hörte sie ein Stöhnen unter ihrem Fenster und sie sah, dass sich das Opfer, ein stadtbekannter heute 57jähriger Obdachloser, bis unter ihr Fenster geschleppt hatte und dort auf dem Boden lag. Die Frau alarmierte die Polizei. Die beiden Täter entfernten sich in den Hinterhof des Hauses. Kurze Zeit darauf kamen sie zurück und einer der beiden sprang mehrfach mit beiden Füßen auf den Rücken des am Boden liegenden Mannes.
Vom Postgebäude an der gegenüberliegenden Straßenseite aus beobachtete die zweite Zeugin ebenfalls wie ein Mann mehrfach mit beiden Füßen auf das am Boden liegende Opfer sprang.
Sie informierte ebenfalls die Polizei. Sie sah auch, dass die beiden sich entfernenden Täter von einer heraneilenden Polizeistreife aufgehalten und überprüft wurden aber weitergehen durften. Die zweite Zeugin eilte auf die Straße, um den Polizisten mitzuteilen, dass sie die Täter gerade haben laufen lassen. Beide Frauen beschrieben die Täter eindeutig mit ihrer Kleidung.
Eine Polizeibeamtin, die an jenem Morgen an der Kontrolle der beiden jungen Männer beteiligt war, schilderte das Zusammentreffen: „Die haben uns gesagt, da hinten liege ein Assi.“
Motivation
Da die beiden Angeklagten vor Gericht schwiegen und das Opfer sich vor Gericht an nichts mehr erinnern konnte, bleibt die Frage nach der Vorgeschichte der Gewalttat unbeantwortet.
Auch die Frage, warum man sich ein derart hilfloses Opfer aussuchte, konnte damit nicht befriedigend beantwortet werden. Das Gericht schenkte den Aussagen der beiden Frauen, die noch durch DNS-Spuren an den Kleidungsstücken beider Angeklagten untermauert wurden, glauben und verwarf die ursprünglichen Aussagen beider Angeklagten vor der Polizei, die darauf hinausliefen Mike R. als jemanden darzustellen, der nicht an der Tat beteiligt war und den vermeintlichen Alleintäter Sven W. sogar an der Ausführung der Brutalitäten hindern wollte.
Nach ausführlicher Erörterung, ob Mike R., der zum Tatzeitpunkt noch 8 Tage bis zum Erreichen des Erwachsenenstrafrechts hatte, wirklich die nötige Reife fehlte, entschied sich das Gericht zur Anwendung des Jugendstrafrechts. Aber weil der Richter in den Taten des Mike R. eine „schädliche Neigung“ erkannte, verweigerte er die Bewährung und erhöhte das geforderte Strafmaß um sechs auf 18 Monate.