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Berlin/Brandenburg: Die Neonazi-Aufmärsche zum Heß-Todestag aus Brandenburger Sicht

Die Ehrung des vor 30 Jahren aus dem Leben geschiede­nen NS Ver­brech­ers Rudolf Heß hat im neon­azis­tis­chen Milieu immer noch einen gewis­sen Stel­len­wert. Wahlweise wird er als ange­blich­er „Friedens­flieger“, so genan­nter „Mär­tyr­er des Friedens“ oder ver­meintlich unbeugsamer Kämpfer der Bewe­gung verehrt. Vor allem seine Schluss­worte im Nürn­berg­er Kriegsver­brecher­prozess: „Ich bereue nichts“ scheinen für das heutige Neon­azi-Milieu immer noch eine starke Fasz­i­na­tion auszuüben. Zumin­d­est zierte die Wort­gruppe das Front­ban­ner des zen­tralen Heß-Gedenkens am ver­gan­genen Sam­stag in Berlin. An dieser angemelde­ten Ver­samm­lung beteiligten sich unge­fähr 850 Neon­azis aus dem gesamten Bun­des­ge­bi­et sowie offen­bar auch aus Öster­re­ich, Ungarn, Schwe­den, Finn­land, Frankre­ich und Groß Britannien.
Offiziell stand die offen­sichtliche Heß-Glo­ri­fizierung in Berlin jedoch unter dem Mot­to: „Gebt die Akten frei“. Eine offene Ver­her­rlichung der nation­al­sozial­is­tis­chen Gewalt- und Willkürherrschaft bzw. eines ihrer Haup­trepräsen­tan­ten tang­iert in der Bun­desre­pub­lik näm­lich den Straftatbe­stand der Volksver­het­zung. Laut Tagesspiegel, wurde den Neon­azis deshalb u.a. die polizeiliche Auflage erteilt Heß wed­er „in Wort, Schrift oder Bild“ zu ver­her­rlichen. Ein Gericht soll die Polizeiau­flage schließlich, nach ein­er Klage der Ver­anstal­tenden, bestätigt haben.
Daran gehal­ten wurde sich jedoch den­noch nicht. Bere­its während ein­er „Zwis­chenkundge­bung“ laß Red­ner Sebas­t­ian Schmid­ke (NPD) aus dem Tage­buch von Abdal­lah Melaouhi vor. Der Tune­si­er war im Kriegsver­brecherge­fäng­nis in Span­dau let­zter Pfleger von Rudolf Heß. In seinem Buch, das er zusam­men mit NPD Poli­tik­er Olaf Rose, der am ver­gan­genen Sam­stag eben­falls Red­ner auf­trat, veröf­fentlichte, wird der NS Ver­brech­er pos­i­tiv aufgew­ertet, weswe­gen Melaouhi, laut Infor­ma­tio­nen der Zeitung „Die Welt“ aus dem Jahr 2008, mehrfach bei Ver­anstal­tun­gen der Nation­aldemokrat­en auf­trat und deswe­gen let­z­tendlich auch aus dem Berlin­er Migra­tions- und Inte­gra­tionsrat flog. Der britis­che „His­torik­er“ Peter Rush­ton bezog sich in sein­er Rede eben­falls auf das Tage­buch des tune­sis­chen Pflegers und nan­nte Heß auch beim Namen. Zuvor hat­te Sebas­t­ian Schmid­ke kurz vor Ende des Auf­marsches bere­its laut­stark die Parole: „Rudolf Heß – das war Mord“ skandiert, die auch von einem Teil der Teil­nehmenden wieder­holt wurde.
Ins­ge­samt blieb die Anzahl der teil­nehmenden Neon­azis, für einen inter­na­tion­al bewor­be­nen Auf­marsch, jedoch deut­lich unter dem möglichen Poten­tial. Zum Ver­gle­ich: Das Recht­srock Event am 15. Juli 2017 im thüringis­chen The­mar mobil­isierte unge­fähr 6.000 Per­so­n­en aus dem neon­azis­tis­chen Milieu.
Bran­den­burg­er Neon­azis in Berlin

Politisch rechts außen, auf dem Foto in der Mitte: Robert Wolinski (NPD Landesvorstand, Stadtverordneter und aktueller Bürgermeisterkandidat für Velten) während des Marsches für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in Berlin-Spandau
Poli­tisch rechts außen, auf dem Foto in der Mitte: Robert Wolin­s­ki (NPD Lan­desvor­stand, Stadtverord­neter und aktueller Bürg­er­meis­terkan­di­dat für Vel­ten) während des Marsches für Hitler-Stel­lvertreter Rudolf Heß in Berlin-Spandau

Den­noch zog der Heß-Marsch auch einige Bran­den­burg­er Neon­azis in den Berlin­er Bezirk Span­dau. Vor allem die „nation­aldemokratis­chen“ Struk­turen waren der Mobil­isierung für den Aufzug gefol­gt. Aus dem Land­kreis Ober­hav­el war beispiel­sweise der Vel­tener Bürg­er­meis­terkan­di­dat, Stadtverord­nete und NPD Lan­desvor­stand Robert Wolin­s­ki mit ein­er größere Gruppe angereist, aus Spreen­hagen die Gemein­de­v­ertreterin Manuela Kokott samt ihrem Lebens­ge­fährten aus Fürstenwalde/Spree (Land­kreis Oder-Spree). Weit­ere NPD Klien­tel reis­ten u.a. aus dem Land­kreis Spree-Neiße an.
Der III. Weg war durch dessen „Gebi­et­sleit­er Mit­ter“, Matthias Fis­ch­er aus Anger­münde (Land­kreis Uck­er­mark), sowie Einzelper­so­n­en aus dem Raum Pots­dam vertreten.
Aus dem Raum Rathenow/Premnitz (Land­kreis Havel­land) reiste eine Gruppe von Akteuren aus oder dem Umfeld der ver­bote­nen Kam­er­ad­schaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“ an, die heute den Ham­mer­skins nahe ste­hen sollen.
Aus Wittstock/Dosse (Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin) waren einzelne „Autonome Nation­al­is­ten“ sowie „Freier Kräfte“ angereist. Unter ihnen auch der Organ­isator mehrerer asylfeindlich­er Ver­samm­lun­gen, Ron­ny S. Er gilt als ein­er der führen­den Köpfe der Witt­stock­er Neon­aziszene. Er beteiligte sich bere­its im Jahre 2004 an einem „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wittstock/Dosse.
Aus Ost­bran­den­burg waren zudem einzelne Akteure der so genan­nten „Freien Kam­er­ad­schaft MOL“ angereist.
Spon­tan­marsch in Falkensee
Spontaner Heß-Aufmarsch in Falkensee (Landkreis Havelland)
Spon­tan­er Heß-Auf­marsch in Falkensee (Land­kreis Havelland)

Allerd­ings erre­icht­en nicht alle Bran­den­burg­er Neon­azis das „Heß-Gedenken“ in Berlin-Spandau.
In Rathenow sollen beispiel­sweise zwei Aktivis­ten, die auf dem Weg dor­thin waren, von ein­er Gruppe von mehreren Per­so­n­en am Rathenow­er Bahn­hof zusam­mengeschla­gen wor­den sein. Bei den Ange­grif­f­e­nen soll es sich, unbestätigten Infor­ma­tio­nen zu Folge, um Akteure des „N.S Havel­land“ gehan­delt haben. Allerd­ings hät­ten diese ohne­hin nicht den Ver­anstal­tung­sort erre­icht, da der Zugverkehr nach Berlin durch einen Bran­dan­schlag auf eine Sig­nal­s­teuerung von Unbekan­nten voll­ständig zum Erliegen kam.
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Dave Trick (Stadtverord­neter, NPD Neu­rup­pin, Freie Kräfte Neu­rup­pin-Osthavel­land) während des Spon­ta­nen Heß-Marsches in Falkensee (Foto: Fabi­an Schumann)

Ähn­lich ver­hielt es sich im Bere­ich der Bahn­lin­ie des RE2 zwis­chen Nauen und Berlin-Span­dau. Dort war der Zugverkehr eben­falls durch einen Bran­dan­schlag gestört. Eine Gruppe Anreisender Neon­azis, die Polizei sprach später von 120, war daraufhin in Briese­lang aus dem Zug gestiegen und hat­te sich spon­tan und zu Fuß in Rich­tung Span­dau gelaufen. Gegen 13.30 Uhr hat­ten sie dann in Marschfor­ma­tion und Ban­nern Falkensee erre­icht. Dort sollen sie sich dann später mit den Insassen von zwei Bussen, die eben­falls am „Heß-Gedenken“ in Berlin-Span­dau teil­nehmen woll­ten, vere­inigt haben und laut Polizei, gegen 17.00 Uhr einen Auf­marsch unter dem Mot­to „Mord ver­jährt nicht – Gebt die Akten frei“ angemeldet haben. An dem Aufzug in Falkensee, der gemäß Polizei auf nun­mehr 250 Teil­nehmende gewachen war, waren vor allem Neon­azis aus Nor­drhein-West­falen, Nieder­sach­sen und Ham­burg beteiligt. Aus Bran­den­burg nahm eine mehrköp­fige Gruppe um den Neu­rup­pin­er NPD Stadtverord­neten Dave Trick teil, die auch als „Freie Kräfte Neu­rup­pin-Osthavel­land“ in Erschei­n­ung tritt. Außer­dem beteiligte sich ein Akteur des III. Weges aus dem Land­kreis Pots­dam-Mit­tel­mark an dem Auf­marsch in Falkensee.
Fotos aus Berlin: hier
Fotos aus Falkensee: hier und hier
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Uckermark/Templin: III. Weg markierte Revier

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Der bun­desweit aktive, neon­azis­tis­che „dritte Weg“ führte am Sam­stag mehrere Aktio­nen im nord­bran­den­bur­gis­chen Land­kreis Uck­er­mark durch. Schw­er­punkt der Aktiv­itäten des dor­ti­gen Parteistützpunk­tes war ein Auf­marsch in der Kle­in­stadt Tem­plin. Weit­ere Aktio­nen soll es, Polizeiangaben zu folge, auch in Pren­zlau, Schwedt und Anger­münde gegeben haben.
Auf­marsch in Templin
An der Demon­stra­tion des „drit­ten Weges“ in Tem­plin beteiligten sich unge­fähr 40 Per­so­n­en, die größ­ten­teils aus Bay­ern und Sach­sen sowie vere­inzelt aus Berlin und augen­schein­lich auch aus Rhein­land-Pfalz zugereist waren. Von den bekan­nten Bran­den­burg­er Funk­tionären der Partei war jedoch lediglich der so genan­nte „Gebi­et­sleit­er Mitte“, Matthias Fis­ch­er, vor Ort.
Der Aufzug des „III. Weges“ startete gegen 15.10 Uhr vor den Toren der mit­te­lal­ter­lichen Stadt­be­fes­ti­gung Tem­plins, auf einem Park­platz in der Oberen Müh­len­straße Ecke Heines­traße,  und führte zum barock­en Mark­tensem­ble in der Innen­stadt. Dort hielt die Partei eine Zwis­chenkundge­bung mit zwei Rede­beiträ­gen vor dem his­torischen Rathaus der Stadt ab. Die Reden wur­den von Matthias Fis­ch­er und dem „stel­lvertrete­nen Gebi­et­sleit­er Mitte“, Toni Gentsch aus Plauen, gehalten.
Bei der Gestal­tung ihres Auf­marsches legte der „dritte Weg“ offen­bar vor allem auf einen rel­a­tiv straff organ­isierten, pathetisch insze­nierten Auftritt wert. So zogen die Teil­nehmenden der Ver­samm­lung in Zweier­rei­hen sowie etlichen Fah­nen und Plakat­en durch die Stadt.
Entsprechend dem Ver­anstal­tungsmot­to: „Über­frem­dung stop­pen – Heimat bewahren“ posi­tion­ierte sich der „III. Weg“ haupt­säch­lich zum The­ma: „Asyl“. Während der Zwis­chenkundge­bung auf dem Mark­t­platz wurde aber auch wieder ein Plakat mit der Parole: „Arbeit adelt“ gezeigt. Diesen Slo­gan benutzte u.a. auch der seit 1945 ver­botene, nation­al­sozial­is­tis­che  „Reich­sar­beits­di­enst (RAD)“ als Erkennungszeichen.
Pro­fil­ierung gegen die Konkur­renz im eige­nen Milieu
Die Stadt Tem­plin scheint für den III. Weg von beson­derem Inter­esse zu sein. Möglicher­weise nicht nur weil dessen „Gebi­et­sleit­er Mitte“ dort geboren wurde, son­dern möglicher­weise weil dort auch die Konkur­renz von der NPD um Anhänger­schaft buhlt. Bere­its im März des ver­gan­genen Jahres sollen die neon­azis­tis­chen „Nation­aldemokrat­en“  beispiel­sweise eine Kundge­bung mit 60 Sym­pa­thisieren­den in der uck­er­märkischen Kle­in­stadt durchge­führt haben. Der „III. Weg“ kam eine Woche später „lediglich“ auf eine Per­so­n­en­stärke zwis­chen 40 und 50.
Anders nun die Sit­u­a­tion in 2017. In diesem Jahr sagte die NPD eine zunächst für den 16. Juni 2017 geplante Kundge­bung ersat­z­los ab, so dass sich der „III. Weg“ im lokalen, milieuin­ter­nen Rank­ing nun schein­bar deut­lich­er pro­fil­ieren kon­nte. Allerd­ings aber eben nur mit der mas­siv­en Unter­stützung aus anderen Bundesländern.
Über­re­gion­al spielte die 40 köp­fige Demon­stra­tion des drit­ten Weges in Tem­plin am Sam­stag jedoch inner­halb des neon­azis­tis­chen Milieus so gut wie keine Rolle. Die Haup­tat­trak­tion für Neon­azis war an diesem Tag ver­mut­lich eher das NPD-nahe Recht­srock-Event „Rock für Deutsch­land“ in Gera (Thürin­gen). An dieser Konz­ertver­anstal­tung sollen bis zu 800 Per­so­n­en teilgenom­men haben. Des weit­eren führte das „Pro Deutschland“-nahe extrem rechte Aktions­bünd­nis „Wir für Deutsch­land“ in Berlin einen Aufzug mit unge­fähr 500 Teil­nehmenden durch.
Weit­ere Fotos aus Tem­plin: hier

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