Ihr erinnert euch vielleicht, am 26.12.2011 wurde das Haus Stiftstraße 5 für einen Tag besetzt und dann, nach ca. 24 Stunden durch eine Sonderpolizeieinheit geräumt. Im Haus hielten sich zum Zeitpunkt der Räumung 17 Personen auf, deren Personalien überprüft wurden. Nach einigem hin und her, einem Angebot seitens des Gerichts auf Einstellung gegen Geldbuße, einem Strafbefehl und unserem Widerspruch haben wir nun alle gerichtliche Vorladungen zum 2. Juli 2013 bekommen und sollen uns nun dort für unsere „Straftat verantworten“.
Hausbesetzungen im Allgemeinen, die Stiftstraße im Besonderen
Nach dem weltweiten Zusammenbruch der Immobilienblasen (USA, Spanien usw.) stürzen sich die Investoren auf das vermeintlich sichere Deutschland, wie die Fliegen auf den Scheißhaufen. Hier lohnen sich Investitionen, denn die Krise, die woanders zu Massenarbeitslosigkeit und Zwangsräumungen führt, wurde in Deutschland schon lange vor ihrem Beginn mittels Sozialabbau und Beschneidung des Arbeitsrechts so gepuffert, dass im Vergleich zu anderen Ländern paradiesische Verhältnisse für Kapitalinteressen herrschen. Wer Häuser baut, kann hier Eigentumswohnungen zu astronomischen Preisen anbieten. Wer vermietet muss sich nicht über Leerstand beklagen und zehn Euro pro Quadratmeter werden nach und nach nicht nur für Potsdam zur Normalität. Die politisch Verantwortlichen reden nicht mehr vom Grundrecht auf wohnen, dass jedem Menschen ein Dach über dem Kopf garantieren soll, sondern das Mietrecht wird im Gegenteil so beschränkt, dass Hausbesitzer es nun leichter haben MieterInnen räumen zu lassen oder wegen Sanierungsbedarf herauszuklagen.
In Potsdam können viele ein Lied davon singen, wie es ist die letzten unsanierten, und deswegen noch bezahlbaren, Wohnungen wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen und vielleicht zu finden, um dann wieder Angst vor der zwangsläufigen Sanierung zu haben, da das endgültig der Moment sein könnte, wo man beschließt, dass die Stadt einfach zu teuer für uns geworden ist. Gespräche lenken sich fast automatisch auf das eine bestimmende Thema „ich brauch ne Wohnung, weißt du was?“, oder „bei mir wird jetzt auch saniert, ich weiß echt nicht mehr wohin“.
Wir werden getrieben von Leuten, die sich mit unseren Grundbedürfnissen eine goldenen Nase verdienen, denen das „Recht“ zusteht, uns mittels ihres Eigentums bis zur Hälfte unseres Einkommens aus der Tasche zu ziehen.
Hausbesetzungen stellen die Eigentumsfrage, denn wer in ein fremdes Gebäude einsteigt oder sich ohne Erlaubnis, also ohne Mietvertrag, dort aufhält und dann noch billige oder sogar kostenfreie Wohnungen für alle fordert, stellt das System von Besitz und Verkauf prinzipiell in Frage. Das Haus in der Stiftstraße stand jahrelang leer, nur um es später zu verkaufen. Das war der Plan der kirchlichen Einrichtung Diakonie/Lafim und der wurde so auch in die Tat umgesetzt. Dafür wurde das Haus beheizt und bewacht und schließlich an den Stadtbekannten „Immobilienhai“ und Unternehmer H. Behnke verkauft. Moralisch scheint der kirchlichen Einrichtung die Umwandlung eines ihrer Objekte in Eigentumswohnungen genauso wenig Probleme zu bereiten, wie der Fakt das eines ihrer Häuser im Winter beheizt wurde (und leer stand), während 500 Meter weiter am Mercure Hotel Menschen unter der Brücke schlafen. Für die Diakonie/Lafim sind wir das Problem, da wir diesen Missstand öffentlich gemacht haben, und genau deswegen, ließ sich die Kirchliche soziale Einrichtung es nicht nehmen, Strafantrag gegen uns zu stellen mit dem Ziel uns nicht nur bestrafen zu lassen, sondern auch einen angeblich entstanden Schaden einzufordern.
Moral, Moral — ach die Moral!
Die Kirche ist uns egal! Sie werden sich lächerlich machen, wenn sie versuchen der Öffentlichkeit zu erklären, was daran sozial sein soll ein Haus in bester Lage leer stehen zu lassen und es dann an den Höchstbietenden zu verscherbeln. Wir werden den Prozess nutzen, um diesen Punkt zu thematisieren.
Was den BesetzerInnen gelungen ist, war mit der Hausbesetzung offensiv ein Haus im besten Zustand und in bester Lage mitten im Winter zu öffnen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es wurde stundenlang in den RBB RadioNachrichten darüber berichtet, es kam Presse um Interviews zu machen und viele Menschen, um sich zu solidarisieren oder im Fall der Räumung vor oder im Haus ihren Standpunkt klarzumachen. Die Besetzung in der Stiftstraße kann durchaus als der Startschuß für die Mietenstoppkampagne im Jahr 2012 gesehen werden und mündete im Juni in einer überwältigenden Bündnisdemonstration, die klar gemacht hat, dass es so nicht weitergeht!
Der Prozess
Der Prozess ist nicht nur der repressive Versuch, uns für unser Politisches Engagement zu bestrafen, er bietet auch die Möglichkeit in der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, dass wir bestraft werden sollen, weil wir uns in einem Haus aufgehalten haben, in dem nichts zerstört oder beschädigt worden ist, bis die Polizei eintraf.
Es ist das in Frage stellen kapitalistischer Normalität, wenn Menschen beschließen, dass ein Schlüssel nicht passen muss, um in ein Haus zu kommen, oder die Tür manchmal schon offensteht. Es ist die Ruhe, die sie brauchen, um uns zu zwingen, für jede Scheiße Geld zu bezahlen und dafür zu arbeiten. Diese Ruhe wird gestört, wenn Regeln des Eigentums nicht mehr gelten und Leute massenhaft Türen öffnen, um sich Wohnraum zu suchen. Deswegen sollen Hausbesetzungen strafrechtlich nicht „unter den Tisch fallen“, sondern, verfolgt werden, auch wenn objektiv kein Schaden, außer der des öffentlichen Ansehens entstanden ist.
Deswegen werden wir verfolgt, die wir uns „nur“ im Haus aufgehalten haben und nicht die PolizistInnen, die, ohne Not, zwei Glastüren eingeschlagen und jede Tür im Haus aufgetreten haben, obwohl sie gar nicht abgeschlossen waren. Deswegen sollen wir als Straftäter gebrandmarkt werden, weil wir mit Mitteln des zivilen Ungehorsams auf einen sozialen Notstand aufmerksam gemacht haben, und nicht diejenigen, die als Besitzer von leerstehenden oder zu teuer vermieteten Häusern dafür verantwortlich sind.
Wir wurden nach der Räumung widerrechtlich von vermummten PolizistInnen gefilmt und rumgeschubbst. Dieselben PolizistInnen waren am darauffolgenden Tag für einen skandalösen Polizeikessel in der Dortustraße verantwortlich, weil ihr Einsatzleiter mit überzogenen Auflagen die Anmeldung einer Demonstration verhindern wollte. Das die Lage daraufhin eskalierte, soll wiederum an den Demonstrierenden gelegen haben und nicht, wie es den Eindruck machte, an der aggressiven und vermummten Spezialeinheit aus Potsdam. Auch hier wurden im Anschluss an die Demonstration ca. 70 TeilnehmerInnen widerrechtlich abgefilmt und sehr rüde des Platzes verwiesen.
Wir werden versuchen diese Umstände in aller Öffentlichkeit zu thematisieren. Uns geht es nicht darum, das der Bürgerliche Staat uns Recht gibt oder nicht, denn er ist für die Missstände mit verantwortlich, wie soll er dann über uns urteilen. Wir wollen die Besetzung der Stiftstraße gemeinsam abschließen und das sagen, was uns schon als MitbesetzerInnen wichtig war zu sagen.
Wir Bleiben Alle!
Wir wollen, dass über den Faktor Mieten hinaus anerkannt wird, dass es in Potsdam eine Geschichte des Haus Besetzens gibt und als Ergebnis davon eine Vielzahl von Projekten entstanden sind. Wenn irgendwo in Potsdam die Mieten deutlich unter dem Mietspiegel liegen, ist es in den Hausprojekten, die aus den Hausbesetzungen der 90er Jahre entstanden sind. Sie sollen nun entweder verschwinden, wie die Wagenburg auf Hermanswerder, sich anpassen, wie das Archiv oder zu überhöhten Preisen kaufen, wie die Hausprojekte mit Pachtverträgen. Das einzige noch besetzte Haus, die La Datscha, wird in seiner Existenz bedroht, weil die Stadt Potsdam das Wasser abstellen will, wenn nicht eine völlig falsch aufgestellte Rechnung bezahlt werden sollte.
Während bei Garnisonkirche und Co, das öffentliche Geld sehr locker sitzt, wird bei den linken Projekten um jeden Cent verhandelt, als ginge es um die Rettung der Stadtkasse. Damit muss Schluss sein!! Deswegen unterstützt uns bei den Prozessen! Kommt am 2. Juli um 8.30 in die Jägerallee, um zu zeigen, dass nur einige angeklagt sind, sich aber viele andere solidarisch zeigen.
Kommt alle zur Demonstration am 22. Juni unter dem Motto: „Die Stadt gehört
uns allen!“ um 16.00 Uhr zum Platz der Einheit.
Miete zahlen ist kein Naturgesetz, lasst uns gemeinsam kämpfen!
Weg mit Anklagen wegen Hausbesetzungen! Schluss mit dem Mietenterror!