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Berlin/Brandenburg: Die Neonazi-Aufmärsche zum Heß-Todestag aus Brandenburger Sicht

Die Ehrung des vor 30 Jahren aus dem Leben geschiede­nen NS Ver­brech­ers Rudolf Heß hat im neon­azis­tis­chen Milieu immer noch einen gewis­sen Stel­len­wert. Wahlweise wird er als ange­blich­er „Friedens­flieger“, so genan­nter „Mär­tyr­er des Friedens“ oder ver­meintlich unbeugsamer Kämpfer der Bewe­gung verehrt. Vor allem seine Schluss­worte im Nürn­berg­er Kriegsver­brecher­prozess: „Ich bereue nichts“ scheinen für das heutige Neon­azi-Milieu immer noch eine starke Fasz­i­na­tion auszuüben. Zumin­d­est zierte die Wort­gruppe das Front­ban­ner des zen­tralen Heß-Gedenkens am ver­gan­genen Sam­stag in Berlin. An dieser angemelde­ten Ver­samm­lung beteiligten sich unge­fähr 850 Neon­azis aus dem gesamten Bun­des­ge­bi­et sowie offen­bar auch aus Öster­re­ich, Ungarn, Schwe­den, Finn­land, Frankre­ich und Groß Britannien.
Offiziell stand die offen­sichtliche Heß-Glo­ri­fizierung in Berlin jedoch unter dem Mot­to: „Gebt die Akten frei“. Eine offene Ver­her­rlichung der nation­al­sozial­is­tis­chen Gewalt- und Willkürherrschaft bzw. eines ihrer Haup­trepräsen­tan­ten tang­iert in der Bun­desre­pub­lik näm­lich den Straftatbe­stand der Volksver­het­zung. Laut Tagesspiegel, wurde den Neon­azis deshalb u.a. die polizeiliche Auflage erteilt Heß wed­er „in Wort, Schrift oder Bild“ zu ver­her­rlichen. Ein Gericht soll die Polizeiau­flage schließlich, nach ein­er Klage der Ver­anstal­tenden, bestätigt haben.
Daran gehal­ten wurde sich jedoch den­noch nicht. Bere­its während ein­er „Zwis­chenkundge­bung“ laß Red­ner Sebas­t­ian Schmid­ke (NPD) aus dem Tage­buch von Abdal­lah Melaouhi vor. Der Tune­si­er war im Kriegsver­brecherge­fäng­nis in Span­dau let­zter Pfleger von Rudolf Heß. In seinem Buch, das er zusam­men mit NPD Poli­tik­er Olaf Rose, der am ver­gan­genen Sam­stag eben­falls Red­ner auf­trat, veröf­fentlichte, wird der NS Ver­brech­er pos­i­tiv aufgew­ertet, weswe­gen Melaouhi, laut Infor­ma­tio­nen der Zeitung „Die Welt“ aus dem Jahr 2008, mehrfach bei Ver­anstal­tun­gen der Nation­aldemokrat­en auf­trat und deswe­gen let­z­tendlich auch aus dem Berlin­er Migra­tions- und Inte­gra­tionsrat flog. Der britis­che „His­torik­er“ Peter Rush­ton bezog sich in sein­er Rede eben­falls auf das Tage­buch des tune­sis­chen Pflegers und nan­nte Heß auch beim Namen. Zuvor hat­te Sebas­t­ian Schmid­ke kurz vor Ende des Auf­marsches bere­its laut­stark die Parole: „Rudolf Heß – das war Mord“ skandiert, die auch von einem Teil der Teil­nehmenden wieder­holt wurde.
Ins­ge­samt blieb die Anzahl der teil­nehmenden Neon­azis, für einen inter­na­tion­al bewor­be­nen Auf­marsch, jedoch deut­lich unter dem möglichen Poten­tial. Zum Ver­gle­ich: Das Recht­srock Event am 15. Juli 2017 im thüringis­chen The­mar mobil­isierte unge­fähr 6.000 Per­so­n­en aus dem neon­azis­tis­chen Milieu.
Bran­den­burg­er Neon­azis in Berlin

Politisch rechts außen, auf dem Foto in der Mitte: Robert Wolinski (NPD Landesvorstand, Stadtverordneter und aktueller Bürgermeisterkandidat für Velten) während des Marsches für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in Berlin-Spandau
Poli­tisch rechts außen, auf dem Foto in der Mitte: Robert Wolin­s­ki (NPD Lan­desvor­stand, Stadtverord­neter und aktueller Bürg­er­meis­terkan­di­dat für Vel­ten) während des Marsches für Hitler-Stel­lvertreter Rudolf Heß in Berlin-Spandau

Den­noch zog der Heß-Marsch auch einige Bran­den­burg­er Neon­azis in den Berlin­er Bezirk Span­dau. Vor allem die „nation­aldemokratis­chen“ Struk­turen waren der Mobil­isierung für den Aufzug gefol­gt. Aus dem Land­kreis Ober­hav­el war beispiel­sweise der Vel­tener Bürg­er­meis­terkan­di­dat, Stadtverord­nete und NPD Lan­desvor­stand Robert Wolin­s­ki mit ein­er größere Gruppe angereist, aus Spreen­hagen die Gemein­de­v­ertreterin Manuela Kokott samt ihrem Lebens­ge­fährten aus Fürstenwalde/Spree (Land­kreis Oder-Spree). Weit­ere NPD Klien­tel reis­ten u.a. aus dem Land­kreis Spree-Neiße an.
Der III. Weg war durch dessen „Gebi­et­sleit­er Mit­ter“, Matthias Fis­ch­er aus Anger­münde (Land­kreis Uck­er­mark), sowie Einzelper­so­n­en aus dem Raum Pots­dam vertreten.
Aus dem Raum Rathenow/Premnitz (Land­kreis Havel­land) reiste eine Gruppe von Akteuren aus oder dem Umfeld der ver­bote­nen Kam­er­ad­schaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“ an, die heute den Ham­mer­skins nahe ste­hen sollen.
Aus Wittstock/Dosse (Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin) waren einzelne „Autonome Nation­al­is­ten“ sowie „Freier Kräfte“ angereist. Unter ihnen auch der Organ­isator mehrerer asylfeindlich­er Ver­samm­lun­gen, Ron­ny S. Er gilt als ein­er der führen­den Köpfe der Witt­stock­er Neon­aziszene. Er beteiligte sich bere­its im Jahre 2004 an einem „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wittstock/Dosse.
Aus Ost­bran­den­burg waren zudem einzelne Akteure der so genan­nten „Freien Kam­er­ad­schaft MOL“ angereist.
Spon­tan­marsch in Falkensee
Spontaner Heß-Aufmarsch in Falkensee (Landkreis Havelland)
Spon­tan­er Heß-Auf­marsch in Falkensee (Land­kreis Havelland)

Allerd­ings erre­icht­en nicht alle Bran­den­burg­er Neon­azis das „Heß-Gedenken“ in Berlin-Spandau.
In Rathenow sollen beispiel­sweise zwei Aktivis­ten, die auf dem Weg dor­thin waren, von ein­er Gruppe von mehreren Per­so­n­en am Rathenow­er Bahn­hof zusam­mengeschla­gen wor­den sein. Bei den Ange­grif­f­e­nen soll es sich, unbestätigten Infor­ma­tio­nen zu Folge, um Akteure des „N.S Havel­land“ gehan­delt haben. Allerd­ings hät­ten diese ohne­hin nicht den Ver­anstal­tung­sort erre­icht, da der Zugverkehr nach Berlin durch einen Bran­dan­schlag auf eine Sig­nal­s­teuerung von Unbekan­nten voll­ständig zum Erliegen kam.
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Dave Trick (Stadtverord­neter, NPD Neu­rup­pin, Freie Kräfte Neu­rup­pin-Osthavel­land) während des Spon­ta­nen Heß-Marsches in Falkensee (Foto: Fabi­an Schumann)

Ähn­lich ver­hielt es sich im Bere­ich der Bahn­lin­ie des RE2 zwis­chen Nauen und Berlin-Span­dau. Dort war der Zugverkehr eben­falls durch einen Bran­dan­schlag gestört. Eine Gruppe Anreisender Neon­azis, die Polizei sprach später von 120, war daraufhin in Briese­lang aus dem Zug gestiegen und hat­te sich spon­tan und zu Fuß in Rich­tung Span­dau gelaufen. Gegen 13.30 Uhr hat­ten sie dann in Marschfor­ma­tion und Ban­nern Falkensee erre­icht. Dort sollen sie sich dann später mit den Insassen von zwei Bussen, die eben­falls am „Heß-Gedenken“ in Berlin-Span­dau teil­nehmen woll­ten, vere­inigt haben und laut Polizei, gegen 17.00 Uhr einen Auf­marsch unter dem Mot­to „Mord ver­jährt nicht – Gebt die Akten frei“ angemeldet haben. An dem Aufzug in Falkensee, der gemäß Polizei auf nun­mehr 250 Teil­nehmende gewachen war, waren vor allem Neon­azis aus Nor­drhein-West­falen, Nieder­sach­sen und Ham­burg beteiligt. Aus Bran­den­burg nahm eine mehrköp­fige Gruppe um den Neu­rup­pin­er NPD Stadtverord­neten Dave Trick teil, die auch als „Freie Kräfte Neu­rup­pin-Osthavel­land“ in Erschei­n­ung tritt. Außer­dem beteiligte sich ein Akteur des III. Weges aus dem Land­kreis Pots­dam-Mit­tel­mark an dem Auf­marsch in Falkensee.
Fotos aus Berlin: hier
Fotos aus Falkensee: hier und hier
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Aufgeklärt: Die neonazistische Spontandemo am 29.07.2017 in Rathenow

Am Sam­stagabend ver­anstal­tete eine kleine Gruppe Neon­azis einen spon­ta­nen Auf­marsch im Stadt­ge­bi­et von Rathenow. Diese Ver­samm­lung fand zunächst unangemeldet statt. Später soll sich ein 35 Jähriger aus Magde­burg als Ver­samm­lungsleit­er zu erken­nen gegeben haben. Aus dem Aufzug sollen, laut Märkisch­er All­ge­mein­er Zeitung (MAZ), unter Beru­fung auf Angaben der Polizei, außer­dem einzelne Straftat­en verübt wor­den sein. Die Ver­samm­lung sei später sog­ar aufgelöst worden.
Aus Videomitschnit­ten, die im Inter­net kur­sieren, und zuge­spiel­tem Foto­ma­te­r­i­al soll das Ereig­nis nach­fol­gend rekon­stru­iert und analysiert wer­den. Ein großer Teil des Mate­ri­als wurde durch den so genan­nten „Patri­oten Kanal“, ein­er recht­en Inter­net­seite, in die Öffentlichkeit lanciert. Sie ver­mit­telt einen sehr nahen, jedoch auch deut­lich pro­pa­gan­dis­tisch wirk­enden  Ein­blick in das Ver­samm­lungs­geschehen und doku­men­tiert zugle­ich auch mut­maßliche Straftat­en. Fotos und Videos von dis­tanzierten Pas­san­ten zeigen hinge­gen er einen unbe­deu­tend klein wirk­enden Haufen Neonazis.
Rekon­struk­tion des Aufmarsches

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Route des spon­ta­nen Neon­azi­auf­marsches am Samstagabend. 

Der Aufzug fand in der Zeit zwis­chen 20.00 und 21.00 Uhr statt. Er begann in der Nähe eines bekan­nten Tre­ff­punk­tes von „Autonomen Nation­al­is­ten“ in Rathenow, am Kreisverkehr Große Milow­er Straße, Aus­fahrt Heidefeldstraße.
Ange­führt von einem Ver­mummten, der ein Megaphon in der Hand hielt, bewegte sich, gemäß Videomitschnitt des „Patri­oten Kanals“, von dort aus eine etwa 15 köp­fige Gruppe zunächst in die Hei­de­feld­straße. Der ver­mummte Mann, bei dem es sich mut­maßlich um den Rathenow­er Neon­azi Eric U. han­delte, trat dabei offen­bar als Rädels­führer in Erschei­n­ung. Er begann durch sein Megaphon, so ist es jeden­falls auf einem Video zu sehen und zu hören, die Parole „Autonom und Mil­i­tant – Nationaler Wider­stand“ zu skandieren. Der große Teil der beglei­t­en­den Per­so­n­en wieder­holte dann die Parole.
Kurze Zeit später ist im Video zu sehen, wie ein weit­er­er Neon­azi aus Rathenow ein Ban­ner mit der Auf­schrift: „N.S Havel­land – Frei, Sozial, Nation­al“ aus einem Ruck­sack holte, um es dann offen­bar mit weit­eren Teil­nehmenden des Aufzuges als Front­ban­ner zu tragen.
Der spon­tane Aufzug formierte sich dann endgültig zu einem Klein-Auf­marsch. Im Videomitschnitt des „Patri­oten Kanals“ ist dann das Skandieren weit­ere neon­azis­tis­che Parolen zu hören: „Wir sind Frei, Sozial und Nation­al“, „Das Sys­tem ist am Ende, wir sind die Wende“, „Nationaler Sozial­is­mus jet­zt – denn wir kämpfen: frei, sozial, nation­al“, „Wider­stand“, „Deutsch­land den Deutschen – Aus­län­der raus“, „Hier marschiert der nationale Wider­stand“, „Krim­inelle Aus­län­der raus – und die Merkel hin­ter­her“ und „Ob Ost, ob West – nieder mit der roten Pest“.
Von der Hei­de­feld­straße führte der Auf­marsch dann links ab in die Wolzen­straße und dann noch ein­mal links ab, in den Grü­nauer Weg bis in die Großen Milow­er Straße. Während des Zuges durch die let­zt genan­nten Straßen, ist in den Videomitschnit­ten immer wieder das Skandieren von neon­azis­tis­chen Parolen zu hören. Beim Passieren ein­er Geflüchtete­nun­terkun­ft sind in einem Video des „Patri­oten Kanals“ausländerfeindliche Sprüche zu hören.
Ab dem Über­gang Große Milow­er Straße zur Bran­den­burg­er Straße hat­te der spon­tane Aufzug dann offen­bar, so zeigen es zuge­spielte Fotoauf­nah­men, Polizeibegleitung, durch einzelne Streifen­wa­gen. Über einen konkreten Polizeiein­satz gegen die bis dahin unangemeldete Ver­samm­lung ist jedoch nichts bekannt.
Offen­bar von einem Dachbo­den aus gefilmtes und anonym ins Inter­net gestelltes Video­ma­te­r­i­al zeigt jeden­falls nur eine recht klein und ver­loren wirk­ende Neon­az­itruppe, welche die Große Milow­er Straße in Rich­tung Bran­den­burg­er Straße „marschiert“.
Da der Auf­marsch anscheinend dort nicht durch die Polizei aufge­hal­ten wurde, set­zte sich der Aufzug so dann über die Bran­den­burg­er Straße bis zum Kreisverkehr fort, bog dann rechts in die Berlin­er Straße ab und führte schließlich bis zum Märkischen Platz.
Dort ver­weilte die Kle­in­gruppe „Marschieren­der“, gemäß Web­cam, offen­bar kurz. Begab sich dann aber anschließend wieder in Marschfor­ma­tion zurück auf die Berlin­er Straße. Dort set­zt sich die Berichter­stat­tung des „Patri­oten Kanals“ mit einem weit­eren Videomitschnitt fort.
Im Video ist zu sehen, wie ein Polizeibeamter sowie einige offen­sichtlich betagte und fül­lige Kol­le­gen am Kreisverkehr in den Berlin­er Straße Ecke Mit­tel­straße verge­blich ver­suchen den Auf­marsch aufzuhal­ten. Der offen­bar lei­t­ende Beamte gibt, gemäß Videomitschnitt, laut und deut­lich bekan­nt, dass die Ver­samm­lung aufgelöst sei. Außer­dem forderte der Polizist die Teil­nehmenden zum Halt auf. Die bedanken sich allerd­ings zunächst nur bei der Polizei, skandieren dann: „Polizei und Demokratie – unsere Ket­ten brecht ihr nie“ und laufen ein­fach weiter.
Erst in der Großen Milow­er Straße Höhe Kreisverkehr Rich­tung Hei­de­feld­straße, nach etwa 2,7 km Lauf­strecke scheint der Aufzug been­det. Die Polizei hat­te sich offen­bar ver­stärkt und schien die Auflö­sung der Ver­samm­lung nun durch­set­zen zu können.
In einem Videomitschnitt des „Patri­oten Kanals“ erk­lärte Eric U, der offen­bar die Ver­mum­mung abgelegt hat­te, dass die Spon­tande­mo sowohl (polizeilich) aufgelöst sei als auch von ihm selb­st been­det wurde. Weit­er­hin ist im Video zu sehen, wie offen­bar die Per­son­alien aufgenom­men und end­los erscheinen­den Diskus­sio­nen über Medi­en­auf­nah­men folgen.
Polizeiliche Zwangs­maß­nah­men oder Inge­wahrsam­nah­men sind im Videomitschnitt des „Patri­oten Kanals“ nichts zuse­hen. Auch aus der Berichter­stat­tung der MAZ, die auf ein­er Mit­teilung der Polizei beruht, ist dies­bezüglich nichts zu ent­nehmen und erscheint somit als unwahrschein­lich. Zumal einige Teil­nehmende anschließend offen­bar noch das Dorffest im Rathenow­er Ort­steil Sem­lin besucht­en, dort Self­ies von sich macht­en und diese anschließend im Social­me­dia präsentierten.
Gegen einzelne Ver­samm­lung­steil­nehmer werde dann aber offen­bar doch noch wegen des Zeigen des „Hit­ler­grußes“ und des Mit­führens von „Pyrotech­nik“ ermittelt.
Organ­isierung des Aufmarsches
Mini-Aufmarsch des „N.S Havelland“
Mini-Auf­marsch des „N.S Havel­land“. Weit­ere Fotos hier

Der spon­tane Auf­marsch scheint im Wesentlichen durch Rathenow­er Neon­azis organ­isiert wor­den sein. Dies wird zum einen durch den Start­punkt des Aufzuges, in der Nähe eines bekan­nten Tre­ff­punk­tes lokaler „Autonomer Nation­al­is­ten“, und durch die mut­maßliche Rädels­führerschaft des Eric U, der den Auf­marsch anfangs durch seine Megapho­nansagen forcierte, deutlich.
U hat in einem Teil des neon­azis­tis­chen Milieus dur­chaus eine Schlüs­sel­funk­tion. Er gilt als Scharnier zwis­chen dem mit­tler­weile extrem rechts auftre­tenden PEGI­DA-Ableger „Bürg­er­bünd­nis Havel­land eV“ und über­re­gion­al aktiv­en Neon­azis aus Sach­sen-Anhalt und (Ost)brandenburg.
Seit 2015 ist U als poli­tisch inter­essiert bekan­nt. Seit Sep­tem­ber 2015 nahm er regelmäßig an Ver­samm­lun­gen des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“, die sich zunehmend als „asylfeindlich“ darstell­ten, teil. Zuvor ist über U nur bekan­nt, dass gegen ihn mehrfach wegen Brand­s­tiftun­gen polizeilich ermit­telt wurde.
Im Rah­men seines Engage­ments für das „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“, bei dem er oft als Ord­ner einge­set­zt war, fol­gte eine stetige Radikalisierung. Zunächst trat U und seine Lebens­ge­fährtin im Früh­jahr 2016 als „Bürg­er­wehr Rathenow“ auf, einige Monate später als „Autonome Nation­al­is­ten Rathenow“. Ab Dezem­ber 2016 nan­nte sich die Truppe dann „N.S Havel­land“. Ein entsprechen­des Ban­ner wurde dann im Jan­u­ar 2017 bei einem extrem recht­en Aufzug in gezeigt. Dort und bei ähn­lichen Aufzü­gen scheinen sich dann auch die Kon­tak­te U.s ins über­re­gionale neon­azis­tis­che Milieu ver­fes­tigt zu haben.
In Rathenow scheint „N.S Havel­land“ jedoch weit­ge­hend isoliert, so dass der Truppe momen­tan kaum mehr als fünf Per­so­n­en zuge­ord­net wer­den kön­nen. Während des Auf­marsches am Sam­stagabend nahm sog­ar nur eine weit­ere Per­son aus U.s direk­tem Umfeld teil. Eine weit­ere Per­son aus Rathenow, die am Anfang der Spon­tande­mo auf einem Videomitschnitt des „Patri­oten Kanals“ zu erken­nen ist, gehört zum harten Kern der mit dem „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ Sympathisierenden.
Bei den anderen Teil­nehmenden des sam­stäglichen Aben­dauf­marsches han­delte es sich haupt­säch­lich um Zugereiste, die über­wiegend aus Sach­sen-Anhalt kamen. Die Per­so­n­en kön­nen dem NPD nahen MAGIDA Umfeld bzw der „Brigade Magde­burg“, aus dem sich mut­maßlich auch der Ver­samm­lungslei­t­ende zur Ver­fü­gung stellte, sowie der „Bürg­er­be­we­gung Alt­mark“, als auch der „Freiko­rps Heimatschutz­di­vi­sion 2016“ zuge­ord­net wer­den. Zwei weit­ere Per­so­n­en kamen aus dem Osten Bran­den­burgs und sollen der „Kam­er­ad­schaft Märkisch-Oder­land“ angehören.
Nahezu alle Teil­nehmenden hat­ten sich vor der Spon­tande­mo am Sam­stagabend bere­its an ein­er Ver­samm­lung der extrem recht­en Vere­ini­gung „Bürg­er­bünd­nis Havel­land eV“ beteiligt. Lediglich U war von der angemelde­ten Ver­anstal­tung aus­geschlossen wor­den, weil er dort ver­mummt auftrat.
Drei Teil­nehmende des spon­ta­nen Abend­marsches hat­ten zudem auf der Kundge­bung des „Bürg­er­bünd­nis Havel­land eV“ Rede­beiträge gehal­ten. Ein­er, ein Mann aus Magde­burg, hat­te dort sog­ar zur Stim­ma­b­gabe für die NPD bei der kom­menden Bun­destagswahl aufgerufen.
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Rathenow: Extrem rechtes “Bürgerbündnis” marschierte wieder

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Am Sam­sta­gnach­mit­tag ver­anstalte die extrem rechte Vere­ini­gung „Bürg­er­bünd­nis Havel­land e.V.“ erst­mals seit drei Monat­en wieder eine größere Ver­samm­lung auf dem Märkischen Platz in Rathenow. Die Ver­anstal­tung wurde als Kundge­bung mit anschließen­dem Marsch durch die Stadt durchgeführt.
Der öffentlich im Inter­net ver­bre­it­eten Ein­ladung zur der Ver­samm­lung waren unge­fähr 50 Per­so­n­en, die über­wiegend aus Bran­den­burg, Berlin und Sach­sen-Anhalt anreis­ten, gefol­gt. Einzelper­so­n­en sollen aber auch aus Thürin­gen gekom­men sein. Aus Rathenow und Umge­bung sel­ber nah­men nur unge­fähr 15 Per­so­n­en teil.
Die Ver­samm­lung wurde unter dem Mot­to: „Wehr Dich Deutsch­er“ bzw. „Deutsch­er wehr Dich“ bewor­ben und in der Zeit von 14.00 bis 17.00 Uhr durchgeführt.
Es wur­den mehrere „Rede­beiträge“ gehal­ten und sich zu den üblichen The­men geäußert. Allerd­ings han­delte es sich bei den Äußerun­gen der Reden­den nicht um klar struk­turi­erte Vorträge, son­dern in erster Lin­ie um Kom­mentare zu gesellschaft­spoli­tis­chen The­men. Deut­lich erkennbar waren jedoch recht­spop­ulis­tis­che bis extrem rechte Aus­drucks­for­men. Zudem wur­den auch wieder Einzelper­so­n­en und bes­timmte Per­so­n­en­grup­pen her­aus­gestellt und dif­famiert. Anwe­sende und nicht anwe­sende Presse wurde beschimpft oder verunglimpft. Während des Aufzuges wur­den zudem Geflüchtete ver­bal angepö­belt, die aus ihrem Wohn­raum hin­aus, neugierig auf die Straße sahen. Das gle­iche passierte beim Vor­beizug der Demon­stra­tion an einem ara­bis­chen Geschäft. Eine Zwis­chenkundge­bung vor dem Laden hat­te die Ver­samm­lungs­be­hörde jedoch offen­bar untersagt.
Extrem rechte Versammlung
Der Rechts­drall ist beim „Bürg­er­bünd­nis Havel­land e.V.“ aktuell so offen­sichtlich, dass die Vere­ini­gung mit­tler­weile im aktuellen Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzbericht zum Jahr 2016 (veröf­fentlicht am 21. Juli 2017) im Phänomen­bere­ich „Recht­sex­trem­is­mus“ Erwäh­nung find­et. Ver­anstal­tun­gen des „Bürg­er­bünd­niss­es“ wer­den darin als „asylfeindlich“ benan­nt. Im Vor­jahr (2015) galt der Vere­in lediglich als „asylkri­tisch“ und wurde nicht im Ver­fas­sungss­chutzbericht erwäh­nt. Die Nen­nung des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land e.V.“ im aktuellen Bericht des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes erfol­gte jedoch offen­bar vor allem wegen der Unter­stützung durch die regionale NPD. Die in Rathenow über Organ­i­sa­tion­sstruk­turen ver­fü­gende neon­azis­tis­che Partei hat­te 2016 beispiel­sweise zur Teil­nahme an den Ver­samm­lun­gen der extrem recht­en Vere­ini­gung aufgerufen. Außer­dem hät­ten, laut dem Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzbericht 2016, auch „zahlre­iche Recht­sex­trem­is­ten“ die Ver­anstal­tun­gen des „Bürg­er­bünd­niss­es“ unter­stützt. Diese Unter­stützung durch die NPD war auch in den ver­gan­genen Monat­en des Jahres 2017 noch erkennbar, auch wenn kaum noch lokale Funk­tionäre dieser Partei den Ver­samm­lun­gen bei­wohn­ten. Stattdessen reis­ten vor allem Parteim­it­glieder und Parteisym­pa­thisierende aus Berlin und Sach­sen-Anhalt zu den Ver­anstal­tun­gen des „Bürg­er­bünd­niss­es“ an.
Auch am Sam­sta­gnach­mit­tag war dies wieder erkennbar. Eine Gruppe Teil­nehmende aus Magde­burg (Sach­sen-Anhalt), die auch dem dor­ti­gen PEGI­DA-Ableger „MAGIDA“ nah­este­ht oder in Teilen als „Brigade Magde­burg“ auftritt, nahm beispiel­sweise erst am ver­gan­genen Woch­enende an ein­er über­re­gionalen Saalver­anstal­tung der NPD im säch­sis­chen Riesa teil. Darunter auch der Magde­burg­er Ulrich Neu­mann, der am Sam­sta­gnach­mit­tag beim „Bürg­er­bünd­nis“ auf dem Podi­um sprach und dort im Zusam­men­hang mit den Bun­destagswahlen im Sep­tem­ber 2017 offen zur Wahl der NPD aufrief.
Weit­ere Teil­nehmende aus Sach­sen-Anhalt, die in der Regel unter der Beze­ich­nung „Bürg­er­be­we­gung Alt­mark“ und „Freiko­rps Heimatschutz­di­vi­sion Sek­tion Sach­sen-Anhalt“ auftreten, gel­ten als Sym­pa­thisierende der Vere­ini­gung „THÜGIDA“. Dieser Vere­in wird im thüringis­chen Ver­fas­sungss­chutzbericht 2014/15 als „recht­sex­trem­istisch geprägte Ini­tia­tive gegen Flüchtlinge“ namentlich benan­nt. Erst im März 2017 organ­isierten Bekan­nte Akteure der „Bürg­er­be­we­gung Alt­mark“ einen Aufzug für THÜGIDA in Sten­dal (Sach­sen-Anhalt). Die „Freiko­rps Heimatschutz­di­vi­sion Sek­tion Sach­sen-Anhalt“ waren dabei u.a. als Ord­ner eingesetzt.
Weit­ere Einzelper­so­n­en, die am Sam­sta­gnach­mit­tag aus Berlin zu der Ver­samm­lung des „Bürg­er­bünd­niss­es“  anreis­ten, sym­pa­thisieren mit den im aktuellen Ver­fas­sungss­chutzbericht des dor­ti­gen Lan­desamtes zum Jahr 2016 genan­nten Organ­i­sa­tio­nen „Bärgi­da“, „Bürg­er­be­we­gung Pro Deutsch­land“ und „Iden­titäre Bewe­gung Berlin-Bran­den­burg“. Die Berliner­in Elke Met­zn­er bezog sich in ihrem Rede­beitrag pos­i­tiv auf den so genan­nten „völkischen Geist“.
Ein ander­er, aus Ost­bran­den­burg zugereis­ter Red­ner, der sich als „Ste­fan Schu­mann“ von der „Kam­er­ad­schaft Märkisch-Oder­land“ vorstellte, sprach in seinem Beitrag, in dem er die derzeit­ige Bun­de­spoli­tik neg­a­tiv kom­men­tierte, von „jüdis­chen Poli­tik­ern“. Während des anschließen­den Marsches durch Rathenow skandierte der Ost­bran­den­burg­er zu dem neon­azis­tis­che Parolen wie „Nationaler Sozial­is­mus jet­zt“ und „Frei, Sozial, National“.
Ein Vertreter der Rathenow­er Neon­azi-Truppe „N.S Havel­land“ erschien zu dem ver­mummt auf der Ver­samm­lung und wurde anschließend offen­bar der Ver­anstal­tung verwiesen.
Spon­tan­er Neon­azi­auf­marsch am Abend
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Gegen 20.30 Uhr wurde bekan­nt, dass sich unge­fähr 15 ehe­ma­li­gen Ver­samm­lung­steil­nehmende der Ver­anstal­tung „Wehr Dich Deutsch­er“ bzw. „Deutsch­er wehr Dich“ spon­tan sam­melten und mit einem Ban­ner, auf dem die Auf­schrift: „N.S Havel­land“ deut­lich erkennbar war, an ein­er Geflüchtete­nun­terkun­ft in Rathenow vorbeizogen.
Später soll der mut­maßlich unangemeldete Aufzug auch durch Teile der Rathenow­er Innen­stadt gezo­gen sein und Parolen wie „krim­inelle Aus­län­der raus“ , „Frei, Sozial, Nation­al“ oder „Nationaler Sozial­is­mus Jet­zt“ skandiert haben.
Die Teil­nehmenden des Spon­tan­marsches kön­nen den Grup­pierun­gen „N.S Havel­land“, „Kam­er­ad­schaft MOL“, „Brigade Magde­burg“, „Freiko­rps Heimatschutz Divi­sion Sach­sen-Anhalt“, „Berserk­er Deutsch­land – Divi­sion Thürin­gen“ und „Bürg­er­be­we­gung Alt­mark“ zuge­ord­net werden.
Die Polizei war zunächst nur mit einzel­nen Streifen­wa­gen präsent und soll den mut­maßlich unangemelde­ten Aufzug erst nach dem Ein­tr­e­f­fen von Ver­stärkung in der Großen Milow­er Straße Ecke Hei­de­feld­straße gestoppt haben.
Fotos zur Ver­samm­lung „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“: hier

Fotos zur Ver­samm­lung „N.S Havel­land“: hier

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