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Solidarität mit Aram M. und Vlad B.!

Stellen Sie sich vor, Sie sind ver­liebt. Stellen Sie sich vor, der geliebte Men­sch erwidert Ihre Gefüh­le. Sie führen eine Beziehung. Richtig ern­sthaft und es fühlt sich gut an. So eine Sache, die mit Respekt und Aus­tausch zu tun hat, mit Spaß und geteil­ten Inter­essen, so eine Sache mit lan­gen Gesprächen und allem, was für Sie dazu gehört,
allem, was Sie glück­lich macht.
Stellen Sie sich vor, Sie ziehen mit dem lieb­sten Men­schen in eine Woh­nung und der Ver­mi­eter kündigt ihnen nach kurz­er Zeit den Mietver­trag, weil er Ihre Liebe für Sodomie hält. Stellen Sie sich vor, auf einem Ihrer gemein­samen Spaziergänge wer­den sie bei­de zusam­mengeschla­gen, weil andere es als ekel­er­re­gend empfind­en, wenn Sie bei­de Hand in Hand gehen. Stellen Sie sich vor, bei der Polizei wer­den Sie nicht ernst genom­men, aus­gelacht, Ihnen wird sog­ar die Schuld an den Schlä­gen zugeschrieben. Schließlich sind Sie ja nur zwei Män­ner, die sich lieben.
Das war für Aram M. und seinen Part­ner Vlad B. lange die Real­ität. Aram flieht aus Arme­nien nach Rus­s­land, nach­dem er in seinem Geburt­s­land aus­ge­gren­zt und diskri­m­iniert, von sein­er Fam­i­lie ver­stoßen wurde, wed­er Arbeit noch Woh­nung fand. Alles wegen sein­er Homo­sex­u­al­ität. Alles, weil er nicht ver­steck­en wollte, dass er Män­ner liebt. In Moskau lernt er Vlad ken­nen, die bei­den ver­lieben sich, wer­den ein Paar. Nach­dem sie im Park zusam­mengeschla­gen wur­den entschließen sich die bei­den, nach Deutsch­land zu gehen, in ein Land, in dem sie sich Frei­heit und Akzep­tanz für ihr Leben wünschen.
Sie kaufen sich Flugtick­ets, ver­lassen ihr altes Leben und wollen ein neues begin­nen, von dem sie sich Besseres erhof­fen, Frei­heit zum Beispiel, die Frei­heit, zu lieben, wen sie wollen, die Frei­heit, ihre Liebe zu zeigen, zu feiern, die Frei­heit, sich nicht zu ver­steck­en, ohne Angst zu leben.
Am Flughafen Berlin-Tegel nimmt man ihnen die Pässe ab und anschließend wer­den die bei­den in die Erstauf­nah­mein­rich­tung nach Eisen­hüt­ten­stadt gebracht. Kaum dort angekom­men begin­nt die Ernüchterung — auf­grund der im Som­mer 2015 zunehmenden Anzahl von Men­schen, die vor Krieg und Ver­fol­gung Schutz suchen, wer­den sie in Mannschaft­szel­ten unterge­bracht. Ihre Part­ner­schaft wird auch in Eisen­hüt­ten­stadt nicht ernst genom­men, es scheint für die Sozialarbeiter_innen vor Ort unmöglich, dass zwei Män­ner ein Paar, eine Fam­i­lie bilden, die Kon­se­quenz daraus: Sie wer­den unter­schiedlichen Zel­ten zugewiesen. Die zwei, die so lange als Paar gekämpft haben, ein Paar sein zu dür­fen, die als Paar ihre Heimat ver­lassen haben, wer­den gle­ich als erstes in dem ver­meintlich frei­heitlichen Land getren­nt. Und es geht genau­so weit­er: nach 12 Tagen erfol­gt die Unter­bringung in Notun­terkün­ften, Aram kommt nach Frankfurt/Oder, Vlad nach Kirch­mös­er, einem Stadt­teil von Bran­den­burg an der Hav­el. Dort lernt er Alis­sa ken­nen. Sie ist selb­st aus Rus­s­land geflo­hen, nach­dem in ihrer Nach­barschaft Flug­blät­ter aushin­gen, die sie als Pädophile dif­famierten. Alis­sa ist les­bisch und LGBTI-Aktivistin und stellt den Kon­takt zu Emma Sil­ver­stein her. Die küm­mert sich, nimmt Kon­takt zu Har­ald Pet­zold, Bun­destagsab­ge­ord­neter der LINKEN und deren queer­poli­tis­ch­er Sprech­er, auf. Der macht Druck beim BAMF: wie es sein könne, ein Paar nach solchen trau­ma­tis­chen Erleb­nis­sen zu tren­nen. Wenige Tage später zieht Aram zu Vlad ins Heim. Aber der Ärg­er hat kein Ende: die Sozialarbeiter_innen der Notun­terkun­ft rat­en den bei­den, ihre Homo­sex­u­al­ität zu ver­ber­gen, son­st dro­he Ärg­er mit anderen mus­lim­is­chen Heimbewohner_innen.
Sechs Monate leben sie in dem Heim, sechs Monate geht das Ver­steck­spiel weit­er. So hat­ten sie sich das Leben in Deutsch­land nicht vorgestellt. Die bei­den wollen in eine eigene Woh­nung. Sie haben nach wie vor Angst. Es gibt viel Aus­tausch mit dem Sozialamt, viele Diskus­sio­nen, es kostet viel Kraft, viel Energie. Endlich beziehen sie mit einem anderen les­bis­chen Paar eine Ver­bund­woh­nung in Bran­den­burg an der Hav­el, drei Zim­mer für vier Per­so­n­en. Endlich etwas Pri­vat­sphäre. Aram spricht Englisch und etwas Deutsch, Vlad begin­nt mit dem Deutschunter­richt. Aram bemüht sich um Arbeit, find­et eine Prak­tikumsstelle in einem Friseur­sa­lon. Er mag es, wieder zu arbeit­en, lernt immer bess­er Deutsch zu sprechen. Auch die Kund_innen nehmen Anteil an sein­er Geschichte, sie fra­gen, wo er herkommt, warum er gegan­gen ist. Die meis­ten wis­sen gar nicht, wie schlimm die Sit­u­a­tion queer­er Men­schen an vie­len Orten dieser Erde ist.
Mit­tler­weile sind sie Teil der LGBTI-Com­mu­ni­ty in der Havel­stadt, sie gehen gemein­sam zu Par­tys und begin­nen sich ein neues Leben aufzubauen. Gemein­sam mit Vlad und Aram sowie anderen LGBTI-Aktivist_in­nen vor Ort haben wir, eine Gruppe von Unterstützer_innen, eine Refugee-LGBTI-Con­fer­ence vom 15. bis 17. April organ­isiert und durchge­führt, mit dem Ziel, Men­schen zusam­men­zubrin­gen und zu unter­stützen. Nun brauchen Aram und Vlad Unter­stützung, denn nach fast einem Jahr bekommt das Paar die Ein­ladun­gen zum Inter­view beim BAMF. Bei­de erhal­ten unter­schiedliche Ter­mine. Wieder wer­den sie als Paar nicht ernst genom­men. Ihr Anwalt ruft mehrmals beim BAMF an und ver­weist darauf, dass die bei­den zusam­men als Lebenspart­ner nach Deutsch­land gekom­men sind und deshalb auch einen gemein­samen Ter­min erhal­ten müssen — mit Erfolg.
Während des Inter­views wurde Aram nicht zu sein­er Sit­u­a­tion in Arme­nien befragt. Immer wieder, wenn er ver­sucht, darauf zu sprechen zu kom­men, wird er abgewürgt. Schließlich habe er mehrere Jahre in Rus­s­land ver­bracht und sei von dort in die Bun­desre­pub­lik ein­gereist, so die Argu­men­ta­tion der BAMF-Mitar­bei­t­erin. Und warum die bei­den ihre Homo­sex­u­al­ität nicht dezen­ter gelebt hät­ten. Das hät­ten sie doch nach dem ver­meintlichen Über­fall im Park auch getan und da hät­ten sie dann ja auch keine Prob­leme gehabt. Anson­sten ist auch hier die Part­ner­schaft kein The­ma. Es gehe um Aram per­sön­lich, sein rus­sis­ch­er Part­ner tue da nichts zur Sache. Nach einem Monat und 12 Tagen kommt der Neg­a­tivbescheid, das Asylver­fahren ist abgeschlossen — vorerst.
Begrün­dung: Da Aram über Rus­s­land ein­gereist sei, gelte §3AsylG nicht, da er nicht aus dem Land käme, dessen Staat­sange­hörigkeit er besitzt. Eine begrün­dete Furcht vor Ver­fol­gung als Homo­sex­ueller in Arme­nien habe er nicht vor­ge­tra­gen. Außer­dem sei die Ver­fol­gung als Homo­sex­ueller in Arme­nien nicht wahrschein­lich. Sein Lebenspart­ner Vlad hat bish­er keine Antwort vom BAMF.
Hal­ten wir fest: Aram wurde beim Inter­view daran gehin­dert, über die Gründe der Aus­reise von Arme­nien nach Rus­s­land zu sprechen. Das BAMF erken­nt die Part­ner­schaft der bei­den Men­schen nach wie vor nicht an, denn in ihrem Welt­bild scheinen nur Mann und Frau ein Paar bilden zu kön­nen. Soll­ten Men­schen sich nicht diesem Muster unterord­nen, wollen sie Doku­mente sehen, eine Heirat­surkunde zum Beispiel. Nur ist die Heirat gle­ichgeschlechtlich­er Men­schen sowohl in Arme­nien, in Rus­s­land und auch in Deutsch­land nicht möglich.
Wir lassen unsere Fre­unde nicht alleine und kämpfen für die Anerken­nung der bei­den als Lebenspart­ner und dafür, dass wed­er Aram nach Arme­nien, noch Vlad nach Rus­s­land abgeschoben wird. Wir haben uns entschlossen, unseren Kampf öffentlich zu führen, zum einen, um nicht nur Aram und Vlad, son­dern auch anderen LGBTI-Geflüchteten zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, und zum anderen, um auf die diskri­m­inierende Prax­is des BAMF aufmerk­sam zu machen.
Wir wer­den am Mittwoch den 29. Juni um 19:00 Uhr in der Geschäft­stelle der Partei DIE LINKE, Kirch­hof­s­traße 1–2, 14776 Bran­den­burg an der Hav­el, ein erstes offenes Tre­f­fen ver­anstal­ten. Ziel ist es, Öffentlichkeit zu schaf­fen und gemein­sam zu berat­en, wie wir die bei­den in Zukun­ft unter­stützen können.
Orgateam der Refugee-LGBTI-Conference

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